Über Geister und alte Bergbaustollen

Tourguide Cristi Botar
Fotos: privat

Während einer Tour in den Bergen von Roșia Montană

Mit Wanderschuhen durch die Berge, das Dorf besichtigen, Geschichten erzählen: Das ist das Konzept von Cristi Botar. Neben der Schule fing der damals 16-Jährige an, Touristen durch Roșia Montană zu führen. Wie das Leben als Tourguide ihn verändert hat. 

Cristi, wie kamst du darauf, eine Tour in Roșia Montană anzubieten? 

Früher gab es hier nur einen Tourguide im Museum. Aber niemand zeigte den Menschen das Dorf, die Seen oder die Berge vor Ort. Die Touristen kamen nach Roșia, schauten sich verfallene Gebäude im alten Zentrum an und gingen wieder. Weil es niemanden gab, der ihnen die Geschichte des Dorfs erklären konnte. Ich wollte das ändern. Als vor etwa zwei Jahren Tică Darie, ein Freund und Leiter meiner Pfadfindergruppe mich fragte, ob ich ein Tourguide werden möchte, habe ich „ja“ gesagt. Wir planten alles im Detail. Nun biete ich neben der Schule ein- oder dreistündige Touren im Dorf und der Umgebung an. 

Wie hat alles begonnen? 

Mein Freund hatte schon eine Facebook-Seite, also bewarben wir die Tour dort. Ich habe ein Foto des Dorfes gemacht, es auf der Seite gepostet, Poster gebastelt und meine Telefonnummer dazugeschrieben. Danach habe ich angefangen mehr über die Geschichte von Roșia zu lesen – zum Beispiel in Büchern über den Bergbau. „Du musst dich vorbereiten“, hatte der Leiter meiner Pfadfindergruppe zu mir gesagt: „Wenn jemand dich anruft, brauchst du Geschichten, die du erzählen kannst.“ 

Geschichten?

Ja, über alte Gebäude zum Beispiel. Oder Vâlva Băii.

Vâlva Băii?

Weißt du, wir haben in Roșia einen Geist. Er kann sich in alles verwandeln, egal, ob in ein hölzernes Rad oder in einen Menschen. Wenn du eine gute Person bist, verwandelt er sich in etwas Gutes. Er bringt dich zu einem Ort voller Gold. 

Hier im Dorf arbeitete ein Mann namens Mihailă Gritta. Es war eine harte Zeit, er suchte verzweifelt nach Gold, um seine Arbeiter zu bezahlen. Doch dann traf er einen anderen Menschen, der in der Miene arbeitete. Dieser Mensch fragte ihn: „Wie geht es dir? Wie läuft es mit der Familie?“ Gritta klagte ihm sein Leid: „ich habe schon seit zwei Monaten kein Gold mehr gefunden.“ Und daraufhin sagte der andere: „Dann komm mit mir. Ich zeige dir eine Stelle.“ 

War das der Geist?

Genau. Er zeigte Gritta einen Raum voller Gold. Eine der Bedingungen des Geistes war, dass Gritta etwas Sinnvolles damit tun sollte. Und so baute der Bergarbeiter sieben Kirchen und sieben Schulen. Die orthodoxe Kirche hier in Roșia ist etwa von ihm errichtet.   

Denkst du, man muss gute Geschichten erzählen, um ein guter Tourguide zu sein? 

Wenn du im Museum arbeitest, eher nicht. Normalerweise sind es einstündige Touren und du weißt was du zu sagen hast. Du erzählst vielleicht etwas über ein altes Schwert, woraus es gemacht ist und so weiter. Aber wenn du hier in der Umgebung rumläufst, musst du ein guter Erzähler sein. Die Tour kann vier Stunden dauern und du musst die Leute neugierig machen – ihnen Geschichten und Legenden vom Dorf erzählen. Zum Beispiel erzähle ich den Menschen am Ende einer Tour die Geschichte des Geistes. Aber ich erzähle sie nie zu Ende, um sie neugierig zu machen und damit sie Roșia wieder besuchen.  

Hast du das gleich von Anfang an so draufgehabt? 

Am Anfang war ich noch sehr schüchtern. Ich habe weniger mit den Besuchern geredet. Dann gab es den einen oder anderen Moment der Stille. Aber nun quatschen wir über alles Mögliche. Ich mag vor allem die Touren, bei denen wir am Ende zu Freunden werden. 

Wie das?

Im Herbst machte ich zum Beispiel eine Tour mit fünf Leuten aus Klausenburg. Sie haben mich vieles gefragt: Ob ich aus Roșia Montană komme, ob ich studieren möchte und ob ich ihnen ein paar Tipps für die Umgebung geben könnte. Die eine Person hat mir zwei Wochen später geschrieben, dass sie sich sehr bei mir bedanken möchte. Ich solle Bescheid sagen, wenn ich mal nach Klausenburg käme oder wenn ich noch Fragen zum Studium dort hätte. Das hat mich ziemlich gefreut.   

Gab es denn viele solcher Touren? Vermutlich kamen ja seit Ausbruch der Pandemie wenig Besucher? 

Nein, das waren zwei super Jahre. Es kamen zwar weniger Touristen von außerhalb, aber dafür umso mehr Rumänen. Sie flogen sonst nach Italien, Bulgarien oder Spanien, nun erkundeten sie aber ihr eigenes Land. Letzten Sommer hatte ich 66 Touren innerhalb von drei Monaten. Fast jeden Tag hat mein Telefon geklingelt. Nun bieten auch zwei meiner Freunde die Touren an.  

Ist es denn schwierig, mit den Touristen englisch zu sprechen? 

Manchmal ist es schwierig, bestimmte Wörter zu finden. Manche kann man auch gar nicht so leicht übersetzen – zum Beispiel „Holoang²r“. Das beschreibt die Menschen, die in die Mienen gehen, um dort illegal Gold abzubauen.

Besonders schwer fällt es mir bei Gruppen, die aus Rumänen und Leuten aus anderen Ländern bestehen. Mein Englisch ist nicht sehr gut und für mich ist es ein komisches Gefühl englisch vor Rumänen zu sprechen. Ich kann es nicht richtig erklären, ich bin es einfach nicht gewohnt. 

Haben dich Leute schon mal wegen deines Alters bewertet? 

Nein, im Gegenteil: Die meisten sind sogar begeistert davon – dass ich etwa so jung schon solche Geschichten erzählen kann.  

Was sind denn Schwierigkeiten auf den Touren?

Die größte Herausforderung ist, sich an die Menschen anzupassen. Das habe ich mit der Zeit gelernt. Ich laufe zum Beispiel recht schnell. Wenn aber etwa eine ältere Person in der Gruppe ist, möchte ich darauf eingehen. Ich warte oder versuche langsamer zu laufen. Auch für Familien mit kleinen Kindern ist es schwierig mal zehn Kilometer in einer Tour zu laufen. Dann passe ich mich daran an. Es gibt auch viele Leute, die mitten in der dreistündigen Tour sagen: „Ah, wir dachten, wir laufen nur im Dorf rum. Nicht in den Bergen.“ 

Und das ist anstrengend?

Ja, dann versuche ich Abkürzungen zu finden, um es einfacher zu machen. Einige sind aber auch wenig vorbereitet. Sie denken, sie könnten mit Sneakers in die Berge gehen.

Sind denn die Touren in den Bergen besonders herausfordernd?

Die Touren sind mit der richtigen Ausrüstung wunderbar. Ich versuche nur mit Touristen besonders gefährliche Gegenden mit vielen alten Stollen zu meiden.

Hattest du denn jemals in den zwei Jahren überlegt aufzuhören?

Nein. Natürlich ist es mal hart an einem Tag zehn Kilometer oder mehr zu laufen. Aber Aufhören war nie eine Option. Ich mag es, die Leute am Ende der Tour lächeln zu sehen. Ich habe hier ein wunderschönes Dorf und die Möglichkeit, es anderen zu zeigen. Ich möchte die Touren auch später beruflich machen. 

Wie das? 

Ich möchte studieren, Web Design vermutlich. So kann ich von zu Hause arbeiten, in Roșia leben und gleichzeitig Touristen das Dorf zeigen. Es ist dann quasi die Arbeit neben der Arbeit. Aber etwas, das mir wirklich Spaß macht.  


Um sich von Cristi Botar durch Roșia Montană führen zu lassen, kann man ihn auf Facebook kontaktieren: facebook.com/cristi.botar.18. Informationen auf Englisch und Rumänisch, auch zu anderen Aktivitäten in der Region, finden sich auf  der Homepage rosiamontanaoutdoors.com/en/about-us