Wort zum Sonntag: Der Rettungsring

Kaiser Napoleon, so erzählt eine Legende, schweifte eines Tages mit seinem Adjutanten in der Umgebung von Paris umher. Sie wollten nicht erkannt werden und trugen deshalb bürgerliche Kleidung. Hungrig betraten sie ein Gasthaus und bestellten ein Mahl. Als sie bezahlen sollten, stellte es sich heraus, dass keiner der beiden Geld bei sich hatte. Napoleons Begleiter bat die Gastwirtin, sich eine Stunde zu gedulden, er werde das Geld bringen. Doch da kam er schlecht an. Sie beschimpfte die Gäste als „Zechpreller“, bestand auf sofortige Bezahlung und drohte mit der Polizei. Da mischte sich der Kellner in den Wortwechsel. Er sagte: „Ich vertraue den zwei Herren und strecke das Geld aus meiner Tasche vor.“ Die Zeche betrug 14 Franken. Der verkleidete Kaiser nahm die Hilfe dankend an und sagte: „Sie werden es nicht zu bereuen haben!“ Nach einer Stunde erschien der Adjutant des Kaisers und fragte die Gastwirtin: „Was kostet das Gasthaus?“ Schnippisch erwiderte die Frau: „Jedenfalls mehr als 14 Franken.“ Der Fremde beharrte auf seiner Frage. Da antwortete die Gastwirtin: „Ich verlange 30.000 Franken, keinen Heller weniger.“ Ohne eine Miene zu verziehen, legte der Geheimnisvolle die verlangte Summe auf den Tisch und ließ die Wirtin den bereits aufgesetzten Kaufvertrag unterschreiben. Sofort überreichte er den Vertrag dem Kellner mit den Worten: „Im Auftrag meines Herrn übergebe ich Ihnen dieses Gasthaus als Eigentum, zum Dank und zum Zeichen, dass Sie sich nicht im Vertrauen zu meinem Herrn getäuscht haben.“ Bestürzt fragte die Wirtin, wer denn dieser Herr sei. Der Fremde erwiderte: „Seine Majestät der Kaiser!“

Uns wird es im Leben wohl nie passieren, dass ein Mächtiger dieser Erde von uns einen Vertrauensbeweis ordert, der mit einem Risiko verbunden ist. Aber was kein mächtiger Mensch von uns fordert, das verlangt der, dem „alle Macht gegeben ist, im Himmel und auf Erden“, nämlich Christus. Er stellt keine geringen Forderungen an uns: „Wer Vater, Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig!“ Wahrlich, das sind große Forderungen. Doch der Lohn seiner Verheißung ist ungleich größer: „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen!“ Doch um diese Forderungen überhaupt erfüllen zu können, muss man den nötigen Vertrauensvorschuss und große Risikofreude aufbringen. 

Ein Mann, der sich weder um Gott noch um Christus scherte, sagte eines Tages zu seinem Freund: „Das Leben, wie ich es führe, wäre ja ganz nach meinem Geschmack. Ich lasse mir keine Genüsse entgehen und kümmere mich den Teufel darum, ob sie Sünde genannt werden oder nicht. Aber da ist ein Haken, der mir alle Vergnügen verdirbt.“ – „Und das wäre?“, fragte der Freund. Der Mann erklärte: „Es ist der Gedanke, oder vielmehr die Furcht, es könnte wahr sein, was in der Bibel steht.“ 

Wir sagen: Es könnte nicht nur wahr sein, sondern es ist wahr, was in der Bibel steht. Und das betrifft nicht nur die Verheißungen, sondern auch die Drohungen, die in der Bibel stehen. So sieht es für den Diesseitsmenschen, der sich den Forderungen Christi entzieht, ganz und gar nicht gut aus. Denn Christus spricht weiter: „Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren!“ Um die Tragweite dieser Worte richtig einschätzen zu können, müssen wir uns über unsere irdische Position im Klaren sein. Für jeden von uns ist das Leben eine Art Fallbrücke. Du stehst auf dieser Brücke, lebst und webst auf ihr und weißt nicht, wann sie sich öffnen wird, um dich für immer in der Versenkung verschwinden zu lassen. Beispiele dafür hast du doch tagtäglich vor Augen. Bleibst du ein Diesseitsmensch, suchst du dein absolutes Glück auf dieser unzuverlässigen Fallbrücke des irdischen Lebens, und schlägst du dabei die Forderungen Christi in den Wind, so wirst du todsicher am Ende alles verlieren.

Der gläubige Christ ist sich stets bewusst, dass er im Erdenleben auf einer Fallbrücke steht, die sich, wann immer, öffnen kann. Aber er empfindet diese labile Situation nicht als fatal. Für ihn sind die Verheißungen Christi ein wirklicher Rettungsring. Den schnallt er sich um. Mag sich, wann immer, die Fallbrücke öffnen, für ihn wird es kein Sturz ins Verderben. Der Rettungsring der Verheißungen Christi hält ihn über Wasser, bis der Retter Christus ihn aufnimmt.