WORT ZUM SONNTAG: Die Reform, die nottut

Zwei Männer waren Mitglieder in einem Gremium, in welchem über Reformen des Gemeinwesens beraten wurde. Sie waren über einen See gerudert und hatten ihr Boot mit einem Seil an einem Pfahl festgebunden. Spätabends, als es schon dunkel war, wollten sie heimkehren. Sie sprangen ins Boot und ruderten los. So sehr sie sich abmühten, das jenseitige Ufer kam nicht in Sicht. Das wunderte sie. Nun untersuchten sie das Boot und sahen, dass sie vergessen hatten, es vom Pfahl loszubinden. So waren sie, statt vorwärts, im Kreis gerudert. Ist das nicht das anschauliche Bild für alle Reformer, die mit eigener Kraft positive Reformen durchführen wollen? Können Menschen, die selbst eine geistige Reform bitter nötig haben, erfolgreiche Reformen für ihre Mitmenschen in die Wege leiten?

Christus ist ganz anderer Meinung. Er sagt im Johannesevangelium: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht!“ Wollen wir bei anderen Menschen mit Erfolg Egoismus ausmerzen, muss zuerst unser eigener Egoismus sterben. Nur solche Menschen, welche die eigene Selbstsucht überwunden haben, können überzeugen und zur Selbstüberwindung aneifern.

Zu dem großen Reformprediger Petrus von Alcantara (1499-1562) kam ein hochgestellter Herr und klagte, wie schlecht doch die Welt sei und dass nicht einmal die gewaltigsten Bußpredigten eine Besserung der Sitten herbeiführen können. Petrus sagte, er wisse ein leichtes Mittel, um den beklagenswerten Zustand erfolgreich zu bekämpfen: „Wenn Sie und ich so sind, wie wir sein sollten, wird Gott sicher auf unser Gebet hören und helfen; auf jeden Fall hätte dann bei uns zwei die Besserung schon begonnen, wirksam zu werden. Der Missstand ist nur, dass wir immer nur die Fehler der anderen bessern wollen, niemand aber sich selbst. So bleibt immer, trotz aller Reformen, alles beim Alten!“

Unser eifriges Reformbestreben, soll es erfolgreich werden, lässt sich auf einen ganz einfachen Grundsatz zurückführen: „Was dir an anderen missfällt, das tue nicht; was dir an anderen gefällt, das tue!“ Nur solche Menschen, die es fertigbringen, sich selbst vom Bösen zum Guten zu „reformieren“, können wirksam an Reformen für die Mitmenschen wirken. Ein Tropfen echten Opfergeistes regt unsere Lebensgeister mehr an als aller Geistesreichtum der Literatur und der Kunst. Es ist eben so: Wert oder Unwert eines Menschen tritt immer erst dann zutage, wenn ihm Selbstloses abverlangt wird. Das Gebäude unserer Welt kann nur von selbstlosen Menschen erneuert werden. Alle, die zuerst ihr „eigenes Süppchen“ kochen wollen, sind ungeeignet dazu, auch wenn sie in Regierungen oder der UNO die einflussreichsten Leitungsposten innehaben.

Was wollen wir, die „kleinen Leute“, tun? Wir wollen doch auch unseren bescheidenen Beitrag zur „Reform unseres Erdballs“ leisten. Wie können wir das mit Erfolg tun? Bei einem Ruderwettbewerb wurde das Boot, das mit den erfolgreichsten Ruderern besetzt war, besiegt. Wie war das möglich? Man untersuchte das Boot und fand folgendes: Die Wettbewerber des anderen Bootes hatten bei Nacht und Nebel einen großen Stein am Bootskiel des Gegners befestigt. Natürlich hatte der Stein die Schnelligkeit des Bootes sehr beeinträchtigt.

Wollen wir in unserem „Reformboot“ kräftig vorankommen, dürfen wir nicht die Bremsklötze des Egoismus am eigenen Boot anbringen. So kommen wir nicht gut voran. Jeder Egoist bremst sich selbst aus. Deshalb: Lassen wir das Korn des Egoismus im Erdreich der Mitmenschlichkeit sterben. Daraus entsprießt eine Frucht, die wir alle bitter nötig haben, um unser kurzes Erdenleben menschenwürdig und vor allem christlich zu gestalten.
Das ist die Reform, die uns nottut!