Romanheld erklärt Umgang mit Epilepsie

Das Epi-Projekt – eine umfangreiche Initiative zur Aufklärung

„Stai jos sau cazi“, 2022 im Nemira-Verlag erschienen, ist der erste rumänische Roman zum Thema Epilepsie.

Bogdan Munteanu | Foto: Ika Rodica

Im Epi-Projekt wird durch ausgefallene Initiativen auf Epilepsie aufmerksam gemacht: an Bushaltestellen (links), mit dem Epi-Bücherregal (Mitte) und Erste-Hilfe-Lesezeichen (rechts) sowie auf der Webseite epilepsee.ro. | Fotos: epilepsee.ro

„Hallo, ich bin’s, Cipri! Ich habe Epilepsie. Wenn du gerade in der Nähe bist, wenn ich einen Anfall habe, dann flipp bitte nicht aus. Es ist ganz einfach, mir zu helfen: Entferne gefährliche Gegenstände um mich herum. Leg mir etwas Weiches unter den Kopf. Steck mir nichts in den Mund. Rufe die Notfallnummer 112 an, wenn der Anfall länger als drei Minuten dauert oder wenn ich nach dem Anfall schwere Verletzungen habe. Bleib bei mir, bis ich wieder zu mir komme. Ich danke Dir!“ 

Auf der Vor- und Rückseite eines Lesezeichens steht dies mit feuerroten Buchstaben geschrieben. „Semn de prim ajutor“ (Erste Hilfe Zeichen) heißt die Initiative, die Bogdan Munteanu vor mehreren Monaten ins Leben gerufen hat. Dabei geht es darum, die Öffentlichkeit über das Thema Epilepsie auzuklären. 

Epilepsie ist eine Erkrankung, bei der das Gehirn oder einzelne Hirnbereiche übermäßig aktiv sind und zu viele Signale feuern. Dies löst die sogenannten epileptischen Anfälle aus. Dabei zucken manchmal nur einzelne Muskeln – es kann aber auch der gesamte Körper krampfen und man verliert das Bewusstsein. 65 Millionen Menschen weltweit leben mit dieser Diagnose, 125.000 davon in Rumänien. Die tatsächliche Zahl ist aber in etwa doppelt so hoch. 70 Prozent dieser Menschen halten die Krankheit durch Medikamente im Griff und können ein normales Leben führen. 

Die unsichtbare Krankheit

Einer von hundert Menschen hat Epilepsie. Doch Epilepsie bleibt unsichtbar. Man nennt sie sogar so: die unsichtbare Krankheit. Ein epileptischer Anfall kann überall auftreten: zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit, an der Bushaltestelle. Davon ausgehend hat der Temeswarer Schriftsteller Bogdan Munteanu 2022 den Roman „Stai jos sau cazi“ (Setz dich hin oder du fällst hin), der im Nemira-Verlag erschienen ist, veröffentlicht. Der Protagonist, Ciprian – ein Alter Ego des Autors - leidet an Epilepsie. Es ist das erste Buch zu diesem Thema in der rumänischen Literatur. 

„Nino-nino. Erregung. Temeswar. Samstag. Eine kleine Gruppe von Menschen. Ciprian, ein 40-jähriger Mann, begreift plötzlich, dass er sich nicht mehr verstecken kann: Er muss seine Krankheit akzeptieren. Aber der Weg zu diesem Moment, der noch lange nicht zu Ende ist, war kurvenreich. Der Protagonist und Erzähler führt uns durch sein Leben, Krise für Krise, Empörung für Empörung, Witz für Witz, um uns zu zeigen, wie die Reise mit einer unheilbaren Diagnose verlaufen kann“ – so die Beschreibung des Romans auf dem Buchrücken. „Im Angesicht der Epilepsie bleibt der Humor die einzige Verteidigung“, so der Autor. Bogdan Munteanus Roman „Stai jos sau cazi“ wurde für das Festival du Premier Roman de Chambéry 2023 nominiert, dessen 36. Ausgabe vom 11. bis 14. Mai in Frankreich stattfand.

Hinsetzen oder hinfallen

Das Buch kann man in einem Atemzug lesen und das haben bereits zahlreiche Menschen getan. Ihre Reaktionen zu diesem sensiblen Thema haben den Autor veranlasst, seine Initiativen fortzusetzen, um das Bewusstsein für diese Krankheit zu schärfen. Dies führte dazu, dass an den Bushaltestellen der Expresslinie E2 in Temeswar/Timișoara Informationen über Erste Hilfe im Falle von Epilepsieanfällen angebracht wurden. Die Stencils auf dem Asphalt wurden anlässlich des Purple Day – des Tags zur Aufklärung über Epilepsie am 26. März – angebracht. Die Botschaft ist an folgenden Haltestellen zu sehen: AEM/ Domășnean, Venus, Parc Sudului, Temescher Kreiskrankenhaus, Oituz, Mărăști-Platz, Dacia Service, Divizia 9 Cavalerie, Sf. Apostoli Petru și Pavel, Studentencampus. „Jeder Ort kann ein Ort der ersten Hilfe sein“, sagt dazu Bogdan Munteanu.

Seine Initiativen zum Epilepsie-Bewusstsein wurden auch in anderen Richtungen fortgesetzt: So ist ein komplexes „Epi-Projekt“ entstanden. „Das Projekt entstand aus dem Wunsch heraus, den Dialog über Epilepsie zu normalisieren. Das Erste-Hilfe-Zeichen, das Epi-Regal und der Erste-Hilfe-Platz sind nur einige dieser Bestandteile“, erzählt der Initiator. Das Projekt wird durch einen Zuschuss für künstlerisches Schaffen über das Förderprogramm „Energie!“ des Projektezentrums der Stadt Temeswar im Rahmen des nationalen Kulturprogramms „Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023“ finanziert.   

Das Epi-Regal wurde ebenfalls anlässlich des Purple Day in der Cărturești-Buchhandlung in Temeswar aufgestellt und wird bis Ende Mai dort zu finden sein. Es enthält Titel, die von Lesern vorgeschlagen wurden, die diese Krankheit verstehen oder versuchen, sie so gut wie möglich zu verstehen. Neben ihren Lieblingsbüchern kann man die Lesezeichen mit Erste-Hilfe-Maßnahmen im Falle eines Anfalls finden. Diese sind kostenlos verfügbar. Als Folge der Initiative in Temeswar wurden derartige Epi-Bücherregale auch in den Cărturești-Buchhandlungen in Arad (der Heimatstadt von Bogdan Munteanu) sowie in Chișinău, Republik Moldau, eingerichtet. 

Epilepsie: von unsichtbar zu sichtbar 

Eine weitere Komponente des Projekts sind die „EpiTalks“ – Gesprächsreihen über Epilepsie. Eine erste solche Veranstaltung fand Ende April in Temeswar statt. In der Cărturești-Buchhandlung am Opernplatz setzten sich mehrere Künstler, die das Leben mit Epilepsie besser zu verstehen versuchen, zusammen und sprachen über Akzeptanz, Stigmatisierung, Solidarität, Mut, Ängste, Stürze, Aufstiege, aber auch über Berufe, Leidenschaften, Wünsche und Erfüllungen. 

Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Webseite epilepsee.ro. „Aus dem selben Wunsch heraus, den Dialog über Epilepsie zu normalisieren, stelle ich mir diese Webseite als einen Ort vor, an dem wir offen über diese Krankheit sprechen, wie wir mit Freunden über alltägliche Dinge sprechen. Mit Einfühlungsvermögen, Vertrauen und Humor“, sagt Bogdan Munteanu.

Wichtige Informationen für alle, aber auch eine virtuelle Stelle, wo Menschen mit Epilepsie ihre Lebensgeschichten teilen können, soll diese Webseite darstellen. Unsichtbar soll sichtbar werden – daher auch das Wortspiel „Epilepsee“ (vom englischen Wort „to see“ – sehen). „Epilepsie ist keine Geisteskrankheit oder intellektuelle Störung. Es handelt sich um eine Erkrankung des Gehirns, bei der es zu abnormen Anfällen in den elektrischen Schaltkreisen kommt. Die Anfälle können in jedem Alter auftreten, dauern  Sekunden bis Minuten und führen zu leichten Verhaltensänderungen oder Bewusstseinsverlust. Über Epilepsee kann man erfahren, wie sich manche Menschen mit Epilepsie fühlen, was sie getan haben, um ihre Krankheit zu akzeptieren und ein normales Leben zu führen, vor wem oder wovor sie noch Angst haben. Wir sprechen mit Eltern und Kindern, Freunden und Kollegen, Ärzten, Fachleuten und Psychologen, mit allen, die die unsichtbare Krankheit kennen oder spüren und etwas dazu sagen wollen. Wir führen Aufklärungs- und Informationskampagnen durch und halten auf dem Laufenden“, so die Einführung auf der neuen Webseite. 

Cipri, der Hauptdarsteller in Munteanus Roman, ist bereits mehrmals aus den Buchseiten ins reale Leben gesprungen. Zum ersten Mal auf das Erste-Hilfe-Lesezeichen, dann in die Bushaltestellen und die Buchhandlungen mit dem Epi-Buchregal, und bald wird er auch zum Protagonisten in einem Theaterstück, das innerhalb des Internationalen Festivals für junges Publikum in Jassy/Iași vorgestellt wird.