Russlands Staats-Neofaschismus

RANDBEMERKUNGEN

Die (maximal) achtwöchige Einheit der Welt in der Einschätzung Russlands als Aggressor ist (spätestens seit, aber nicht wegen Davos) dahin. Das (bei Ungarn von aller Anfang an zähneknirschende) Zusammenrücken der EU und deren Auftreten als Einheit in der Beschlussfassung von restriktiv-punitiven Maßnahmen in den Beziehungen zu Russland, um den Aggressor zur Vernunft zu bringen, ist futsch. Die jüngsten EU-Sanktionen sind halbherzig. Die Militärhilfen zugunsten der Ukraine laufen Gefahr, zu spät zu kommen - nicht zuletzt (aber nicht nur) wegen Deutschland. Das Doppelspiel Großbritanniens scheint zu fruchten.

Das Vereinigte Königreich agiert janusköpfig: nach dem (beiderseits noch unverdauten, ja noch nicht einmal komplett ausgehandelten) Brexit, treibt es einen weiteren Keil in die EU, versucht, aus der Ukraine einen reinen Pufferstaat zu machen zwischen der EU und Russland. Und hat dabei – wieder mal – Polen an seiner Seite. Als Faust-„Keil”.

Auf der Ebene der europäischen Intellektualität – Brecht schreibt von den „Torheiten der Tellektuall-Ins” – herrscht keinerlei Konsens. Weder in der Einschätzung des Handelns Russlands, noch des faschistoiden Kerns seiner Staats-Ideologie im Schlepptau Putins. Realistisch betrachtet erfüllt Russland alle Klassifizierungskriterien als faschistischer Staat: es hat sich ein Feindbild fixiert (der Westen, seine Dekadenz, „Nazismus” – was immer die Russen drunter verstehen mögen), Vergangenheitsverklärung (imperiales Zarentum als vor-gelebtes Paradies des „russischen Friedens”), Mythenstiftung (inclusive  Totenkult und Heldenverehrung – Russland/die Sowjetunion als einziges Opfer und alleiniger Sieger des Zweiten Weltkriegs), Krieg als Normalzustand eines jungen und starken Volkes (81 Prozent der Russen sollen mit Putins Krieg gegen die Ukraine einverstanden sein; damit wird Krieg – auch als „Sonderoperation Ukraine” - zum Normalzustand gemacht), Revolution (im Sinne des Aufdrückens des Russki-Mir-Stempels einer ganzen Welt, zwecks deren Umwandlung zum Hort und Aktionsfeld des Dritten Rom). Alle diese Charakteristika werden von einer mächtigen Propagandamaschine in die Hirne der Bevölkerung getrieben. Zusätzlich kommt im Falle dieses faschistischen Russlands noch, was bei Ceau{escus Rumänien abgeschaut sein könnte: Das verschmuste Zusammenspiel des autoritär regierten Staats mit der Orthodoxie, der Gleichklang der Hetze, die Harmonie des Hasses gegenüber demselben „Feind”. Die Verdoppelung der Propaganda durch die Kirche. „Feind” ist alles, was nicht russisch ist – wobei bezüglich China noch Überlegungen angestellt werden...
All diese Offensichtlichkeiten der faschistischen Grundausrichtung und -haltung des Putin´schen Regimes müssen erst mal in die Gehirne der entscheidenden Politiker (der „Richtungsweiser”) der restlichen Welt vordringen und eingeordnet werden. Gäbe es einen Konsens über die grundsätzlich faschistische Haltung und die Handlungen von Putins Russland, über den Neofaschismus moskowitischen Typs, wäre die moralische Grundhaltung der restlichen Welt zu Russland klar: Man kommt um eine Verurteilung nicht herum. Eine Folge der Nachkriegskultur, Resultat der Reflexionen über die Welt-Katastrophe(n) des 20. Jh. Eine moralische Verurteilung des faschistischen Russland verpflichtet aber zur Hilfe für die Ukraine, das Frontland, das erste nichtrussische Land auf dem Weg zur Verwirklichung von Russki Mir. Das Land, das einen Stellvertreterkrieg führen muss.

Nach Davos und dem Gipfeltreffen der Staatsführer der EU ist allerdings bloß eines klar: Die meisten Staatsführer üben  sich vornehm in Staatsraison. Man hält sich im Urteilen bedeckt; man verzögert das Handeln.

Denn was, wenn Russland seine „Sonderoperation Ukraine” siegreich beendet? Ein Tor zu Russland muss offen gehalten werden.

Für „uns” ist Gutgehen ein Muss.