Wort zum Sonntag: Siehe, es kommt die Zeit…

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. (Jeremia 23, 5)

Liebe Gemeinde,

Die Sehnsucht nach besseren Zeiten scheint uns mit den Menschen durch alle Jahrtausende zu verbinden. Es ist ein Adventliches Fragen, ein Adventliches Sehnen. 

Albert Einstein wurde einmal danach gefragt, welches für ihn die wichtigste Frage sei. Er soll geantwortet haben: „Ob das Universum ein freundlicher Ort ist?“ Die Antwort ist wieder eine Frage und zeigt eine ungestillte Sehnsucht. Und der Soziologe Adorno schreibt am Ende seiner Schriften „Minima Moralia“: Erkenntnis, die den Namen verdient, kann „einzig vom Licht der Erlösung her auf die Welt fallen“, wenn es gelingt, den „Bannkreis des Daseins und sei es auch nur um ein Winziges zu verrücken.“ Ob dies überhaupt möglich ist? Den „Bannkreis des Daseins ... auch nur um ein Winziges zu verrücken“? Vielleicht ein wenig. 

Was wir aber können, ist unsere Perspektive auf die Dinge zu verändern. Das vermag uns auf ganz adventliche Weise das Gedicht von Iris Macke nahe zu bringen:

Advent heißt Warten
Nein die Wahrheit ist
Dass der Advent nur laut und schrill ist
Ich glaube nicht
Dass ich in diesen Wochen zur Ruhe kom-
men kann
Dass ich den Weg nach innen finde
Dass ich mich ausrichten kann auf das, was
kommt
Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hinein
scheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde!

Nun möchte ich dazu einladen, die Perspek-tive zu ändern und das Gedicht andersherum zu lesen – von unten nach oben. Nun klingt es anders, ganz positiv. Und doch sind es dieselben Worte. Etwas hat sich geändert. Jeremia sagt: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: „Der Herr ist unsere Gerechtigkeit“.

Die Verheißung des Propheten erhebt eine kräftige Stimme. Die gute Botschaft des Advent lautet: Gott überlässt das unfreundliche Universum nicht sich selbst. Er mischt sich ein. „Gott ist unsere Gerechtigkeit“. Darin klingt die Verheißung, dass eine Zeit kommt, in der Gerechtigkeit eine gemeinsame Erfahrung werden kann. Darin klingt die freudige Ahnung, Gerechtigkeit werde eine Gabe Gottes sein. Solche freudige Ahnung macht Mut. Und so nährt dieser Gedanke unser adventliches Fragen, unser ungestilltes Sehnen.
Die Geschichte Jesu nährt die alte Hoffnung nach besseren Zeiten. Sein Sterben und seine Lebendigkeit enthalten die gute Botschaft, dass die Zeit kommt, in der Gott das Universum zu einem freundlichen Ort werden lässt. Amen.