Von Korruption und Cyanid verseuchte Seen

DNA hat die Ermittlungen im „Goldfall“ Certej zum wiederholten Mal eingestellt

Über vier Jahre hat die Nationale Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA die Ermittlungen im Fall der (unter anderen) illegalen Aneignung von Wäldern, deren dubiosen Verkauf und des Falls des Amtsmissbrauchs des Bürgermeisters von Certej vor sich hergeschoben – bis das meiste davon (vor allem der Amtsmissbrauch des Bürgermeisters Petru Cîmpian) für „verjährt” erklärt werden konnte. (Wie sich inzwischen herausgestellt hat, hat der zuständige Staatsanwalt die Strafverfolgungszeit nicht richtig nachgezählt: Die Verjährung erfolgt erst im August 2020.) 2018 hat die bürgerliche Aktionsplattform Declic Strafanzeige erstattet gegen das Rathaus von Certejul de Sus wegen missbräuchlicher Aneignung von 618,21 Hektar Wald. Es war nicht die erste.

Die „Aneignung“ geschah bereits 2010 in Form einer getürkten „Rückerstattung“ der von den Kommunisten beschlagnahmten Forstareale. Noch im selben Jahr wurde ein guter Teil davon an das Goldschürf- und Förderunternehmen Deva Gold verkauft. Etwa gleichzeitig sickerte in die Öffentlichkeit Rumäniens durch, dass Deva Gold auf dem Gelände des zum Teil unter Schutz stehenden Forstes zwei Klärteiche und -depots für dekantierten Schlamm aus mit Cyanid verseuchtem Wasser und Schlämmen einrichten wollte, denn Deva Gold beabsichtigt seit Längerem, Goldvorkommen im südlichen und südöstlichen Teil des Siebenbürgischen Erzgebirges zu fördern und das Erz zwecks Goldentzug mittels des hochgiftigen Cyanids zu behandeln.

„Cyanide sind Salze und andere Verbindungen der Blausäure (Cyanwasserstoff, HCN). In der organischen Chemie ist Cyanid eine veraltete, aber durchaus noch gebräuchliche Bezeichnung für Nitrile. Der Name Cyanid leitet sich vom griechischen „kyanos“, ‚blau‘, ab und rührt von der Gewinnung aus Eisenhexacyanidoferrat („Berliner Blau“) her, einem Pigment mit blauer Farbe.“ Das kann auf Wikipedia nachgelesen werden.
Als erste hat die Enthüllungsplattform Rise Project (unter dem Titel „Aurville”) nach gründlichen Recherchen die Öffentlichkeit über die Machenschaften des Bürgermeisters von Certej, seiner Clique und von Deva Gold in Kenntnis gesetzt (ADZ berichtete seinerzeit). Bürgermeister Cîmpian hatte den Forst erst ans Rathaus „rückerstattet”, beziehungsweise durch Fälschung den Standort mancher Wälder auf dem Papier zugunsten seines Schwagers, eines Ratsherrn des Kommunalrats, von Angestellten des Rathauses und auch von deren Verwandten „gewechselt”. Für alle schaute nach dem Verkauf der Waldparzellen an Deva Gold unverhoffter Reichtum heraus. Deva Gold aber hatte endlich jenes Grundstück im Besitz, das die Firma brauchte, um sich vom Bürgermeister die Anlage der Klärteiche mit Cyaniden genehmigen zu lassen – faktisch: um mit dem Goldbergbau und der Goldgewinnung im südlichen Westgebirge/Munții Apuseni zu beginnen.

Umweltschutzverbände und die Bürgerplattform Declic griffen danach mehrmals mittels Erstattung von Strafanzeigen bezüglich des Amtsmissbrauchs und der illegalen Aneignung von teils unter Schutz stehenden Wäldern durch Einschaltung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte ein. Ursprünglich verfügte DNA die Eröffnung der Strafverfolgung gegen den Bürgermeister und die Clique, die sich mit ihm einvernehmlich bereichert hatte.

Die Strafverfolgung wurde dreimal in Folge eingestellt. Zweimal griff die Instanz nach der Revisionsforderung der Ankläger ein und verfügte die Wiedereröffnung der Strafverfolgung bzw. deren Fortsetzung. Die dritte Klage gegen die Ablegung der Strafakte ist gegenwärtig noch beim Gericht in Hunedoara anhängig. Declic, die Bürgerrechtsplattform, die diese Strafanzeige eingereicht hat, ist der Meinung, dass der zuständige DNA-Staatsanwalt, der die Strafakte als „verjährt” geschlossen hatte, sich einfach im Berechnen der Dauer der Strafverfolgung um sechs Monate geirrt hat. Doch genau diese sechs Monate sind es, die aus dem Bürgermeister von Certej einen freien und unschuldigen Mann machen, stellt Declic fest. Und auch Deva Gold hat nach der Fehlkalkulation des Staatsanwalts keine rechtlichen Folgen mehr zu befürchten.

„Das ist aber noch nicht alles”, schreibt Declic seinen Mitgliedern und Sympathisanten und weist auf Unterlassungen des Staatsanwalts hin, die möglicherweise relevant, ja entscheidend sein könnten. „Die DNA hat die Strafverfolgung eingestellt, ohne dass der zuständige Staatsanwalt beispielsweise der Fälschung nachgegangen wäre, aufgrund welcher das Rathaus in den Besitz des Forstes gelangte. Die Fälschung ist von öffentlichen Beamten des Rathauses Certej begangen worden. Wohlweislich ignoriert hat der zuständige Staatsanwalt auch die Reklamationen und Petitionen, die an den Ausschuss für die Untersuchung von Amtsmissbrauch, zur Bekämpfung der Korruption und für Entgegennahme und Lösung von Petitionen des Parlaments Rumäniens gerichtet waren. Und `übersehen` hat die Staatsanwaltschaft auch die Note des Kontrollcorps des Innenministeriums zu dieser Causa.“

Betreffs der „Unregelmäßigkeiten beim Verkauf und der Verpachtung“ der Forstparzellen an Deva Gold habe sich die DNA-Staatsanwaltschaft „beeilt”, ihre fehlende Kompetenz in dieser Sache zu deklarieren. Sie habe die Causa einfach der Staatsanwaltschaft des Kreisgerichts Hunedoara zugeschoben. „Also genau in den Rachen der Goldkompanie...”. Die Begründung der DNA-Staatsanwaltschaft: der Schaden liege unter 200.000 Euro. Ihr Kompetenzbereich beginne bei allem, was darüber liegt... Nur: Auch in diesem Fall liegt der zuständige Staatsanwalt von DNA weit daneben: Laut der Steuerbehörde ANAF liegt der Schaden bei genau 5.099.400,00 Lei, also einen guten Batzen über einer Million Euro...

Declic fordert alle engagierten Bürger Rumäniens auf, an den DNA-Oberstaatsanwalt Crin-Nicu Bologa zu schreiben und auf diese Unterlassungen der DNA-Staatsanwaltschaft hinzuweisen, die einen umfangreichen und vielschichtigen Korruptionsfall ins Nichts verschwinden lassen könnten: „Wenn wir uns nicht schleunigst mobilisieren, gewinnt in Certej die Korruption! Und leider hat diesmal die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA eine entscheidende Rolle dabei gespielt. Deshalb müssen Tausende geradlinige Bürger jetzt an den DNA-Oberstaatsanwalt schreiben und auf den Fall aufmerksam machen. Bis August 2020 hat die DNA-Staatsanwaltschaft Zeit, Bürgermeister Cîmpian mitzuteilen, dass er in dieser Causa ein Verdächtigter ist. Andernfalls kommt der Bürgermeister, mit Komplizenschaft der DNA, ungeschoren davon. Und die Goldgrube Certej sowie die Goldgewinnung mittels hochgiftigem Cyanid kommen voran. Unser Problem ist also sowohl ein moralisch-ethisches, gleichzeitig aber auch ein akut ökologisches. Dabei müsste der DNA-Oberstaatsanwalt bloß verfügen, dass einfach die Gesetze respektiert werden...“