Randbemerkungen: Unabhängige Politiker

Die Wahlen vom kommenden Sonntag sind in vieler Hinsicht wegweisend für die weiteren Wahlgänge von 2024. Auch für die vorverlegte Präsidentschaftswahl. Kein Zufall, dass noch keine der aussichtsreichen Parteien sich auf einen Präsidentschaftskandidaten festgelegt hat, bevor der Wahltest vom Sonntag – einschließlich der Wahl fürs Europaparlament – ausgewertet ist. Eine Partei wie die PSD wird nimmer ihren Vorsitzenden behalten – geschweige denn, für die Präsidentschaft nominieren – wenn sie bei den Kommunalwahlen unter ihrem Minimalziel der Erringung der meisten Verwaltungsposten bleibt. Traditionsgemäß wird sich die Herde ihres Leitesels, dem sie folgsam nachgetrottete, entledigen. 
Was sollen aber dann die Umfragen betreffs der Chancen des einen oder anderen bei der Präsidentschaftswahl im Frühherbst – für die nur einer bislang als potenzieller Kandidat feststeht: der 2009 Traian B²sescu knapp unterlegene Mircea Geoană der sich für eine Nacht Präsident wähnte. Der Stellvertreter des NATO-Generalsekretärs. Ein leidlich gesetzter, probater Politiker, auf dessen Urteil man bauen und vertrauen kann. Derselbe übrigens, der damals im Handumdrehen vom Vorsitz der PSD durch die in Rumänien immer gefährliche „zweite Reihe“ (man denke bloß an den Sturz Ceau{escus…) entfernt wurde. 

Geoan² macht gegenwärtig eine gute Figur als potenziell aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat und er scheint sowohl Geldgeber, geheime Unterstützer wie auch Influencer hinter sich zu haben. Anders sind schwerlich seine nahezu permanente Medienpräsenz, seine Dauerkommentare zu in- wie ausländischen Problemen zu erklären, die sich durch Klug- und Ausgewogenheit sowie Sachkompetenz angenehm von den Stellungnahmen beamteter Entscheidungsträger abheben, die etwas sagen müssen und das kaum über ein Murksen hinaus schaffen. 

Das wäre der „positive“, der „kontrastive“ Geoan², der Rumänien als Präsident gar nicht so schlecht stehen würde. Irritierend ist seine sogenannte oder zur Schau getragene „Unabhängigkeit“ – worunter man hierzulande immer „unabhängig von einer Partei“ versteht. Nicht unbedingt gleichzusetzen mit „parteilos“.

Dem Kommentator ist, mit einer Ausnahme, kein rumänischer Politiker bekannt, der es bei Wahlen zu etwas gebracht hat, ohne von einer Partei huckepack genommen worden zu sein. Die Ausnahme ist der Bukarester Oberbürgermeister Nicu{or Dan. Der wurde zwar von einer Partei unterstützt, er gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern der ehemaligen Reformpartei USR, aber er hat sich recht bald distanziert, auch von seiner Mit-Gründung, und ist mit erstaunlicher – in Rumänien unüblicher - Konsequenz jahrelang den Weg eines in der bürgerlichen Gesellschaft verankerten Verantwortungsbewussten gegangen. Was ihm die Bukarester 2020 honoriert haben.

Alle anderen „Unabhängigen“, die es durch Wahlen zu etwas brachten – Dacian Ciolo{, Sorin Oprescu oder die Karrierediplomatin Ramona Chiriac, die jüngst fast zur gemeinsamen Kandidatin der Regierungsparteien PSD/PNL geworden wäre – alle haben sich als „Unabhängige“ um Spitzenämter bemüht, dabei aber krampfhaft auf Parteien geschielt, die sie unter ihre Fittiche nehmen. Wie Heiratsfähige, die unter die Haube wollen. Ciolo{ hat, mangels einer schlagkräftigen Unterschlupfpartei, zwei Kleinparteien gegründet – zu klein, um richtig groß zu werden, Oprescu duckte sich unter die Fittiche der PSD und erlitt das PSD-Spitzenleute-Schicksal: er ging der Justiz wegen Korruption ins Netz und wurde zu zehn Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Entwischte aber nach Griechenland, das ihn nicht ausliefert. 

Geoan², der Ex-PSD-Parteichef, verharrt in Lauerstellung. Giert nach einer Partei. Wer wird ihn, vorläufig Klassenbester der Präsidentschaftskandidaten, unter seine Fittiche nehmen? Eigenverantwortlich scheint der „Unabhängige“ nicht weiter zu wollen.