Wort zum Sonntag: Der Glaube kommt vom Hören

Ein Land hatte einen Präsidenten, ein aufrechter und wackerer Christ. Eines Tages besuchte er die Universität der Hauptstadt. Es war die Zeit der Universitätsprüfungen. Der Präsident wollte sich über die Fähigkeiten der künftigen Staatsbeamten vergewissern. In seiner Gegenwart machte ein Rechtskandidat sein Doktorexamen. Er bestand es glänzend. Danach beglückwünschte ihn der Präsident zu seiner erfolgreichen Doktorprüfung. Er sagte: „Sie haben soeben gezeigt, wie gut Sie in der Rechtskunde bewandert sind. Wir haben solche Leute, die sich in der Rechtskunde gut auskennen, sehr notwendig. Aber ein guter Jurist benötigt noch eine andere Qualifikation. Sind Sie in der Glaubenslehre der christlichen Religion auch so gut bewandert? Ein tüchtiger Jurist muss die menschlichen Gesetze sehr gut kennen. An erster Stelle jedoch muss er sich in den Gesetzen Gottes auskennen, denn alle gerechten menschlichen Gesetze fließen aus den Gesetzen Gottes“. Der Präsident stellte nun mehrere Fragen aus dem Katechismus an den frisch gebackenen Doktor der Rechte. Doch dieser wusste keine Antwort. Da sagte der Präsident: „Lieber Herr Doktor, gehen Sie für einige Tage in ein Franziskanerkloster und lassen Sie sich in der Glaubenslehre und den Geboten Gottes unterrichten. Das wird für Ihre künftige Aufgabe von größter Bedeutung sein!“

Nicht nur ein Rechtsgelehrter, sondern jeder von uns hat die Unterweisung in den Glaubenslehren notwendig, sonst verlieren wir leicht die Lebensorientierung. So erging es den zwei Emmausjüngern im Evangelium. Durch die Karfreitagsereignisse geschockt, verloren sie jedwede geistige Orientierung. Was machen? Was glauben? Was hoffen? „Wir hatten gehofft, dass Er das Reich Israel errichten wird!“ Jesus naht sich ihnen, hört ihren verzweifelten Gesprächen zu. Er schaltet sich in ihre Gespräche ein. Es wäre Ihm kinderleicht gewesen, in einem Augenblick alle ihre Zweifel und Ängste zu beheben. Er hätte ihnen nur als der Auferstandene in seinem vollen Glanz erscheinen müssen. Er tat es nicht. Christus greift nur in außergewöhnlichen Fällen zu außergewöhnlichen Mitteln. Der ordentliche Weg den Glauben zu wecken und zu stärken ist die Unterweisung von Mensch zu Mensch, vom Mund zum Ohr. Diesen Weg beschritt Christus hier. Er gibt ihnen eine Glaubensunterweisung. Er hält mit ihnen eine regelrechte Bibelstunde. Von der Hl. Schrift ausgehend, von den Psalmen und Prophetenworten her, erklärt Er ihnen die Karfreitagsereignisse. Nun wird es in ihren Herzen und Hirnen hell. Sie sehen das Karfreitagsgeschehen nun in einem ganz anderen Licht. Neue Hoffnung keimt in ihren Herzen auf. Ihre Herzen beginnen zu „brennen“. Und nun, durch die Schriftunterweisung sehend gemacht, fällt auch die letzte Hülle von ihren Augen. Sie erkennen den Auferstandenen beim Brotbrechen.

Christus wird auch dir und mir nicht auf dem außergewöhnlichen Weg als Erscheinung begegnen, um den Glauben zu wecken oder zu stärken. Auch bei uns wählt Er den gewöhnlichen Weg der Glaubensunterweisung, die uns durch Menschenmund erteilt wird. Es geschieht bei den Kindern im Religionsunterricht, bei uns Erwachsenen durch die Predigt im Sonntagsgottesdienst. „Der Glaube kommt vom Hören“, sagt der Apostel Paulus. Auch wir sind oft mit Blindheit geschlagen, wie anfangs die Emmausjünger. Wir denken oft nicht daran, dass durch die Predigt aus Menschenmund Christus zu uns spricht. Der Beauftragte der Kirche verkündet ja nicht seine eigenen Meinungen und Theorien, sondern er schöpft die Lehre aus der Hl. Schrift und aus dem Glaubensgut der Kirche. Wenn wir willig unser Ohr dem Gotteswort öffnen, so wird auch bald unser Herz „brennen“ und wir werden, wie die Emmausjünger, in Christus, dem Auferstandenen, unsern Herrn und Erlöser erkennen.

Es ist sehr nützlich, wenn wir unser Ohr für die irdischen Wissenschaften öffnen. Aber noch wichtiger ist es, dass wir die Glaubenswahrheiten kennen. Sie geben unserem Leben die richtige Orientierung. Für keine menschliche Wissenschaftslehre gilt eine solche Verheißung wie für die christliche Glaubenslehre: „Selig sind, die das Wort Gottes hören und es befolgen!“ Öffnen wir der Frohbotschaft Christi Herz und Ohren, denn „der Glaube kommt vom Hören“!