„Wir waren mal besser als viele Clubs in Europa. Aber irgendwann ist etwas geschehen…“

Ein Gespräch mit dem ehemaligen Kapitän der rumänischen Basketballnationalmannschaft Andrei Mandache über Basketball und Sport in Rumänien

Andrei Mandache (3.v.l. mit Trikotnummer 4) in Aktion während des Stadtderbys gegen Rapid Bukarest.

Andrei Mandache ist 34 Jahre alt, Vater zweier Söhne und Teil eines sporthistorischen Trios. Nur ihm, Toni Kukoc und Stojko Vrankovic ist  in der 87-jährigen Geschichte der Basketballeuropameisterschaft ein Triple-Double gelungen, also in einem einzigen Spiel in drei (positiven) Einzelstatistiken, wie z.B. Punkte oder Vorlagen, zweistellige Zahlen  zu erzielen. Zudem war es nur Mandache vergönnt, dieses statistische Kunststück vor heimischem Publikum, genauer gesagt vor 10.000 begeisterten Zuschauern und Fans, zu vollführen. Und zwar vor fünf Jahren, während der „EuroBasket 2017“, die u.a. in Klausenburg ausgerichtet wurde. Damals präsentierte sich die rumänische Basketballnationalmannschaft in allen fünf Vorrundenspielen wettbewerbsfähig. Und dennoch konnte Rumänien kein Spiel für sich entscheiden, obwohl man gegen Ungarn, das nur mit einer Differenz von neun Punkten gewann, und gegen Montenegro die aussichtsreichsten Chancen auf einen Sieg besaß – aufgrund der großartigen Individualleistung von Mandache: 14 Punkte, 11 Vorlagen und 10 Rebounds, das besagte Triple-Double.

Vor wenigen Tagen kam die Saison 2021/22 der besten rumänischen Basketballliga (LBNM) mit dem Gewinn der Meisterschaftsrunde, auch Playoffs genannt, zu ihrem Ende. Die diesjährige Siegermannschaft ist gleichzeitig jene der letzten Saison und voraussichtlich auch die der nächsten: U-Banca Transilvania Klausenburg ist finanziell sowie sportlich dem Rest der Liga enteilt. Und in Zukunft darf sich die Mannschaft von Erfolgstrainer Mihai Silv²{an Hoffnungen machen, sich auch europaweit mit den Besten der Besten messen zu können. Die Mannschaft von CS Dinamo Bukarest hingegen, mit ihrem Kapitän Andrei Mandache, schied nach ansprechenden Leistungen und einem Heimsieg gegen CSM CSU Großwardein im Viertelfinale aus den Playoffs aus, nachdem sie sich Anfang Mai 2022 erstmals nach zweijähriger Playoff-Abstinenz wieder für die Runde der besten acht Mannschaften qualifiziert hatte.    

Am 06. Mai 2022, nach einem verdienten 79:62-Heimsieg gegen Großwardein, der den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich in der Best-of-3-Serie bedeutet hatte, traf ich Mandache, mittlerweile frisch geduscht, zum Interview. Eine knappe Viertelstunde nach Spielende saßen wir (er siegesentspannt, ich nervös ob meines ersten Interviews) auf der nun endgültig leergefegten Tribüne der „Sala Polivalent² Dinamo“, bereit für ein Gespräch, das zwanzig kurzweilige und spannende Minuten dauern sollte und in dem sich Mandache als besonnener Sportler und lebenszufriedener Familienmensch erwies.

Im Mittelpunkt unseres Gesprächs stand das Verhältnis der rumänischen Gesellschaft zum Basketball im Speziellen und Sport im Allgemeinen. Ich wollte von Mandache wissen, was der Basketball in Rumänien eigentlich bedeutet, was ihn ausmacht und worin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit Basketballnationen schlechthin wie Nachbarland Serbien oder Griechenland bestehen. Dafür analysierten wir die strukturellen Bedingungen des rumänischen Basketballs, sprachen über die (zukünftigen) Aufgaben und Pflichten des rumänischen Basketballverbands (FRB), die mangelnde Attraktivität der Liga und die damit einhergehenden fehlenden Sponsoren.

Außerdem sprachen wir über die leeren Ränge in Bukarester Basketballhallen, die euphorische Atmosphäre im gesamten Land während der „EuroBasket 2017“, Mandaches Höhepunkt seiner 27-Jahre (!) andauernden Karriere und seinen (vermeintlichen) Heldenstatus im rumänischen Basketball und bei seinem Club Dinamo Bukarest.

Glückwunsch zum wichtigen Sieg und Ausgleich der Serie! Ihr erfolgreicher Dreipunktwurf zum 68:50 bei acht Minuten Restspielzeit war der Genickbruch für Großwardein, oder?


Der auf der rechten Seite? Ja, so könnte man sagen. Aber bei allem Respekt vor unserem Gegner: Heute haben wir das Spiel kontrolliert, von Anfang bis Ende. Und ich glaube, wir haben allen gezeigt, dass sich die Arbeit, die wir in den letzten zwei, drei Monaten investiert haben, jetzt lohnt und auszahlt ...

Am letzten Spieltag der regulären Saison haben Sie mit Dinamo gegen SCMU Craiova gewonnen. BC CSU Hermannstadt, ihr direkter Konkurrent, verlor zeitgleich gegen die Mannschaft aus Ploiești. Damit sind Sie auf dem siebten Platz gelandet und so dem Titelverteidiger aus Klausenburg in der ersten Runde der Playoffs entkommen. Was macht U-Banca Transilvania Ihrer Meinung nach zur alles dominierenden Mannschaft der Liga?

Da muss man einen Blick auf die Geschichte des Clubs werfen. Der ist schon immer einer der besten des Landes. Dazu haben sie seit ein paar Jahren einen Top-Sponsor mit Banca Transilvania, der ihnen, meines Wissens, das größte Budget der Liga ermöglicht (Anm. d. Red.: Neben U-Banca Transilvania Klausenburg trägt nur eine weitere Erstligamannschaft mit SCM OHMA Temeswar ihren Hauptsponsor im Namen). Klausenburg hat so die Möglichkeit, gute Spieler zu holen, die bereits über Erfahrung im europäischen Basketball verfügen.
Und den Trainern ist es gelungen, über die letzten zwei Jahre eine sehr gute Teamchemie zu etablieren und zu entwickeln. In der Liga haben sie nur zweimal in dreißig Spielen verloren …

Neben den finanziellen und historischen Gründen für den Erfolg von Klausenburg könnte ein weiterer Vorteil sein, dass bei jedem Heimspiel bis zu 10.000 Fans in die Halle kommen, um ihr Team über vierzig Minuten anzufeuern.

Wie kommt es im Gegensatz dazu, dass bei Ihrem Spiel heute, dem mit Abstand wichtigsten Heimspiel der Saison, nur 80 Zuschauer waren? Immerhin sind wir in der Hauptstadt des Landes. Noch dazu war der Eintritt heute kostenlos.


Um ehrlich zu sein: Das ist traurig. Es ist traurig, was Sie gerade gesagt haben… Ich glaube, dass die Leute auf dieser Seite des Landes, im Osten, mehr an Fußball interessiert sind als die Menschen im Westen. Aber natürlich… das ist kein wirklicher Grund.

Ich hoffe wirklich, dass wir mit Dinamo, wenn wir Spiele gewinnen und auf dem höchsten Niveau performen, mehr Leute in die Halle locken. Und nicht unbedingt nur Fans von Dinamo, sondern Basketballfans im Allgemeinen. Die 10.000 Fans in Klausenburg bei der „EuroBasket 2017“ oder die 5000 Fans beim „All-Star Game 2022“ in Großwardein vor wenigen Wochen sind nicht alle Klausenburg- bzw. Großwardein-Fans, sondern Basketballfans, davon bin ich überzeugt. Und mich freut es, dass es ein echtes Interesse für unseren Sport gibt.

Es fing auf der einen Seite, im Westen, an und ich hoffe, dass das Interesse bald auf unserer Seite ankommt, damit wir auch in Bukarest so viele Basketballfans wie möglich in den Hallen sehen.

Dieser Prozess, den Sie beschreiben, ist eng mit der Frage verknüpft, die mich in unserem Gespräch mit am meisten interessiert: Was bedeutet der Basketball in Rumänien? Ist er den Menschen wichtig?

Oder anders ausgedrückt: Im Balkan, insbesondere in Serbien, aber auch in der Türkei und in Griechenland ist Basketball eine Quasi-Religion. Rumänien ist ja kulturell und historisch vergleichbar mit den genannten Nationen. Aber in meiner Wahrnehmung gibt es hier kaum Begeisterung für Basketball. Wenn überhaupt, wächst das Interesse für Basketball gerade, und zwar sehr langsam…

(seufzt) Dieser Prozess hätte schon vor zwanzig, dreißig Jahren beginnen sollen, aber das war nicht der Fall. Und ich habe keine Ahnung, warum nicht. Obwohl ich fast mein ganzes Leben lang durch meine Familie mit dem rumänischen Basketball zu tun hatte. Aber 2017 haben wir mit der Ausrichtung der Europameisterschaft versucht, etwas gegen die „Unpopularität“ des rumänischen Basketballs zu tun. Und es ist uns auch als Nationalmannschaft gelungen, eine bemerkenswerte Leistung zu erzielen; wir konnten in jedem Spiel mit dem Gegner mithalten, konnten uns mit den besten Spielern der Welt vergleichen. Ich hoffe, dass das etwas bedeutet hat und ich bin überzeugt, dass das eine Art Schlüsselmoment war.

Danach haben sich die Dinge ein wenig verändert. Nicht so sehr, wie wir es alle erwartet hatten, aber es war immerhin ein Anfang. Jetzt sollten wir uns bemühen, so viele fähige Menschen wie möglich zu finden, die sich für Basketball interessieren. Und das ist eine Frage des Marketings. Daran mangelt es uns noch gehörig, meiner Meinung nach. Ich meine, wir sind gut, wenn es um IT und Social Media geht, aber jetzt müssen wir lernen, wie wir das ganze Wissen in den Clubs umsetzen.

Und was muss neben besserem Marketing noch für den rumänischen Basketball getan werden? Vielleicht auch vom Basketballverband FRB?

Die Aufgabe des Verbands besteht hauptsächlich darin, Entwicklungsprogramme für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Wir brauchen so viele junge Spieler wie möglich, um in Zukunft gute Basketballer für die Nationalmannschaft zu haben. Das ist der Hauptgedanke des Verbands, denke ich. Aber natürlich kann sich der Verband auch mit der rumänischen Regierung oder dem Parlament zusammensetzen und die Politik überzeugen, dass es Gesetze braucht, die private Unternehmen ermutigen, in Basketballclubs zu investieren. Wie es in ganz Europa seit Jahrzehnten der Fall ist.

Uns fehlt diese finanzielle Struktur, die sowohl den Unternehmen als auch dem Sport zugutekommt. Das haben wir nicht. Sobald es diese Win-Win-Situation gibt, wird der rumänische Basketball einen unglaublichen Sprung nach vorne machen. Das wird uns überraschen, da bin ich mir sicher.

Jetzt haben Sie mir immer noch nicht meine eigentliche Ausgangsfrage beantwortet… zu-mindest nicht direkt. Erzählen Sie mal: Wie steht es um das allgemeine rumänische Interesse für den Basketball?

Ich glaube, es gibt eine Menge Leute in Rumänien, die sich für Basketball interessieren. Aber nicht wie in Serbien (lacht). Es gibt einen Riesenunterschied zwischen der serbischen und der rumänischen Mentalität, wenn’s um Sport geht...

Die Serben würden für Sport sterben oder morden, je nachdem. Die Rumänen sicher nicht (grinst). Und Basketball… ist vielleicht sogar am wichtigsten, aber ich sag‘s dir, wie’s ist, die würden für jeden Sport sterben.