WORT ZUM SONNTAG: Überwinde das Böse mit Gutem

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12, 21

Immer wieder verlangt uns die Heilige Schrift etwas ab, was uns schwerfällt. Wir erkennen, dass Gottes Gerechtigkeit anders ist als unsere – man lese dabei die Bergpredigt im Matthäusevangelium, Kapitel 5-7. Immer wieder liegt uns etwas dabei schwer im Magen, weil wir erkennen müssen, auch in vielen Gleichnissen, dass wir nicht auf der Seite Gottes stehen, bzw. in seinen Augen nicht gut sind, was wir sonst von uns meinen. Wir sind also nicht immer die Benachteiligten, sondern die, welche andere benachteiligen. Wir erkennen uns nicht immer als die Verspotteten, sondern immer wieder auch als Spötter. Nicht nur als die ungerecht Behandelten, sondern als Ungerechte. Das zu erkennen, ist schwer, und wenn es geschieht, schmerzt es. Bekannt ist, dass die Wahrheit weh tut – zu erkennen, dass man gefehlt hat, schmerzt. Aber es befreit!
Auch erkennen wir immer wieder in unserem Leben, dass auch Rachewünsche über uns mächtig werden.

Wenn einer uns Schlechtes angetan hat, sinnen wir nach Rache. Wir sind verletzt und möchten, dass der andere zumindest denselben Schmerz erfährt. Eher die Ausnahme ist es, dass der Verletzte keinen Rachewunsch hegt, oder zumindest eine tiefe Enttäuschung erlebt, die sehr schmerzt. Ja, wer kann von sich selber erhobenen Hauptes und mit vollem Herzen behaupten, er kenne den Wunsch nach Rache nicht? Wer kann von sich behaupten, er oder sie kenne die Schadenfreude nicht?... Viele von euch werden folgende schöne Geschichte von dem chinesischen Kaiser gut kennen: Es wird nämlich erzählt, dass ein alter chinesischer Kaiser seine Feinde besiegen und sie alle vernichten wollte. Später sah man ihn mit seinen Feinden speisen und scherzen. „Wolltest du nicht die Feinde vernichten?“ fragte man ihn. „Ich habe sie vernichtet“, gab er zur Antwort, „denn ich machte sie zu meinen Freunden!“

Ein erstaunlicher und denkwürdiger Vers ist uns gegeben für die kommende Woche. Der Apostel Paulus spricht in unser Herz hinein: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Wir erinnern uns gut an dieses Wort, war es doch die ausgewählte Losung für das Jahr 2011. Viele sagen uns im Leben: „Überwinde das Böse!“ Wie soll ich das denn schaffen? Viele sagen auch: „Überwinde das Böse mit Gutem!“ Doch muss erst einmal geklärt werden, wie ich selber zum Bösen stehe! Kann ich es als Böses erkennen? Oder bin ich von ihm und in ihm gefangen?...
Der Vers aus dem Römerbrief beginnt mit einer Mahnung, was zuallererst einen selbst betrifft: Lass dich nicht vom Bösen überwinden! Ist es nicht so? Wenn das Böse dich nämlich schon überwunden hat, ist es zu spät, das Böse eben als Böses zu erkennen. Leider kennen wir auch solche Fälle, wo ein Mensch immer wieder nur noch am Bösen Gefallen hat. Das Gute, das man ihm anbietet oder vorschlägt, bereitet ihm einfach keine Freude, er verfolgt schlichtweg das Böse…

Auch ist es nicht leicht, verehrte Lesende, im eigenen Leben zu entdecken, dass das Gute viel Macht besitzt. Denn wir sehen uns um und entdecken im Alltag, zutiefst enttäuscht, dass (fast) überall das Ungerechte, das Korrupte, das Böse herrscht. Das Gute ist selten anzutreffen und wenn – dann äußern wir die Bemerkung: „Sieh an! Es gibt doch noch Gutes in dieser Welt!“ Es gibt nicht wenige, die enttäuscht, gar verzweifelt behaupten und sich fragen: „Wozu soll ich noch gut sein?!“…
Liebe Lesende, das Gute ist nicht aus der Welt verschwunden! Das Gute ist um und in uns. Es wird aktiviert und wiederaufgeladen  durch die Güte Gottes. Vielleicht scheint es, das Gute sei eher in der Stille oder im Verborgenen tätig. Güte bringt Demut mit sich und demütig sein, ist alles andere als laut. Unser Gott, an den wir glauben und der seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus in unsere Welt geschickt hat und dessen Heiliger Geist uns weiterhin als Gemeinschaft bestehen lässt, wird als das Gute schlechthin genannt. Im Vaterunser beten wir: Erlöse uns von dem Bösen!

Das Böse kann uns also fest gefangen halten – durch Gottes Macht können wir aber wieder frei werden. Alleine sind wir verloren, aber Gott hat uns verheißen: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.“ So lesen wir im Buche des Propheten Jeremia, im 29. Kapitel. Das Böse kann das Gute zerstören, das ist wahr. Aber dass das Gute das Böse überwinden kann, ist ebenso wahr und nicht nur eine billige Vertröstung wie ein „Happy End“ eines spannenden Films, der nur so enden kann oder soll!
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ soll ein Spruch sein, der uns an das gegenwärtige Gute in der Welt erinnert, uns mahnt, Böses zu unterlassen, ja es soll uns eigentlich ein Lebenskonzept sein für den Umgang mit unseren Nächsten, auch mit Menschen, die uns das Leben schwer machen.