Wachet und betet!

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Wacht! Lebt aufmerksam! Verschlaft nicht! So wurden die ersten Christen, die noch zu ihren Lebzeiten die Wiederkunft Jesu Christi erwarteten, ermahnt. Auch uns gilt dieser Zuruf.

Doch sind wir nicht eher froh, wenn der Schlaf über uns kommt, um dunkle Gedanken und Einsamkeit zu vertreiben? Sicher hat jeder und jede von uns schon ein paar Nächte durchwacht, aus welchen Gründen auch immer. Solche Nächte können einem ewig lang erscheinen. Wir kennen auch die Nächte, in denen unsere Sorgen mehr Kraft haben als der Schlaf. Schlaflos sitzen wir dann da und warten auf die Dämmerung, die uns den nächsten Tag ankündigt und hoffentlich auch die Lösung mit sich bringt. Noch schwerer ist es für einen Kranken. Er erleidet lange Stunden in Einsamkeit. Wir denken auch an die, welche viele Stunden am Sarg eines lieben Menschen verbringen und die auch danach viele schlaflose Nächte ertragen müssen. Vieles kann uns schlaflos machen: Albträume, unerhoffte Nachrichten, Angst... Dann ist kein Wunsch größer als der nach einer Veränderung: Hoffnung, Trost, Milderung der Schmerzen...

Am Ende eines Kirchenjahres denken wir über unser Leben im Blick auf die Ewigkeit Gottes nach, zugleich wollen wir derer gedenken, die verstorben sind. Ewiges Leben und Tod stehen ganz nah beieinander. „Wachet, denn ihr wisst weder Tag noch Stunde!“, heißt es im Markusevangelium. Es ist gerade die Erfahrung, die wir auch mit dem Tod machen. Er trifft ein, ohne dass wir Tag oder Stunde kennen. So unmittelbar nebeneinander stehen Leben und Tod! Sie sind so verschieden, wie die Farben, die sie symbolisieren und wie Freude und Leid. Wir befinden uns nicht nur am Ende eines Kirchenjahres, sondern im Übergang zu einem neuen Kirchenjahr und es wird erwartet, dass wir offen sein sollen für den Advent, für die Ankunft des Herrn.

Gerade an solchen Tagen werden wir mit der Frage nach dem Ende konfrontiert. Wann wird es mit der Wiederkunft Christi soweit sein? Was wird noch alles geschehen bis dahin?... Wir stehen mit diesen Fragen nicht alleine da. Gleich nach Ostern haben sich die Jünger Jesu darüber Gedanken gemacht und fest daran geglaubt, die Wiederkunft Christi noch zu Lebzeiten zu erleben. Doch es war noch nicht soweit. Deshalb stellt sich auch für uns die nächste Frage: „Wie verhalte ich mich in dieser Zeit des Wartens?“ Der Evangelist Markus schreibt es klar und deutlich: „Wachet!“ Das heißt nicht: „Seid schlaflos!“, sondern hier geht es um den verantwortlichen Umgang mit der Zeit, die uns verblieben ist. Hier und jetzt sollen wir verantwortungsvoll leben, als sei der heutige Tag der wichtigste und womöglich der letzte. Deshalb gilt es, die Aufgaben, die mir aufgetragen wurden, zu erfüllen, wie ein guter Knecht und eine gute Magd, seien diese Aufgaben mächtig oder bescheiden. Vielleicht ist es nur eine liebevolle Geste, ein Brief, ein Gebet, ein freundliches Wort am richtigen Ort! Stellvertretend kann also Gottes Liebe schon bezeugt werden und wir können wachsam leben, innerhalb der Grenzen, die uns gesetzt sind: zwischen der Geburt und dem Tod. Der Gegensatz von nichts tun, ist: zu viel tun. Eine Gefahr, die hier besteht, ist, sich in vielen Aktivitäten so zu verstricken, dass man vor lauter Arbeit abstumpft und an das, was kommen wird, gar nicht mehr denken kann. Wachet! Wie schwierig das aber sein kann, wissen wir.
Vielleicht ist es ein kleiner Trost zu sehen, dass schon die Jünger damit nicht zurechtkamen. Sie scheitern an der Bitte Jesu. Jesus fragt Petrus: „Konntest du nicht eine Stunde wachen?“ „Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt!“ sagt er weiter. Wir singen gerne das Lied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Es gilt uns allen: wachet und betet!

Schließlich: Es ist ein Wach-Sein im Vertrauen, dass Gott mitgeht, dass Er die Welt in Seiner Hand hält, auch wenn wir dieses nicht immer erkennen und uns fürchten. Die Angst hält uns wach, wir fürchten uns oft vor der Zukunft. Man fühlt sich gefesselt und gelähmt. Das Vertrauen auf Gott und Sein waches Auge befreit uns jedoch zu einer Zukunft, in der wir erkennen, dass wir geliebt und gebraucht werden. Eine Zukunft, in der wir handeln, ohne uns davon gefangen nehmen zu lassen. 
So wird von uns ein aktives Warten verlangt, wie wenn eine Mutter ihre Kinder erwartet. Sie ist dabei nicht untätig, auch dann nicht, wenn die Ankunft der Kinder sie überrascht. Wir bekommen zwar keine genaue Antwort auf die Frage: Wann wird Jesus wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten? Aber wir bekommen eine Anleitung zum richtigen Verhalten. Damit wir – wenn es einmal so weit ist – Eingang finden in die Ewigkeit Gottes.