Randbemerkungen: Ein bisserl Spekulation

„Es geht niemand’ was an, wie und wann ich mit dem Herrn Ciucă die Rotation vollziehe!“ Klar: das hat ein nervöser Chef der Regierungspartei PSD, Marcel Ciolacu, gesagt, genervt von den Fragen von Journalisten, wie es denn mit dem Stuhlwechsel im Mai dieses Jahres zwischen PSD und Juniorpartner PNL stehe. Demgegenüber klingt es nach der Abgeklärtheit eines Olympiers, was der Hausherr von Schloss Cotroceni zum selben Thema von sich gab: „Wenn die Koalition entschieden hat, eine Regierungsänderung vorzunehmen, werden alle interessierten Seiten vorstellig werden, mir ihre Gesichtspunkte darlegen, und dann werde ich, im Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung, diejenige Entscheidung treffen, die mir als die Beste für Rumänien erscheint.“

Die Nervosität der Aussage des PSD-Spitzenkandidaten für den Sessel des Regierungschefs, und die olympische Erhabenheit der Botschaft von Johannis stehen in engstem Zusammenhang. Johannis hat ab 2025 (Präsidentschaftswahlen sind im Spätherbst 2024) im Inland weder zu gewinnen, noch zu verlieren, kann also das Katz-und-Maus-Spiel mit den auf sein Amt Spitzenden voll genießen und von seiner Allmachtposition aus kontrollieren: Dieser Katze entkommt keine Maus mehr. Ciolacu aber muss zittern: Ernennt ihn Johannis zum Regierungschef bis zu den nächstjährigen Wahlen, muss er wohl alle Vertrottelungen dieser Regierungskoalition – und alle weiteren, die bis Ende 2024 hinzukommen – ausbaden, hat aber eine theoretische Chance, die Stelle von Johannis einzunehmen. Ernennt Johannis einen der beiden anderen Spitzenkandidaten der PSD – Mihai Tudose oder Sorin Grindeanu, die beide schon mal kurzzeitig Premierminister Rumäniens waren – dann hat Ciolacu (so die Logik der Ablösung der Chefs in der PSD, seit es diese Partei gibt) an der Spitze der Partei ausgedient und der von Johannis ernannte Premierminister wird auch PSD-Parteichef. 

Zappelt der Chef der mitgliederstärksten Partei Rumäniens zu viel im Netz, dann hat Johannis immer noch die Geheimdienste am Gängelband, und ein ungeklärtes Kapitel von Ciolacus Vergangenheit in petto: Ein angeblich gefälschtes Zertifikat als aktiver Teilnehmer an der „Revolution“ vom Dezember 1989. Ein Urteil darüber liegt bei der Justiz noch auf Eis, während die Antikorruptionsbehörde DNA behauptet, darüber nicht Auskunft geben zu können, doch ein „Klärungs-“Türchen spaltbreit offenlässt: „Soweit ich aber weiß, sind noch nicht alle Dossiers klassifiziert…“, sagte DNA-Chef Bologa. Ciolacu sitzt also in einer solide gebauten Falle und kann mit vielen Hebeln gelenkt werden.

Immerhin: Wenn Johannis noch zu der Partei steht, die ihn hochgehievt hat, zur PNL, täte er ihr keinen Gefallen, wenn er den gegenwärtigen Premierminister, den ausgedienten General Ciucă, im Amt ließe. Und die PNL hätte Zeit zum Stimmen- und Vertrauensammeln bis zu den Wahlen, wenn sie nicht mehr in der Schusslinie wäre. Auch könnte dann der publikumswirksame Krieg gegen die „Rote Pest“ wieder Fahrt aufnehmen, was zumindest bei einem Teil der Wählerschaft ankommt. Das völlige Irrelevantwerden bliebe der PNL erspart (wie es durch die in unserer Randbemerkung von vergangener Woche zitierten Umfrage von Atlasintel verstanden werden könnte), wenn der Fokus auf die PSD umdisponiert werden würde, ohne dass Ciolacu oder sonstwer aus dieser Partei noch viel Schaum schlagen kann. Obwohl genau dasselbe Irrelevantwerden der PNL problemlos auch dann blühen kann, wenn ihr Parteichef, der als General abgetakelte Premierminister Ionel Ciucă, im Amt bleiben sollte …

Diese spekulativen Überlegungen stehen im Kontext der Schieflage der Außenhandelsbilanz Rumäniens – das Land importiert viel mehr als es ausführt – und im Spiegel eines allzu populistischen Umgangs mit den Finanzen des Landes, ganz abgesehen vom Krieg an der Ost- und Nordostgrenze Rumäniens.