Wissenschaftliches und magisches Denken

Das Buzău-Gebiet: die lokale Folklore und Geodiversität

Künstlerische Darstellung des Ungeheuers

„Riesen, Drachen und Lebenswasser. Geheimnisse und die unsichtbare Welt im Buzău-Gebiet.“ Eine Ausstellung im Bukarester Bauernklub (untergebracht im Gebäude des Bauernmuseums, Muzeul Ţăranului Român) setzte sich zum Ziel, die Gegend östlich des Karpatenbogens bekannter zu machen.

Die Ausstellung wurde sehr präzise konzipiert und behandelte den einzigartigen Reichtum an geologischen Schätzen in der Region. Den Besuchern wurde ein kompletter Überblick über die als seltsam eingestuften Phänomene in Buzău geboten, inklusive des dazugehörenden Aberglaubens. Auf den Schautafeln waren sowohl wirklichkeitsgetreue Fotografien als auch künstlerische Darstellungen zu sehen, neben den wissenschaftlichen Erklärungen gab es die Deutungen der einfachen aber fantasievollen Menschen zu lesen, die das Geheimnisvolle als Wirken übernatürlicher Wesen verstanden haben.

Oger, der menschenähnliche Unhold, Riesen, das lebendige Feuer, das Lebenswasser und das Wasser des Todes, Drachen, die Mauer der Riesen und die Kinder der Erde sind einige der Elemente und Figuren aus Sagen, welche die Rolle haben, die in den früheren Zeiten unerklärlichen Erscheinungen und Ereignisse der Natur darzustellen beziehungsweise zu erklären.

Geschichten und ihre Ursprünge

In sehr alten Zeiten, als die Oger in dieser Gegend gelebt haben sollen, züchteten diese die schönsten Rinder. Die Menschen erfuhren vom Reichtum der Gegend und kamen hierher. Die Oger wurden des Landes verwiesen und gezwungen, ihr Leben unter der Erde zu führen. Immer noch sind sie den Menschen feindlich gesinnt und versuchen ständig, sich für das Unrecht zu rächen: Sie graben Schlammlöcher, in denen sich Regenwasser sammelt.

Das Wasser ist oft klar, doch wenn ein Mensch oder ein Tier es zu trinken versucht, öffnet sich das Loch und das Opfer wird von der Erde verschluckt. Rettungsversuche sind nutzlos, da niemand weiß, wo sich die Oger verstecken.

In vier Ortschaften des Buzău-Gebiets befinden sich die Schlammvulkane: Beciu, Pâclele Mici, Pâclele Mari und Berca. In der letzten Ortschaft soll Arnăbaş, Sohn des Woiwoden Mihnea dem Dritten, einen Drachen verwundet haben. Dieser versteckte sich unter der Erde, an diesem Ort wächst keine Vegetation mehr, da das vergiftete Blut des Monsters immer noch die Berca-Gegend durchfließt. Der rissige Boden dort ist bleifarben.

In der Nähe von Berca gibt es kleine Schlammlöcher mit brodelnden Blasen. Die Legende sagt, der Boden sei die Haut des Drachens und aus den Schlammlöchern springe das schmutzige Blut des Ungeheuers. Auch heutzutage haben einige Einheimische Angst, an den Schlammlöchern vorbeizugehen, da das Ungeheuer jederzeit erscheinen könnte.

Dem aus den rumänischen Märchen bekannten „Lebenswasser” (apa vie) und dem „Wasser des Todes” (apa mor]ii) begegnet man in mehreren Orten in der Gegend von Buzău. Am bekanntesten sind die Quellen in dem Dorf Fişici. Die Einwohner der Region sagen, dass sowohl das „Lebenswasser” als auch das „Wasser des Todes” für die Bauern dort notwendig ist.

Diejenigen, die die Geheimnisse der Wässer kennen, sind gesegnet und werden ein hohes Alter erreichen. Die schwarzen Quellen liefern den Bauern den Rohstoff für das Schmieren ihrer Werkzeuge, das „tote” Wasser wird benutzt, um Gegenstände zu reparieren und sie zusammenzukleben. Das weiße Wasser („Lebenswasser”) ist mineralisiertes Wasser, das Sulfate enthält. Nach Meinung der Bewohner soll es die Kranken wieder auf die Beine bringen und das Leben verlängern.

Eine der vielen Legenden ist die des ewigen Feuers. Sie erzählt von einem langwierigen Kampf zwischen einem Helden und einem Ungeheuer mit zahllosen Köpfen. Als die beiden den Gipfel eines Berges erreichten, schnitt der Held dem Ungeheuer ein paar Köpfe ab und warf diese möglichst weit weg. Als sie auf den Boden aufschlugen, erschienen aus den Nasenlöchern der Köpfe furchtbare Flammen, die Tag und Nacht ununterbrochen brannten.

Obwohl von Menschen oder dem Regen gelöscht, entzündeten sie sich immer wieder von Neuem, entweder durch Blitze oder durch sich selbst. Wissenschaftlich betrachtet ist das eine „märchenhafte” Erklärung für das Erdgas, das an der Erdoberfläche in der Umgebung von Terca ständig brennt. Das Feuer erreicht die durchschnittliche Höhe von einem halben Meter.

„Sonnenstein” nennen die Bewohner der Buzău-Gegend den hier zu findenden Bernstein. Die Steine aus fossilem Harz seien Tränen der Gottheiten, der Prinzessinnen, der Bäume oder sogar der Sonne, so die Dörfler. Im Buzău-Gebiet wird Bernstein mit Misstrauen betrachtet, da ihm eine unheimliche Kraft innewohnen soll: Er kann sowohl das Gute als auch das Böse im Menschen anregen. Wer Bernstein sucht, der kann ihn nicht finden. Der Bernstein muss willens sein, sich selbst zu zeigen. Der Bernstein in Colţi entstand vor 25 Millionen Jahren aus dem Baumharz prähistorischer Bäume. Es ist das einzige Bernsteinvorkommen in Rumänien.

Paratethys – das verschwundene Meer

Dan Palcu, der Experte, der sich mit dem Konzept der Ausstellung beschäftigt hat, ermöglicht eine Reise zurück in der Zeit. Vor ungefähr 35 Millionen Jahren gab es ursprünglich einen Ozean, Tethys, der sich in zwei teilte: im Süden Tethys und im Norden Paratethys (Randmeer). Aus dem südlichen Meer entstand das Mittelmeer.

Damals war der größte Teil des heutigen Rumäniens (so wie der vieler anderer europäischen Länder) unter Wasser, es gab nur einzelne Inseln in dieser See. Das Wasser an der Oberfläche war voller Lebewesen, das Wasser in der Tiefe enthielt allerlei giftige Stoffe und war deshalb nicht geeignet für das Leben. Am Boden des Sees hat sich zusammen mit dem Baumharz auch Schlamm, der reich an organischen Stoffen ist, angesammelt.

Auf diese Weise entstand das Erdöl entlang der Karpaten. In Buzău kann man Zeichen des verschwundenen Meeres finden: Prähistorische Vulkane, dunkle Seen, zahlreiche Inseln und Flüsse haben mit der Zeit die Landschaft gestaltet. In Lopătari kann man noch die Spuren der Wellen des prähistorischen Meeres sehen, in der Gegend von Căneşti gibt es Muscheln inmitten der Berge, in der Nähe von Siriu fossile Schnecken, in Mânzăleşti findet man prähistorische vulkanische Asche. Bauern und Wissenschaftler erklären die Geheimnisse der Erde auf ihre eigene Weise.

Dan Palcu sagt: „Wir haben unser Ziel erreicht, wenn die Menschen innerhalb oder außerhalb dieser Gegend die Umgebung mehr zu schätzen wissen”, meint er. Ziel ist es, in Buzău einen Geopark entstehen zu lassen, der kein Naturpark oder Schutzgebiet ist. Der Geologe träumt von einem Ort, wo man sich an der Umgebung freuen kann – von den Steinen bis zu den Menschen.

Der Wissenschaftler verdeutlicht, dass der Wert der Buzău-Gegend sowohl materiell als auch immateriell ist. Er geht auf Entdeckungsreise zusammen mit anderen Geologen, um interessante Orte zu finden, konzentriert sich auf bestimmte Aspekte, die relevant für die Entstehungsgeschichte der Erde sind. Er hat gemerkt, dass auch die Einheimischen dieselben Naturerscheinungen beobachtet haben.

Der Unterschied besteht darin, dass sie die Maßstäbe ihrer eigenen Welt benutzen. „Als Geologe kann ich mit meinen Kenntnissen die Geschichten vervollständigen, die die Einheimischen über die Erde oder Steine erzählen”, erläutert er. Das Anormale, das Außergewöhnliche, die atypischen Phänomene werden mithilfe der Fantasie erklärt.

Die Gegend um Buzău bietet eine Fülle von atypischen geologischen Phänomenen, deshalb die Vielzahl der lokalen Legenden. Der Geologe macht sich ständig Gedanken über seine Arbeit: „Wenn man mit den Einheimischen spricht, dann erfährt man eine poetische Erklärung. Die Erklärung, die ich gebe, ist auch eine Geschichte. Welches ist dann der Unterschied? Es gibt keine Beweise. Wie viele von uns waren Augenzeuge? Dasselbe gilt für die Bauern: Wie viele von ihnen haben das, was sie erzählen, auch wirklich gesehen?“

Geologisch wurde das Gebiet schon vor langer Zeit erforscht. Die Wissenschaftlergruppe, die auf Entdeckungsreise in dieser Gegend ist, verwendet systematische geologische Erkenntnisse, die von früheren Wissenschaftlergenerationen formuliert wurden. Dan Palcu schließt aber die Möglichkeit nicht aus, andere Antworten zu finden: „Später kann jemand kommen und eine andere Erklärung finden. Es gibt das Risiko, dass in einiger Zeit ein Phänomen anders wahrgenommen wird, dank der Einzelheiten, die momentan keine große Relevanz haben. Man geht davon aus, dass ein anderer Wissenschaftler das, was im Allgemeinen behauptet wird, ergänzen, verändern oder eben ablehnen kann. Dieser ganze Prozess repräsentiert eigentlich eine Reihe von Ereignissen, die eine Person der Wahrheit näher bringt“, erklärt Dan Palcu.

Sowohl das wissenschaftliche als auch das magische Denken repräsentiert zwei Facetten desselben Vorgangs. Es hängt mit dem Wissensdurst zusammen, der alle Menschen charakterisiert. Das magische Denken ist in allen Kulturen der Welt anwesend: „Wissenschaftliches und magisches Denken entstehen aus dem Wunsch, die Welt zu erklären, egal ob man objektive oder subjektive Argumente hat. Am Anfang erschien die Welt zu komplex für ihre frühen Bewohner, die sich einen dafür zuständigen Weltbaumeister (oder mehrere) erdacht haben“, sagt der Geologe.

Märchenhafte Pfade

Zwischen den Hügeln des Karpatenbogens hatten die Menschen Geduld, Geschichten über die Gegend zu erfinden und zu entdecken. Die Wanderwege in Buzău können sich vor den Augen des Reisenden wie die Seiten eines Märchenbuches entfalten. Die Wälder erscheinen einem dann als Hintergrund heldenhafter Taten aus der sagenhaften Vergangenheit und die Felsen als geheimnisvolle schlafende Lebewesen. Im mysteriösen Slănicului-Tal sind bezaubernde Plätze versteckt. Hier gibt es überall geologische Erscheinungen, die den Geschichten der Bauern zugrunde liegen.

Der Fluss bringt Muscheln zum Vorschein (die nur im Meer erscheinen), auf dem Salzberg in Meledic gibt es einen Teich mit Süßwasser. Das Buch „Drumuri de poveste – Ţinutul Buzăului“ (Märchenhafte Pfade – Das Buzău-Gebiet), 2012 im Amanda Edit Verlag Bukarest erschienen, könnte ein relativ guter Ersatz sein, wenn eine Reise nach Buzău nicht möglich ist. Die nächste Haltestelle der Ausstellung ist Buzău, der Ort, der sie inspiriert hat.