Wenn die Welt dein Zuhause ist

Urlaub im Campingbus bietet Freiheitsgefühl zum Sonderpreis

Ein kleiner Camper reichte dem jungen Paar völlig aus. Fotos: Roland Huhn

Idyllische Berglandschaft in Rumänien – das Wildcampen ist hier möglich, solange man unauffällig parkt und nicht all seine Campingsachen herausholt.

So romantisch kann eine Übernachtung bei Moesch/Moieciu aussehen.

Die Coronavirus-Pandemie hat unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Uneingeschränkt Reisen ist seit Monaten nicht mehr möglich, sodass die Menschen regelrecht danach schmachten, wieder mobil zu werden. Es ist der Drang nach Freiheit, nach Unabhängigkeit und wahrscheinlich auch ein Streben nach der Welt mit unendlichen Möglichkeiten – und zwar so, wie sie einmal war. Der Lockdown hat den Tourismus in den meisten Ländern der Welt hart getroffen, deswegen hat sich die Art und Weise, wie das Reisen heutzutage stattfindet, im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit um einiges verändert. Vor allem junge Familien wollen verstärkt individuell reisen und ihre Ausfahrten selbst organisieren.

Fakt ist: Die soziale Abgrenzung ist auch auf Reisen eine der gefragtesten Tugenden heutzutage. Es stimmt aber auch: Reisen ist selbst in diesen komplizierten Zeiten möglich – mit dem Campingbus, zum Beispiel. Wenn das Urlaubsland auch noch das sogenannte „Freistehen“ des Fahrzeugs erlaubt, ist das Freiheitsgefühl mit Sicherheit in der Reise inbegriffen. Und zwar zum Sonderpreis.  

Für Adelina Semian und Roland Huhn aus der Arader Stadt Ineu war der Sommer 2020 eine gute Gelegenheit, diese neue Art des Reisens auszuprobieren. Mit einem geliehenen Wohnmobil begaben sich die beiden auf Erkundungsreise durch Siebenbürgen – es gefiel ihnen so sehr, dass sie sich mittlerweile ernsthaft überlegen, sich ihren eigenen Campingbus anzuschaffen.

Roland arbeitet als IT-Fachmann in Temeswar/Timișoara, Adelina ist als „Business Analyst“ bei einem multinationalen Unternehmen, ebenfalls in der Stadt an der Bega, tätig. Beide stecken seit Monaten wegen Heimarbeit in ihren eigenen vier Wänden fest. Im Juni 2020 fühlten sie sich definitiv urlaubsreif. Bereits vor dem weltweiten Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hatte Roland mit dem Gedanken gespielt, sich selbst einen Campingbus einzurichten - dazu gibt es jede Menge hilfreiche Anleitungen im Internet. Doch sich in etwas stürzen, was er selbst noch nicht erlebt hatte – gemeint ist das Reisen mit einem derartigen Fahrzeug –, das wollte er nicht unbedingt. Er wünschte sich erstmal, mit eigener Haut zu erleben, ob er es eine oder zwei Wochen in einer nur wenige Quadratmeter großen Wohnung auf Rädern aushalten könne.

So kam es dazu, dass Adelina und Roland im Sommer letzten Jahres, mitten in der Corona-Krise, ihre erste Rundreise in Rumänien mit dem Wohnmobil unternahmen, geliehen von der Firma GoCamper, die in Westrumänien in der Nähe von Chișineu Criș eine Niederlassung besitzt. Für sechs Nächte zahlten sie rund 570 Euro – als weitere Kosten rechneten sie jene für Treibstoff und Proviant hinzu. „Wir haben schnell beschlossen, nicht auf traditionellen Campingplätzen zu übernachten, wo auch andere Camper sind, sondern einfach nach schönen Orten zu suchen, wo wir über Nacht bleiben können. Wir wollten niemanden mit unserer Anwesenheit belästigen, und – falls wir in einem Dorf übernachten mussten, fragten wir die Anwohner, ob es denn für sie in Ordnung wäre, wenn wir dort blieben“, erzählt Roland. „Mit einem großen Wohnmobil ist man nicht so frei, nicht so ´undercover´ wie mit einem kleinen Campingbus. Gerade deswegen haben wir uns für diesen Campingbus entschieden“, fügt er hinzu.

Roland, der eher der organisierte Typ ist, tätigte vor der Reise eine umfangreiche Recherche mit Google Maps und Google Street View, um gute Plätze zum Campen zu finden. Es gab einige Kriterien, die Roland und Adelina dabei in Erwägung zogen: der Ort sollte schön sein, womöglich ungefährlich, dennoch mit wenig Verkehr, und das Gelände sollte eben sein – damit sie auch bequem schlafen können. „Wir waren aber trotzdem offen für Orte, die wir einfach unterwegs finden sollten – und wir haben sie gefunden“, erzählt Adelina. Für die erste Erfahrung suchten die beiden noch Plätze, die nicht so weit von der Zivilisation entfernt lagen. Unterwegs zum Stausee Cinciș (den sie schließlich nicht mehr erreichten, der aber bei nächster Gelegenheit auf dem Reiseplan steht) machten die beiden zuerst Halt bei Luncoiu de Sus, unweit von Brad, dem Geburtsort von Adelinas Großvater. Sie übernachteten einige Kilometer davon entfernt, mit dem gesamten Dorf in Sichtweite. „Es war eine wunderschöne Erfahrung“, schwärmt Adelina einige Monate später immer noch.

Weiter ging es Richtung Hermannstadt/Sibiu, wo die beiden kurz anhielten, und weiter stand die Gegend um Moesch/ Moieciu auf dem Reiseplan. „Ich finde, es ist einer der schönsten Orte in Rumänien“, überlegt Roland. An einem idyllischen Ort verbrachten die beiden sogar zwei Nächte. In der ersten Nacht hielten Adelina und Roland vor einer kleinen Holzkirche in Obermoesch/ Moieciu de Sus, denn es regnete stark, es wurde langsam dunkel und die beiden wollten einen sicheren Abstellort finden. „Wir sind mit den Menschen, die dort lebten, in Kontakt gekommen – sehr freundliche Leute. Das war so die soziale Komponente unserer Reise“, erzählt Adelina. In der darauffolgenden Nacht kampierten die beiden irgendwo zwischen Ober- und Untermoesch. „In der Früh um 6 hörten wir Glocken läuten. Als ich die Vorhänge beiseite zog, sahen wir eine Schafherde. Draußen war es nebelig, die Schäfchen grasten um unser Auto herum … das war auch ein sehr schönes Erlebnis“, erzählt Adelina. „Auch wenn du im Inneren des Wohnmobils den gesamten Komfort von zu Hause hast, so bist du doch der Natur unglaublich nahe“, fügt Roland hinzu.

Das Leben im Camper bietet den gesamten Komfort einer kleinen Wohnung. Es gibt einen Herd, einen Kühlschrank, eine Dusche und eine Toilette. Die beiden scherzten, dass sie sogar mehr Komfort im Van hätten als zu Hause in Temeswar. „Na ja, in unserer Wohnung gibt´s keine Zentralheizung, im Camper hatten wir sie“, sagt Roland lächelnd.

Von dort ging es weiter in Richtung Predeal, wo die beiden ebenfalls eine Nacht verbrachten. „Dort waren wir ein bisschen gestresst, weil wir wussten, dass es viele Bären gibt. Wir haben tagsüber gegrillt, aber abends haben wir unsere Spielsachen schnell aufgeräumt und in den Camper getragen“, sagt Roland. Einen Tag nach ihrer Ankunft zu Hause sahen sie in den Nachrichten, dass mehrere Touristen bei Predeal-Bu{teni gerade einen Tag nach ihrer Abfahrt aus jener Gegend Bären gesichtet und fotografiert hatten. „Das war bestimmt mein Grill, der sie damals angezogen hat“, scherzt Roland. Adelina gibt ehrlich zu: Ihr hätte es schon gefallen, einen Bären in freier Wildbahn beobachten zu können. Die letzte Nacht im Camper wollten sie im Kurort Geoagiu-Băi verbringen, dort sah es aber eher wie in einer Geisterortschaft aus, berichten die beiden. Sie fuhren also weiter nach Diemrich/ Deva, wo sie sich die Gärten „Giardini di Zoe“ anschauten und unweit davon im Camper übernachteten.

Insgesamt an die 1000 Kilometer legten Adelina und Roland innerhalb ihrer Rundreise durch Siebenbürgen zurück. „Das Ziel ist aber nicht, viel herumzureisen oder ständig herumzureisen. Es ist auch schön, an Orten stehen zu bleiben und sie zu verinnerlichen“, empfiehlt Adelina. Die Reise im Campingbus verleiht tatsächlich ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit, erzählen die beiden. Man ist nicht an einen einzigen Ort gebunden, sondern kann sich frei bewegen, wann immer man das möchte. Das Caravaning lehrt dich aber auch Sachen, die du sonst nicht lernen würdest, etwa den sorgfältigeren Umgang mit den Ressourcen, die dir zur Verfügung stehen – wie mit dem Wasser, informiert Roland. Den Wassertank füllten die beiden an Tankstellen oder gegen Bezahlung auf organisierten Campingplätzen auf. In einem Stau feststehend, bereitete Adelina dem aufmerksamen Fahrer schnell etwas zu essen zu. „Das fand ich sehr lustig“, erzählt Roland, „auch so etwas ermöglicht ein Wohnmobil.“

Mit einem „Haus auf Rädern“ herumreisen – das würden Adelina und Roland jedermann empfehlen, der keine sehr hohen Ansprüche an den Urlaub hat, der die Natur liebt und sich nicht eingeengt oder an einen Ort gebunden fühlen möchte. „Wann der Tourismus wieder so sein wird, wie er einmal war, ist momentan noch ziemlich ungewiss. Deswegen werden wir diese Art des Reisens weiterhin praktizieren“, sagt Roland überzeugt. Irgendwann mal im selbst eingerichteten Camper, schwärmt der IT-Fachmann.

An Neujahr erinnerte das soziale Netzwerk „Facebook“ das junge Pärchen aus Ineu an eine Thailand-Reise, die sie vor zwei Jahren unternommen hatten. Es war wohl ein einmaliges Erlebnis, doch einmalige Abenteuer können auch um die Ecke liegen. Hauptsache, man reist mit offenen Augen durch die Gegend. Mit dem Campingbus ist dies allemal möglich.