Wort zum Sonntag: Kleider machen Leute

Als im April 1912 die „Titanic“ ihre erste Fahrt nach New York unternahm, sollte sie einen Schnelligkeitsrekord aufstellen. Man wählte deshalb die kürzere, aber gefährlichere Nordroute. Vom Dampfer „California“ kam der Funkspruch, dass schwimmende Eisberge von Norden hertrieben. Die Funkleitung der „Titanic“ war über diese Warnung sehr ungehalten: Sie hatte eine Menge Privattelegramme durchzugeben, die Aktienkurse und ähnliche Dinge betrafen. Wenige Stunden später kämpften die Passagiere der „Titanic“ um das nackte Überleben. Die SOS-Rufe, die nun in den Äther gefunkt wurden, erreichten die „California“ nicht mehr. Der einzige Funker lag nach 16-stündiger Arbeit todmüde in der Koje.

Die vier Funker der „Titanic“ hatten auf die Warnungen des kleinen Dampfers überhaupt nicht reagiert. Über 1500 Menschen ertranken. Dabei befand sich die „California“ nur fünf Seemeilen entfernt. Die Mahnrufe hatte man absichtlich überhört, und so kam es zur fürchterlichen Katastrophe.

Wir alle sind auf der Reise über das Meer des Lebens. Gott hat uns alle zum Hochzeitsmahl in seinem ewigen Reich eingeladen. Leider haben viele Gäste ganz andere Reisepläne. Manche benützen diese Reise nur, um materielle Güter zu erwerben. Bank- und Finanzkurse sind ihnen wichtiger als die Einladung Gottes. Andere betrachten diese Einladung als eine „Luxusreise“, um das Leben zu genießen. Gelingen ihre Pläne, nennen sie das stolz: „Selbstverwirklichung“. Kommt nun die Kirche mit ihren aus dem Evangelium geschöpften Warnungen, dass solche Pläne gefährliche Eisberge auf ihrer Reise sind, empfinden sie das, wie die Funker auf der „Titanic“, als Störmanöver, die man überhören sollte. Muss es da nicht zur Katastrophe kommen?

Christus gebraucht für diese Wahrheit ein anderes Bild, das für seine Zuhörer verständlich war: Ein König lädt vornehme Gäste zu einem Hochzeitsmahl ein. Die Vornehmen haben andere Pläne und missachten diese Einladung, ja manche Verärgerte töten sogar seine Boten. Da lässt der König ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Die Lehre, die wir daraus ziehen sollen, lautet: „Missachtung der Einladung Gottes führt zur Katastrophe!“ Gott mahnte schon durch den Propheten Jesaia (65,1.2): „Ich wäre zu erreichen gewesen für die, die nicht nach mir suchten. Den ganzen Tag strecke ich meine Hände aus nach einem abtrünnigen Volk!“ Es wäre unbegreiflich, wenn wir die Einladung Gottes in den Wind schlagen. Auf uns darf das Wort des Denkers Blaise Pascal (1623-1662) nicht zutreffen: „Wir laufen blind ins Verderben und halten uns noch absichtlich einen Schirm vor, um es nicht zu sehen!“

Im Erdenleben versuchen viele Leute, mit Mogelei und Ränken ihre Ziele zu erreichen. Bekannt dafür ist der „Hauptmann von Köpenick“, dessen Tat auch verfilmt wurde. Verkleidet mit einer Hauptmannsuniform besetzte Friedrich W. Voigt mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten das Rathaus von Köpenick bei Berlin. Er verhaftete den Bürgermeister und beschlagnahmte die Stadtkasse. Seine ursprüngliche Absicht war, sich einen Heimatpass zu besorgen, da er sonst keine Aufenthaltsgenehmigung in seiner Heimat bekam. Die Uniform hatte er in einem Trödlerladen gekauft, die militärischen Kenntnisse im Gefängnis erworben. Für kurze Zeit verschaffte er sich mit Kleidung und Auftreten Eingang in die Welt der Mächtigen.

Das ist nur in unserer Welt möglich, nicht aber im ewigen Reich Gottes. Im Gleichnis Christi wird der Mann ohne Festkleid sofort erkannt und entfernt. Trachten wir deshalb, dass unsere Lebensreise in den Hochzeitssaal Gottes führt und Gott uns, laut Prophet Jesaia, bekleidet mit dem „Gewand des Heils und uns umhüllt mit dem Mantel der Gerechtigkeit“. Hier wird auf uns dann das Sprichwort zutreffen: „Kleider machen Leute!“