Randbemerkungen: Die Staatsanwältin und der mehrfach Verurteilte

Mit unserem europäisch gepolten politischen und bürgerlichen Verstand sind wir versucht, den sich in den USA andeutenden Wahlkampf zwischen Kamala Harris und Donald „Liar“ Trump als Disput zwischen einer gestandenen Staatsanwältin und einem mehrfach verurteilten Lügner und Schwindler aufzufassen. Zur Ironie des vor zwei Wochen eingesetzten Schwenks im bizarren US-amerikanischen Wahlkampf gehört auch, dass alle marktschreierisch (aber teilweise begründeten) Signale Trumps bezüglich Joe Bidens („Sleepy Joe“) Altersgebrechen und Regierungs-Nichteignungen wegen Senilität, jetzt auf Trump zurückfallen. Kamala Harris (59), fast zwei Jahrzehnte jünger, könnte jetzt einen „Sleepy Donald“ in der Hinterhand haben. Was hieße, die republikanischen Vorlagen kreativ umzubiegen – auch wenn das nicht reicht, um einen US-Wahlkampf zu entscheiden. 

Aber da gibt es noch ein paar Sachen, die es wert wären, ausgepackt zu werden. Denn es gilt anscheinend ab nun die Schlussfolgerung einer demokratischen Beraterin, Caitlin Legacki: „Ich denke, der Instinkt der Demokraten ist oft, dass, wenn wir nur mit der anderen Seite argumentieren und unsere Politik erklären, dass die ‚Logik‘ siegen wird – aber so funktioniert die Welt nicht mehr“. „Die Welt“ ist echt amerikanisch zu verstehen, gemeint ist wohl der US-Durchschnittswähler. Der braucht Handfestes, Griffiges. Etwa die sich häufenden Aussagen der Demokraten über die „Seltsamkeit“ der Republikaner. Diese waren bisher „angetan von Biden“ (Financial Times), der ihnen ungewollt laufend Stoff und Stichworte für ihre Wahlreden lieferte. Weil ihre Strategen nicht mehr mit Bidens Rückzug rechneten, stehen sie jetzt vor dem Defensiv-Muss. Nachdem alle Verbal-Kanonen auf Offensive geeicht waren. Man kann das als erste Niederlage der Republikaner sehen: Zielscheibe „Sleepy Joe“ ist weg! 

Nun muss das Kästchen der Ideen- und Lügenblitze, aus dem Donald „L.“ Trump täglich einen Stich herauszog, neu gefüllt werden. Mit dem alten Stichwortkästchen hatte Trump die Demokraten fast schon so weit, dass sie an keine Siegmöglichkeit mehr glaubten. Auch dieses Paradigma ist jetzt weg.

Warum sonst klagte Trump auf seinem Sozialisierungskanal Truth Social bereits, dass er neu anfangen müsse? Wo er doch schon so viel Geld in den Kampf gegen Biden gesteckt habe….

Anfangen sollte er mit der Erklärung, warum er, inzwischen mehrfach verurteilt oder angeklagt, vor elf Jahren Kamala Harris mit Geld unterstützte, als diese sich als Generalstaatsanwältin Kaliforniens bewarb. Auch so eine Ironie des typischen US-Wahlkampfs… Passt aber genau zur Wahl des Trump-Stellvertreters, den bis vor Kurzem noch erbitterten Liar-Donald-Gegner J. D. Vance, der die wahrscheinliche Demokraten-Kandidatin Harris bereits öffentlich als „elende Katzenfrau“ bezeichnet hatte – da sie keine eigenen Kinder haben kann. Könnte zum gleichsam miserablen wie beliebten republikanischen Angriffsansatz gegen Harris im Wahlkampf werden…

Die Demokraten waren schnell in der Schaltung auf den Offensivmodus, nachdem Kamala Harris die Richtung erfolgreich vorgegeben hatte. Auch nutzten sie sofort den Ideenriss und das zittrige Umschalten der Republikaner. Die erste Kerbe die und in die sie schlugen: der Altersunterschied zwischen dem noch vital auftretenden Greis Trump und der jugendlich attackierenden Harris. „Nebenbei“: Staatsanwältin gegen mehrfach Verurteilten; Staatsanwältin, die die Banken in die Schranken wies und Unternehmer, der in den Krallen der Banken festsitzt; selbstbewusste, moderne Frau, und Mann, der selber von Frauen wenig hält, der sich einen Vize erkor, der die Frauen ins Mittelalter zurückweisen will… Nicht zuletzt, aber höchst problemgeladen in den USA: schwarze, weltoffene, gebildete Frau gegen weißen, säuerlich-bornierten, geldgierigen, boshaften Mann…