WORT ZUM SONNTAG: Feuer vom Himmel

Wahr ist das Wort des Dichters Schiller: „Wohltätig ist des Feuers Macht!“ Das erfuhren wir 1945, als wir in die Sowjetunion deportiert wurden. Wir mussten bei eisiger Kälte im Freien arbeiten. Unsere erste Sorge war, ein Feuer anzuzünden. So konnten wir uns von Zeit zu Zeit am Feuer aufwärmen. Ohne Feuer hätten wir die „kalten Jahreszeiten“ kaum überstanden.

Das Feuer ist eine der größten Gottesgaben. Ohne Feuer gäbe es keine wirtschaftlichen Fortschritte, keine Industrie und kein menschenwürdiges Leben. Aber das Feuer gleicht einem zweischneidigen Schwert. Es kann uns helfen, aber auch schaden. In den Öfen dient es uns, in Bomben und Granaten bedroht es uns. Darum gilt die Mahnung Schillers: „Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht!“ Der Mensch muss das Feuer beherrschen.

Es gibt aber nicht nur das materielle Feuer, das in unseren Öfen lodert, es gibt auch ein geistiges Feuer, das in unserem Herzen brennt. Das materielle Feuer treibt Maschinen, das geistige Feuer treibt Menschen zu Taten an. Zu welchen Taten? Es hängt davon ab, womit wir das Feuer nähren.

In Mexiko wanderten zwei Männer durch die Bergschluchten, ein Ingenieur und ein Missionar. Als die Einheimischen sie erblickten, flohen sie davon. Der Glaubensbote bemühte sich, diese „Wilden“ zum Näherkommen zu bewegen. Es gelang ihm nicht. Da sagte der Ingenieur: „Pater, ich begreife Sie nicht, dass Sie sich dieser Menschen wegen so unermüdlich aufreiben. Ich wage mich in dieses gastfeindliche Gebirge, um hier Gold zu finden; dass Sie Hab und Gut, Heimat, Familie und alles verlassen, um diesen erbärmlichen Menschen nachzulaufen, ist mir unverständlich!“ Der Glaubensbote antwortete: „Aus Liebe zu jedem Menschen hat Christus den Kreuzestod erlitten. Das Feuer der Liebe würde in meinem Herzen erlöschen, wenn ich nicht alle meine Kräfte einsetzen würde, um auch diesen Menschen die ewige Heilsbotschaft zu bringen“.

Viele Menschen werden durch die Gier nach Gewinn und Reichtum zu unheilvollen Taten angetrieben. Dieses unheilvolle Feuer, von der Gier genährt, verursacht Leid, Krieg, Not, Elend, Ausbeutung, Sklaverei auf dieser friedlosen Welt. Alle Kriege werden durch das Feuer der unersättlichen Gier entzündet. Wie wahr ist doch Schillers weiteres Wort: „Doch furchtbar wird die Himmelskraft, wenn sie der Fessel sich entrafft!“

Es gibt nicht nur dieses unheilvolle Feuer, sondern, Gott sei Dank, auch ein heilvolles Feuer im Herzen vieler Menschen. Dieses Himmelsfeuer hat Christus entzündet. Im Lukasevangelium (12,49) kündet er: „Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer anzuzünden. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ Dieses Feuer wird mit Glaube und Liebe genährt. Bezeichnend ist, dass dieses Feuer vom Himmel am ersten Pfingsttag in Form von feurigen Zungen auf die Apostel herabgekommen ist. Dieses geistige Feuer der Liebe im Herzen der Menschen ist das Feuer, das allein die Kälte des Hasses, der Feindschaft, der Herrschsucht, des Egoismus vertreiben kann. Alle wohltätigen Anstalten für hilfsbedürftige Menschen werden von Menschen gegründet, in deren Herzen das von Christus entzündete Feuer brannte und auch heute noch brennt. Solche Menschen waren es, die Waisen- und Krankenhäuser errichteten. Alle Wohltätigkeitsanstalten verdanken ihr Entstehen Menschen mit dem Himmelsfeuer im Herzen.

Aus Afrika berichtete die Missionsärztin Dr. Ditton: „Weil wir ihnen Gutes tun, nennen uns die Einheimischen ´Gottes Leute´“. Ein Mann, den sie während der Flecktyphus-Epidemie betreute, nannte sie „Gott“. Er erklärte: „Bei einer ansteckenden Krankheit rufen wir zu Gott und sofort kommst du!“ Wenn sie bei einer schweren Geburt geholfen hatte, sagten die Frauen: „Heute ist Gott bei uns eingekehrt!“

Haben das die Afrikaner auch gesagt, als die vom Feuer der Ländergier erfüllten Europäer erschienen und mit Feuerwaffen ihnen das Land raubten? Sie konnten nur verzweifelt klagen: „Bei uns ist der Teufel eingekehrt.“

Welches Feuer brennt in unserem Herzen? Geben wir dem unheilvollen Feuer der Gier keine Nahrung. Es soll verlöschen. Lassen wir unser Herz vom Himmelsfeuer Christi entzünden. Nur dieses kann die kalte Erde erwärmen.