Wort zum Sonntag: Der grandiose Tanz

Es gibt auf der Welt eine Unmenge von Tänzen. Jedes Volk hat seine eigenen Volkstänze. Manche dieser Tänze setzen sich auch international durch und werden in vielen anderen Ländern getanzt. Lediglich „Modetänze“ haben eine kurze Lebensdauer. Auf internationaler Bühne hat sich ein Tanz ganz besonders durchgesetzt. Er ist schon ururalt und wird trotzdem für alle Zeiten der modernste Tanz bleiben: Der Tanz um das goldene Kalb! Er wurde zum ersten Mal von den Israeliten in der Wüste Sinai nach ihrem Auszug aus Ägypten getanzt. Moses weilte auf dem Berge im Gespräch mit Gott. Das Volk forderte Aaron auf, ein Kalb aus Gold zu gießen. Das nötige Material wurde herbeigeschafft und daraus ein goldenes Kalb gegossen. Das Volk umtanzte dieses Kalb und rief: „Das ist dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat!“

An diesem Tanz beteiligen sich seit seiner Entstehung Menschen aus allen Gegenden, wo immer sie unter Gottes Himmel wohnen. Allerdings stellt man in unserer aufgeklärten Zeit kein goldenes Kalb auf. Wir sind viel fortschrittlicher und bauen dem Götzen „Gold-Geld“ großartige moderne Tempel: Banken und Geldinstitute. Der Götze „Geld“ muss nicht unbedingt aus Gold sein, er kann auch aus Papier hergestellt werden, nur muss es ein „Wertpapier“ sein. Geld ist eben ein besonderes Ding. Man sagt: Die größte Wonne bereite die Liebe, die schlimmste Angst schaffe der Tod. Doch das Geld zieht mit beiden gleich. Es kann die größte Wonne bereiten, aber auch die schlimmste Angst herbeiführen, je nachdem, ob man es gewinnt oder verliert.

Ein Geizhals hatte sein unter großen Entbehrungen zusammengeschartes Geld in einer Grube unter einer mächtigen Eiche vergraben. Eines Tages kam ein Mann des Weges mit einem Strick in der Hand. Er war ganz verzweifelt und wollte sich erhängen, weil er nicht mehr wusste, wie er sich und seine Familie ernähren sollte. Da sah er die Eiche mit ihren ausladenden Ästen. Er wählte sich einen starken Ast aus und wollte daran seinen Strick befestigen. Doch der Boden, auf dem er stand, gab nach und er fiel genau in die Grube, worin der Geizhals seine Schätze versteckt hatte. Der Mann sah die Blechkiste und öffnete sie. Sie war bis zum Rande mit Goldmünzen gefüllt. Eine große Freude erfasste ihn. Ohne sich zu besinnen, nahm er das Geld an sich, und ließ dafür den Strick in der Grube liegen. Einige Tage später kam der Geizhals, um nach seinen Schätzen zu sehen. Er sah die offene Grube, in der nur der Strick lag. Den nahm er, schlang ihn um einen Ast und erhängte sich. So ist es mit dem Geld: Dem einen flößt gewonnenes Geld neuen Lebensmut ein, den anderen stürzt verlorenes Geld in die Verzweiflung.

Geld unterscheidet sich von allen anderen Dingen darin, dass es für alle gleich wichtig ist: Für die, die es haben, wie für die, die es nicht haben. Dabei entpuppt es sich als der größte Tyrann. In der jetzigen Inflationszeit kommt noch ein drittes Handicap hinzu: Es ist unzuverlässig, weil es täglich an Wert verliert, und zugleich ist es sehr knapp.

Dem Götzen Geld wurden und werden noch immer Hekatomben von Blutopfern dargebracht. Wie viel wurde schon um Geldes willen gemordet und Kriege vom Zaune gebrochen! Männer verkaufen um Geld Ehre und Anständigkeit. Dem Gotte „Geld“ werden alle Arten von Verbrechen als Opfer dargebracht. Warum? Weil man mit Geld alles kaufen kann! Kann man das wirklich? Nein und abermals nein! Für Geld kannst du dir das Bett, aber nicht den Schlaf kaufen; Bücher, aber keine Intelligenz; Essen, aber keinen Appetit; Glanz, aber nicht die Schönheit; Medikamente, aber nicht die Gesundheit; Luxus, aber keine Kultur; Zerstreuung, aber kein Glück; vergnügte Tage, aber nicht den Herzensfrieden; eine Religion, aber nicht die Erlösung; eine Fahrkarte zu jedem Reiseziel, nur nicht zum Himmel. Gerade die geistigen Güter, die uns erst zu Menschen machen, können wir nicht mit Geld kaufen. Muss man diese Wahrheit noch beweisen?

In der kleinasiatischen Stadt Priene wohnte der Weise Bias. Die Stadt wurde belagert und erstürmt. Alle rafften ihre Habe zusammen und flüchteten. Allein Bias ging zufrieden seines Weges. Auf der Flucht begegnete ihm ein Freund, der unter der Last seiner geretteten Kostbarkeiten keuchte. Schadenfroh rief dieser dem Philosophen zu: „Bias, du warst in Priene reicher als ich, jetzt bist du um Vieles ärmer!“ Kurze Zeit darauf raubten feindliche Soldaten alle seine Schätze. Der Mann war verzweifelt. Bias sagte lächelnd: „Mach’ es wie ich, lieber Freund, ich habe mir nie etwas aus Dingen gemacht, die man täglich verlieren kann. Aber ich habe einen Schatz, den mir niemand rauben kann.“ – „Du hast einen Schatz bei dir?“, fragte hastig der Freund. „Ja“, erwiderte Bias, „er ist kostbarer als alles Gold von Priene.“ Nun bat ihn der andere: „Du siehst, wie arm ich geworden bin, teile mit mir.“ „Du kannst meinen Schatz ganz haben“, sagte der Weltweise, „denn ich werde beim Teilen nicht ärmer: Er besteht aus der Liebe zu Gott und zur Tugend!“

Auch wir besitzen einen Schatz, den weder Inflationen entwerten, noch „Dawai-Tschas-Soldaten“ rauben, noch Staatsdekrete enteignen können: unseren christlichen Glauben! Ihn vergleicht Christus mit einem Schatz im Acker und mit einer kostbaren Perle, die es wert sind, alles andere dafür hinzugeben. Keine Angst, niemand verlangt dein Hab und Gut. Aber eines wird resolut gefordert: Tanze nicht um das goldene Kalb! Denn, zielst du auf den Himmel, bekommst du die Erde mit dazu, zielst du auf die Erde, bekommst du keins von beiden!