„Electrecord“ ist wahrscheinlich die bedeutendste und älteste Plattenfirma der rumänischen Musikgeschichte. Das Unternehmen existiert auch noch heute, war jedoch lange insolvent. In der kommunistischen Zeit war sie gar die einzige, verstaatlichte Musikfirma des Landes. Gegründet wurde das Unternehmen vom jüdischen Nathan Mischonzniki, der unter anderem deutsche Technik aufkaufte, um die rumänische Musikindustrie zum Laufen zu bringen. Doch wer war dieser Mann und inwiefern ist die Geschichte von „Electrecord“ mit Deutschland verbunden?
„Unsere Geschichte beginnt 1932, als der jüdische Kaufmann Nathan Mischonzniki mehrere Produktionsanlagen aus Deutschland erwarb und nach Rumänien brachte“, berichtet die Plattenfirma selbst auf ihrer Website. Doch wer war Mischonzniki? Wirklich viele Informationen sind über den Kaufmann nicht zu finden.
Klar ist, dass er „ein leidenschaftlicher Musikliebhaber war“, so berichtet das Magazin „Muzică Vinil“. „Er besaß seit 1900 ein Unternehmen in Deutschland, über das er Musikinstrumente und Noten verkaufte“, berichten sie weiter. Also hatte er einen Bezug ins Deutsche Kaiserreich. Doch ob er dort auch lebte oder gar von dort herstammt, geben die Quellen nicht an. Einige bezeichnen ihn als „Deutschen“, ohne jedoch weiter über seine Geschichte, oder Hintergrund zu berichten.
Ob er nun wirklich „Deutscher“ war, oder nicht, ist für die Geschichte zweitrangig. Denn Mischonzniki beeinflusste vor allem die rumänische Geschichte.
Der musikliebende Geschäftsmann lebte also – ab wann genau, oder ob er es schon immer tat ist unklar – in der Hauptstadt Bukarest. Dort war er nicht allein. Er lebte zusammen mit seiner Frau Emilia, wie das Geschichtsmagazin „Dosare secrete“ berichtet. „Sie betrieben mehrere Geschäfte in der Hauptstadt, waren Gründer des Hauptsitzes der Jungenschule ‘Malbim’ der jüdischen Gemeinde Bukarest und besaßen ein großes Musikinstrumentengeschäft im Stadtteil Col]ea”, so das Geschichtsmagazin weiter. 1929 gründeten sie laut der Seite außerdem eine Aktiengesellschaft, deren Geschäftszweck die „Kommerzialisierung und Industrialisierung aller mit Musik und Kunst im Allgemeinen verbundenen Tätigkeiten“ war.
Dann hatte Mischonzniki eine weitere Geschäftsidee. Er kaufte gebrauchte Ausrüstung der Plattenfirma Kristall in Deutschland und brachte sie nach Bukarest. Es dauerte daraufhin ein Jahr, die Ausrüstung wieder zusammenzubauen. Mischonzniki errichtete dadurch die erste Schallplattenfabrik östlich von Wien und veröffentlichte 1934 die erste in Rumänien gepresste Schallplatte – „Luță Ioviță“ des Banater Orchesters, so berichtet das Magazin „Vice“.
Am Anfang hatte die Firma jedoch noch nicht den heute bekannten Namen. Er änderte sich von „Perfection“ zu „Homocord“. „In der Zwischenkriegszeit wurde sie daraufhin allgemein als Cristal bekannt. Ein Name, der von der deutschen Plattenfirma Kristall übernommen wurde, mit dem sie in Berlin und Wien zusammenarbeitete“, berichtet „Muzică Vinil“ außerdem.
In der Zeit besaß das Unternehmen jedoch kein eigenes Tonstudio und beschränkte sich darauf, im Ausland produzierte Schallplatten zu vervielfältigen – darunter auch einige in deutscher Sprache. „In dieser Zeit wurden sogar rumänische Aufnahmen im Ausland, bei der deutschen Firma Kristall, angefertigt“, berichtet die Plattenfirma auf ihrer Website.
1937 errichtete die Firma dann das erste Tonstudio des Landes, und Maria Tănase und Gică Petrescu mussten nicht mehr nach Wien oder Berlin pendeln, um ihre Schallplattenpressen zu lassen. Nur fünf Jahre nach der Produktion der ersten Schallplatten hatte das Unternehmen bereits eine Auflage von über 70.000 Platten pro Jahr, so „Vice“ weiter.
Und ein Jahr später, 1938, wurde offiziell der Name „Electrecord“ angenommen, der bis heute unverändert geblieben ist.
Doch dieses Datum erlebte der Gründer nicht mehr mit. Er starb bereits im Alter von 76 Jahren im April 1935, noch vor dem eigenen Tonstudio und der Namensänderung. Ab diesem Zeitpunkt übernahm sein Sohn, Otto, das Unternehmen. Doch auch er starb ein paar Jahre später, 1939, in Venedig mit 46 Jahren, so „Dosare secrete“.
Die Geschichte von „Electrecord“ fängt damit natürlich erst richtig an. In der kommunistischen Zeit war es die größte, verstaatlichte Plattenfirma Rumäniens, weil sie die einzig erlaubte war. Dadurch bekam sie auch neue finanzielle Möglichkeiten: neue Studios, neue Aufnahmetechniken und eine große Plattenproduktion. Nach der Wende brach das alles in einem erstaunlichen Tempo zusammen. „Electrecord“ war nicht an kapitalistische Marktstrukturen gewöhnt, außerdem eroberte die CD die Musikwelt. Das Unternehmen verlor rapide an Boden.
Eine Zeit lang spezialisierte die Firma sich vor allem auf die Neuauflegung von früher erfolgreichen Werken, das reichte jedoch nicht aus. „Electrecord Bucure{ti (ELRD) war laut einem an die Bukarester Börse übermittelten Unternehmensbericht mit Beschluss des Bukarester Gerichtshofs vom 29. Januar 2018 insolvent“, so berichtet das Unternehmen auf seiner Website.
Das heißt jedoch nicht, dass die Firma nicht mehr existiert. „Das neue Team von Electrecord arbeitet derzeit an einem Sanierungsplan. Geplant sind die Wiederaufnahme der Produktion und Neuauflage von Schallplatten mit Musik bedeutender Künstler“, verspricht „Electrecord“. Auch das Wirtschaftsblatt „Economica.net“ berichtete am 19. November dieses Jahres, dass das Unternehmen nun tatsächlich, nach zahlreichen Jahren, das Insolvenzverfahren abgeschlossen hat. Startupcafe.ro berichtet außerdem am 23. November, dass George Cristescu, ein Bukarester Architekt, die Plattenfirma übernommen hat. Er übernahm 96,3 Prozent der Electrecord-Anteile, nachdem er die Schulden des Plattenlabels in Höhe von 2,4 Millionen Lei beglichen hatte. Der Mitarbeiterverband Electrecord SA PAS behielt laut Beschluss der Hauptversammlung 2,8 Prozent der Anteile. Das Musikunternehmen wird auch seinen Hauptsitz verlegen, da es das Gebäude am Corneliu-Coposu-Boulevard in Bukarest vor Gericht zugunsten der römisch-katholischen Erzdiözese verloren hat, so die Nachrichtenseite.





