Unser Lebensweg

Wort zum Sonntag

Ein Mann hatte sich in einem tiefen Wald verirrt. Wie sollte er wieder herausfinden? Er versuchte es in allen vier Windrichtungen, doch er verirrte sich noch tiefer im Dickicht. Auch ein zweiter Mann wollte den Wald durchqueren und verirrte sich ebenfalls darin. Da traf er den ersten Verirrten und fragte hoffnungsvoll: „Kennen Sie den Weg, der aus diesem Wald wieder hinausführt?“ „Leider kenne ich ihn nicht“, erwiderte der erste Verirrte, „aber ich kann Ihnen alle Wege zeigen, die nicht hinaus, sondern noch tiefer in den Wald führen. Suchen wir nun gemeinsam den richtigen Weg, der uns aus dem Wald herausführt!“

Gleichen wir nicht alle diesen beiden im Walde Verirrten? Die große weite Welt gleicht einem geistigen Urwald. Wir Menschen suchen den richtigen Weg, der aus diesem Tohuwabohu herausführt. Diesen Weg haben schon viele Menschen vor uns gesucht. Wir brauchen nur das Buch der „Geschichte der Philosophie“ aufschlagen. Alle dort verzeichneten Denker haben den Weg gesucht, der aus dem dunklen Wald der Irrtümer in das sonnenbestrahlte Freiland der Wahrheit führt. Sie haben es, wie der erste verirrte Mann, in allen geistigen Richtungen versucht, aber den richtigen Weg zur Wahrheit nicht gefunden. Das beweisen uns doch die vielen philosophischen Systeme: Materialismus, Idealismus, Stoizismus, Hedonismus, Positivismus, Subjektivismus, Existenzialismus und viele andere -ismen. Aber auch der zweite verirrte Mann im Wald, der politische Ideologe, findet nicht den Weg, der aus dem Wald der Irrtümer hinausführt. Das beweisen doch die vielen politischen Parteien mit ihren Ideologien und Programmen. Bisher ist es noch keiner politischen Richtung gelungen, uns aus dem dunklen Wald der Armut, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Wirtschaftskatastrophen und Kriege in das verheißene materielle Paradies zu führen. So stecken wir als Verirrte noch immer tief im Urwald unserer unerfüllten Wünsche und Hoffnungen.

Trotz all der vielen Irrwege muss es doch einen Weg geben, der uns aus diesem Urwald der Irrtümer und Illusionen herausführt. Diesen Weg kann nur ein Erfahrener und Sehender finden. Wir aber sind weder erfahren noch sehend. Deshalb haben wir einen Wegführer nötig, der die nötige Erfahrung und Sehenskraft besitzt. Es ist wie mit einem großen Passagierschiff vor der Einfahrt in die Flussmündung, das auf einen Lotsen wartet. Da kommt ein junger Lotse, der gerade sein Examen bestanden hat. Besorgt fragt ihn der Schiffskapitän: „Kennen Sie alle Klippen, Gefahren, Sandbänke und flachen Stellen im Fluss?“ Der junge Lotse antwortet: „Nein, ich kenne nicht alle gefährlichen Stellen des Flusses, aber ich kenne die Fahrrinne ganz genau, durch die hindurch ich Ihr Schiff sicher in den Hafen führen kann!“ Uns bietet sich Jesus Christus als Wegführer an. Er gab uns seine Versicherung, wie es noch kein Philosoph, mag er einen noch so gescheiten und hellen Kopf haben, und kein Parteiideologe, mag er sein Programm für das einzig richtige halten, gewagt hat, von sich zu behaupten: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ Christus hat sich nicht wie wir Suchende im Wald der Irrtümer verirrt und musste auch nicht das bittere Experiment machen wie viele andere Volksbeglücker: „Durch Schaden wird man klug!“ Er, als der von allem Anfang Sehende, ist ebenfalls durch den dunklen Wald des Erdenlebens gegangen. Auch in den dunkelsten Stunden hat er sich nicht verirrt, wie es leider bei uns geschieht. Vertrauen wir uns Ihm als Wegführer an. Er führt uns sicher durch den Wald der Irrtümer.

Ein Fremder fragte einen Bauern nach einem bestimmten Gehöft: „Ist dieser der richtige Weg zum Meierhof?“ „Es ist der einzige Weg, der zu Ihrem Ziel führt“, erwiderte der Bauer. An dieses Ereignis anknüpfend, schreibt Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), der für seine christliche Überzeugung am 9. April 1945 auf Befehl Hitlers hingerichtet wurde: „Ob auch Tausende von Religionen, Ansichten, Meinungen und Weltanschauungen in der Welt sind, ob es auch die schönsten Weltanschauungen in der Welt sind, und ob sie den Menschen das Herz bewegen und rühren, sie scheitern alle am Tod. Sie müssen alle zerbrechen, weil sie nicht wahr sind. Ob es hier auch scheint, es gäbe viele Wege, gilt doch nur ein Weg für alle Menschen auf dem Erdboden: Jesus Christus!“

Wie mühevoll unser Lebensweg auch sein wird, den Christus uns führt, er endet nicht im Tode, wie alle anderen Wege. Unser Lebensweg führt uns in das ewige Vaterhaus Gottes!