Randbemerkungen: Was Politiker vom Clown lernen müssten

Die kurze Antwort auf die Frage lautet: Nicht viel! Nur das Eine, aber alternativlos: Nie selber tun, was man dem „Volk“ verbietet!

Boris Johnson, der seinem deklarierten politischen Vorbild Winston Churchill (über den er eine Biografie veröffentlicht hat) gern nachgeahmt hätte in puncto Langlebigkeit im öffentlichen Fokus, hätte das realisieren können, trotz seiner Neigung zu Lügen, Skandalen, Exzentrizität(en) und Wortbrüchigkeit, seines Spiel- und Spaßtriebs, zur Abenteuerlichkeit, in die er sein Land hineinriss. Denn der hochintelligente und charakterlose Struwwelpeter mit Eliteausbildung in Eton und Oxford (er hat dort klassische Literaturen und Geschichte studiert) hatte solch einen Charme und einen derartigen Unterhaltungswert, dass man im – aus festlandeuropäischer Sicht – leicht schrägen Großbritannien mit ihm gut und gerne weitergelebt hätte, zumal man schon wirklich die längste Zeit sehr wohl wusste, mit wem man´s zu tun hatte.

Schon bei der ehrwürdigen „Times“ war er zu Beginn seiner Karriere hinausgeschmissen worden, weil er in einem Bericht ein erfundenes Zitat argumentierend eingebaut hatte. Dieses Lügen – inzwischen salonfähig gemacht durch den Begriff „alternative Wahrheit“ – zieht sich allmählich als Gewohnheit durch sein ganzes öffentliches Erscheinen und Agieren. Zeugt aber auch von bester Kenntnis der Erwartungshaltung, des Bildungsstands und der Denkkapazität seines „Publikums“ – dito seiner Anhänger- und Wählerschaft.

Als er für „Daily Telegraph“ und für „Spectator“ arbeitete, instrumentalisierte er seine Arbeitgeber  skrupellos als Unterhaltungs- und Aufhetzungsinstrumente, wobei er die EU-Hauptstadt Brüssel als Bühne und Tribüne benutzte, von wo er seine „Erfindungen“ einem dafür aufnahmebereiten Publikum rhythmisch verlässlich zulieferte. Die „Bemühungen“ der EU-Kommission bezüglich der Standardisierung der Krümmung von Bananen; der EU-Plan, Hunde einzusetzen, um die Misthaufen der Farmer Europas zu beschnüffeln, zwecks Festzustellung, ob der Mist der europäischen Haustiere überall gleich rieche; die Diskussionen in der EU-Komission zur Standardisierung der Größe der Präservative, weil man festgestellt habe, dass (gerade) die Italiener kleinere Penisse hätten als – natürlich die Briten... 

Phantasie, Humor, Zynismus und Sarkasmus sind dem Lügenbaron an der Spitze der englischen Regierung sicher nie abzusprechen gewesen. Er lotete die neue Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber „alternativen Wahrheiten“ bis zu deren Grenzen aus. Die waren von den Vorurteilen der Adressaten bestimmt. Er hatte Erfolg damit: Parlamentsmitglied, zweimal Bürgermeister von London, Außenminister Großbritanniens unter der glücklosen Teresa May, nach deren Wegkatapultierung, an der er mitgewirkt hat, wurde er Premierminister, der das Land – vielleicht auch nur so, zu seinem Spaß – aus der EU in eine bis heute ungewisse Zukunft hinausbugsierte. Zu Zeiten seines Idols Churchill wäre er wohl lange vor Erfüllung seiner Träume aus dem Verkehr gezogen worden, aber was die USA Jahrzehnte nach dem „Whiskysäufer“ mit einem Trump können, das kann Old England schon lange. Chaos-Boris ist der Beweis.

Mit seinem Charisma, seinen Charmoffensiven – in beiden ist BJ Großmeister – konnte er alle (kalkulierten oder ihm passierten) Fehltritte aussitzen, bis auf den letzten. Denn Boris Johnson fiel nicht wegen Lügen und Skandalen, nicht wegen politischen Fehlern (wozu zunehmend auch der Brexit gezählt wird), nicht wegen seinem notorischen Opportunismus. Die Fußangel, die er sich selber gestellt hatte, war seine Disziplinlosigkeit und sein Unernst: Er hat ignoriert, was er selber vorher dem Volk, dem „Großen Lümmel“, verboten hatte. Die Restriktionen der Pandemie hat er mit dem Saufgelage zu seinem Geburtstag abgehoben und wissentlich mit Füßen übertreten. 

Sowas verzeiht kein Wahlvolk.