Renaturierung von Verwaltungsstrukturen

Anpassungen in deutscher Kulturpolitik: Administration und Gesellschaft

Bundesbeauftragter Dr. Bernd Fabritius im Austausch mit der Generalsekretärin des Instituts für Auslandbeziehungen (ifa) Gitte Zschoch Foto: BMI

Der Kraftakt war einschneidend: Ende der 1990er Jahre wurde in Deutschland, unter dem Deckmantel der Professionalisierung,  die im Wesentlichen ehrenamtliche landeskundliche Forschung in der Kulturarbeit der Vertriebenen- und Aussiedlerverbände in sog. An-Instituten quasi verstaatlicht und Bundeskulturreferate außerhalb des Einflussbereichs der Landsmannschaften etabliert. Jene an universitären Betrieb angegliederte Institute und Referate waren von den großen Kulturverbänden entkoppelt. Natürlich engagierte man sich in den neuen Strukturen auch weiterhin; jene Institute entwickelten sich mit kreativer „Anpassungstaktik“ erfreulich gut, es bildeten sich diverse Kooperationen. Über 25 Jahre später werden nun jene Strukturen überprüft. Erfolgt eine Renaturierung?

Fakt ist: Als vor einem Jahr per Ministerialerlass das Beiwort „deutsch“ aus dem Namen des Bundesinstitutes für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa - BKGE gestrichen wurde, um den Tätigkeitsschwerpunkt langfristig zu verallgemeinern, da regte sich Unmut – unter Fachleuten, wie auch in den betroffenen Kulturverbänden (die ADZ berichtete: „deutsch: gestrichen“). Mit dem Regierungswechsel im Frühjahr dieses Jahres wurden vormals ideologisch motivierte Änderungen einer Prüfung unterzogen. Das staatlich begradigte Flussbett in der Kulturpolitik wurde im Hinblick auf deren gesellschaftliche Breitenwirksamkeit überprüft.

Jene Überprüfungen waren nicht theoretischer Natur „vom Schreibtisch aus“, sondern Folge zahlreicher Gespräche mit Involvierten, Arbeitstreffen und Besuchen vor Ort. Der dafür in der Regierung ernannte Aussiedlerbeauftragte Dr. Bernd Fabritius brachte bereits aus der Verbandsarbeit jahrelange Erfahrungen mit. Er sprach mit Wissenschaftlern der einschlägigen Institute, traf sich mit den Bundeskulturreferenten, steht auch im Austausch mit der oppositionellen Parteivorsitzenden von „bündnis90/dieGrünen“ Dr. Franziska Brantner. Unlängst stimmte sich Bernd Fabritius mit der Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Gitte Zschoch ab, das im Sinne des kulturellen Dialoges seit über 30 Jahren Kulturmanager und Redakteure ins östliche Europa entsendet, genauso wie mit den Vertretern des Goethe-Instituts, am Rande einer Jugendtagung deutscher Minderheiten (AGDM) in Schatzlar  (Tschechien). Als Co-Vorsitzender der rumänisch-deutschen Regierungskommission ist auch der regelmäßige Kontakt mit Rumänien sichergestellt, dem Ort, an welchem derHauptauftrag aus dem Kulturparagraphen 96 BVFG, nämlich die „Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen und Flüchtlinge und Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ – so die klare Formulierung schon im Titel dieses gesetzlich normierten Auftrages – ebenfalls zu erfüllen ist. 

Was folgt nun daraus? „Durch Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 6.5.2025 wurde die Zuständigkeit für die deutsche Minderheit im Bundesinnenministerium (BMI) zusammengeführt“, erklärt Fabritius auf Anfrage. Er wird mit Beginn des neuen Haushaltsjahres die Belange der deutschen Minderheiten in deren Herkunftsgebieten gebündelt wahrnehmen und bereichsübergreifend in der Regierung Deutschlands vertreten. Gemeint sind Aufgaben für die deutschen Minderheiten beim erwähnten ifa, den deutschen Zentren des Goethe-Instituts, fortwährende Förderung des Unterrichts in deutscher Muttersprache, Brauchtumsveranstaltungen, Fachseminare und Sicherungsmaßnahmen des Kulturerbes. Wird die Förderung erhöht? Vorerst fortgeführt, jedenfalls nicht gekürzt. Nicht zu vernachlässigen wäre das „gute Wort“, das er diplomatisch einlegt, damit z.B. eine drohende 40%ige Kürzung der Förderung der Minderheiten durch Rumäniens Regierung vermieden wird, bzw. weniger drastisch ausfällt. Die gegenwärtig noch in einem Verbund geführte Berliner Stiftung Flucht-Vertreibung-Versöhnung soll ab 2026 autark bestehen. Das Konzept dafür entsteht in Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien – BKM und wird planmäßig im November im Kabinett erörtert.

All das weckt Hoffnung, dass auch das Siebenbürgische Institut in Anlehnung an die Universität Heidelberg aus der jährlich schwankenden Projektförderung zusammen mit dem ebenfalls in Gundelsheim am Neckar befindlichen Siebenbürgischen Museum der festen institutionellen Förderung zugeführt werden kann. Administrative Änderungen auf höchster Ebene sind Schwerstarbeit. Vorerst wurde  prominente Aufmerksamkeit und Fürsprache erreicht: Bundeskanzler Friedrich Merz war im August Festredner bei der 75-Jahre-Feier zur Charta der Vertriebenen in Stuttgart, das sprichwörtliche „Grundgesetz“ des Bundes der Vertriebenen - BdV, dem Dr. Bernd Fabritius vorsteht.

Fast vergessen sind die End-90er, als einige der Geflohenen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder als Vaterlandsverräter beschimpften, da er mit gesamtdeutscher Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze vorgeblich die Gebiete Ost-Brandenburgs und jene vom Oberlauf der Oder endgültig aufgegeben habe. Demgegenüber stach beim diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen im fränkischen Dinkelsbühl unter der Vielzahl an Fotos eines als außergewöhnlich hervor: Bernd Fabritius hielt zusammen mit Iulia-Ramona Chiriac, Konsulin Rumäniens in München, so etwas wie eine Bürgersprechstunde ab. Darauf angesprochen erklärt Fabritius:

„Die guten Kontakte mit unseren Herkunftsländern sind unerlässlich, wenn es darum geht, Anliegen unserer Landsleute auch dort voranzubringen. Dass diese – und nur diese – Strategie erfolgreich ist, hat sich bereits bei den hoch anerkennungswürdigen Leistungen Rumäniens für die Deportationsopfer erwiesen, und sie gilt für alle anderen Bereiche ebenso.”

Solange man miteinander spricht, man zusammenarbeitet, solange ist alles im Fluss – panta rhei. Dabei kann mitunter ein vormals begradigter Flusslauf renaturiert werden, um sinngemäß nah an gesellschaftlichen Belangen zu sein. Ausgewogene Kulturpolitik ist immanent für gesellschaftlichen Zusammenhalt – grenzüberschreitend. Ein Selbstläufer ist es nicht.