WORT ZUM SONNTAG: Das Turmalinherz

Im 12. Jahrhundert lebte im italienischen Städtchen Assisi der Tuchhändler Bernadone. Als Lebensziel sah er, je mehr Geld zu verdienen. Sein Sohn Franz dachte ganz anders. Geld sei dazu da, um den bedürftigen Mitmenschen zu helfen. Das tat er sehr großzügig. Da er davon nicht abzubringen war, verklagte ihn der Vater beim Bischof. Franz legte alle Kleider ab, die er von seinem Vater erhalten hatte, und erklärte: „Bisher habe ich zu dir `Vater` gesagt. Von nun an sage ich nur mehr `Vater im Himmel`“. Es war eine endgültige Trennung. Der Vater blieb der gleiche Geldjäger wie bisher, der Sohn Franz wurde der geistige Erneuerer seiner Zeit, gründete den Franziskanerorden, der auch heute noch in der ganzen Welt segensreich wirkt.
Was bewirkte den Unterschied in der Lebensauffassung zwischen Vater und Sohn? Es war das Wort Christi: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot“. Ebenso wichtig ist das zweite Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Der Tuchhändler hielt nichts von diesem rein geistigen Wert. Ihm war das klingende Geld wertvoller. Der Sohn Franz öffnete sein Herz der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. Er sah seine Lebensaufgabe darin, Gott und seinen Geschöpfen in Liebe zu dienen.

Wie steht es mit uns? Das Menschenherz gleicht dem Turmalin. Dieser ist ein Halbedelstein von schwarzer, roter oder grüner Farbe. Er hat eine interessante Eigenschaft: Ist er kalt, so zieht er Asche und andere unedle Stoffe an und hält sie fest. Man nennt ihn auch „Aschezieher“. Wird er aber warm, dann stößt er diese an ihm klebenden Stoffe ab. Warum ist das so? Er hat an einem Ende positive, am anderen Ende negative Elektrizität. Wenn er erwärmt wird, wechselt er die Pole und stößt die unedlen Stoffe ab. So ähnlich ist es mit dem Menschenherzen. Ist es für Gott kalt, zieht es die materiellen Dinge, Geld und Besitztum an. Der Mensch jagt ihnen nach und will mit allen Mitteln die Mitjäger ausschalten. Wie sieht das aus?
Im Jahre 1927 hatte man in Transvaal in Südafrika neue Diamantenfelder entdeckt. Wer sollte diese ausbeuten? Es wurde ein Wettlaufen veranstaltet. Das Gebiet war in Parzellen aufgeteilt. Wer als Erster eine Parzelle betrat, dem gehörte sie. Zehntausende versammelten sich in Grasfontein, dem Startort des Wettlaufs. Nur mit Mühe konnte das Militär die Menge vor dem Startschuss zurückhalten. Als der Startschuss fiel, kam es zu entsetzlichen Szenen. Die Schwachen wurden überrannt und zertrampelt. Andere wurden tobsüchtig, manche starben vor Aufregung. Andere begingen Selbstmord, als sie sahen, dass sie keine Parzelle erwerben konnten. Auf den Parzellen kam es mit Messern und Revolvern zu förmlichen Schlachten.

Gleicht das Menschenherz dem kalten Turmalin, so zieht es alles Unedle an sich. Der Mensch wird ein gieriger Egoist, der vor keiner Gewalttat zurückschreckt. Wenn aber das Turmalinherz des Menschen durch die Gottes- und Nächstenliebe erwärmt wird, wie handelt er dann? In Amerika trat die Tochter eines Multimillionärs in ein Kloster ein. Der Vater wollte sie um jeden Preis zurückhalten. Es gelang ihm nicht. So wagte er einen letzten Versuch. Er machte sein Testament. Darin wurde festgehalten, dass seine Tochter nur dann Erbin seines Vermögens werden könne, wenn sie aus dem Kloster austrete. Was tat die Tochter? Für sie, in deren Herzen die Gottesliebe glühte, hatte das große Vermögen, um das viele andere Menschen Glauben, Seele und Tugend verkauft hätten, keinen Reiz. Die Gottesliebe erwärmte ihr Turmalinherz so sehr, dass sie den Reichtum des Vaters, wie einst der Apostel Paulus, als Kehricht betrachtete. Der Vater starb. Die Tochter ließ sich mit heiterem Antlitz enterben. Lieber heilte sie im Krankenhaus Wunden, die habgierige Menschen verursacht, und trocknete Tränen, welchen menschliche Härte zum Fließen gebracht. Statt Millionen zu verprassen, weihte sie ihr Leben dem Dienste Gottes und den benachteiligten Mitmenschen.

Welch ein gewaltiger Unterschied zwischen Mensch und Mensch! Hier ein Kampf mit Messern auf Leben und Tod. Dabei werden Wunden um ein Stück Diamantfeld geschlagen. Dort der freiwillige Verzicht auf Millionen, um Wunden zu heilen. Diesen Unterschied bewirkt die Gottesliebe.