Randbemerkungen: Diplomat und Held von Brüssel

Sollte und wollte man Premier Ion Marcel Ciolacu (PSD) und seinen selbsthuldnerischen Deklarationen nach dem Brüssel-Besuch von vergangener Woche Glauben schenken, dann wird bis Jahresende die Haushaltsgrube Rumäniens so zugebaggert sein, dass Brüssel sich mit jenem Haushaltsdefizit zufriedengibt, das man, wie koalitionsseits gewünscht, ohne viel Reformieren erreichen kann und die EU-Milliarden „in reichem, vollem Schwalle“ sich über Rumänien ergießen werden. Wortreich vage „erklärte“ Ciolacu allen blauäugig Zuhörenden, dass er in Brüssel – ganz großer Chef! – mit den „europäischen Offiziellen“ „über Prinzipien und die großen Ziffern“ gesprochen habe und dass die Details in „Diskussionen auf technischem Niveau“ bis Ende Oktober geklärt werden. Im politischen Nebel blieb, worüber man sich denn einig war – sollte es überhaupt eine „Einigung“ gegeben haben… 
Bei Ciolacu klang das Ganze so zweideutig, dass man sich fragte, ob das Defizitziel nun -5,7 Prozent oder „weniger als Minus 6,2“ ist – beide Ziffern sprach er aus - dabei verlor man fast aus den Augen, dass auch ohne die vielzerdrückten „Reformen“ dieser Koalition das Haushaltsdefizit zum Jahresende irgendwo um die -7,2 Prozent erstarren wird und die ursprünglich gesetzten Ziele weit verfehlt werden.

Sollte der Premierminister aber tatsächlich ein vages Kopfnicken der „europäischen Offiziellen“ für ein Haushaltsdefizit von -5,7 Prozent herausgeschunden haben, dann steht fest: Brüssel ist flexibel oder realistisch gegenüber der Regierung Rumäniens. Dass sich Rumänien eine solche Flexibilität durch besondere Dienste bei der Unterstützung der    Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland verdient hätte, das ist wohl uns, der Bevölkerung, einfach entgangen… Und dass, quasi als Zugabe, auch noch die Verschiebung der Erreichung des Defizitziels von drei Prozent auf 2025 genehmigt wurde, wie es sich Bukarest wünschte – wohl in der Idee: Wer weiß, wer dann regiert…?!! – das ließ die Brust Ciolacus besonders stark schwellen.

Ansonsten – und in bester rumänischer Tradition – ritt der Premier stolz auf seinem Heldentum bei der Abwehr angeblichen Drucks aus Brüssel, die Mehrwertsteuer anzuheben, über die 19 Prozent, ließ aber auch durchblicken, dass er selber Diplomatie gezeigt habe, indem er sich einverstanden erklärte mit der Anhebung der 5-Prozent-Steuer der „Clubs“ auf 19 Prozent – „woran sich ja niemand stoßen wird“, wie er mit Ciolacuschem Augenzwinkern zu verstehen gab. Es scheint ihm tatsächlich viel dran zu liegen, dass sich „niemand“ an seinen Maßnahmen „stößt“…

Andrerseits: sooft in den vergangenen Jahrzehnten Vertreter der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds oder der Europäischen Kommission Rumänien geraten haben, die Mehrwertsteuer anzuheben, war das der Wink mit dem Zaunpfahl, dass die Maßnahmen, die die Regierung angedacht hatte, um Defizitziele zu erreichen, nicht adäquat waren und dass die Folgeberechnungen und die Erwägung des Impakts falsch waren. Das wurde zum Leitmotiv rumänischer Defizitkorrekturen. 

Wie der Jedemrechtmacher Ciolacu und seine Regierung die Personal- und Kostenreduzierungen im öffentlichen Dienst handhaben, wird spannend: je 15 Prozent Personalreduzierung und auch Kostenkürzung in den öffentlichen Institutionen, Zusammenlegung von Agenturen, die dieselben Aufgaben haben, Schnitt der Berater- und Staatssekretäreposten, Verkleinerung von deren Apparaten – ein Kürzungsprozess, der Ende 2023 abzuschließen ist. Spannend wird es auch, wenn man sehen wird, wohin die politische und Parteienklientel versetzt wird, die anfällt - damit die Einschnitte nicht schmerzen… Klientel einfach feuern geht im Jahr vor Wahlen nicht!

Die „Reform“-Absichten der Regierung beäugt die Wirtschaft misstrauisch bis feindselig. Ebenso Gewerkschaften, Beamte, Luxusrentner. Kommt´s doch noch zum Krach?