WORT ZUM SONNTAG: Unser Leitstern im Neuen Jahr

Ein englischer Offizier wurde zum Dienst in eine tropische Kolonie versetzt. Er nahm seine Familie mit. Auf der Reise geriet das Schiff in einen heftigen Sturm. Verwirrung und Angst ergriff die Passagiere, nur der Offizier blieb ruhig. Das brachte seine um die Kinder besorgte Frau in große Erregung. Sie machte ihm heftige Vorwürfe, dass ihn das Schicksal seiner Familie gleichgültig lasse. Er zückte seinen Degen und dessen Spitze berührte die Brust seiner Frau. Mit strenger Stimme rief er: „Hast du jetzt keine Angst?“ „Nein“‚ sagte sie, „ich weiß doch, in welcher Hand dieses gefährliche Mordwerkzeug ist!“ Da setzte er den Degen ab und sprach: „Wie soll ich mich vor einem Sturm fürchten, wo ich doch weiß, dass die Hand des Vaters im Himmel mein Schicksal lenkt!“

Auch unser Lebensschiff ist im neuen Jahr auf einem stürmischen Meer. Der lang anhaltende Sturm der Pandemie bringt es in große Gefahr. Aber auch noch andere Widerwärtigkeiten, finanzielle Engpässe, Sorgen um die Gesundheit, Altersschwächen und unsichere Zukunftsaussichten vergrößern noch den Sturm. Muss man da den Lebensmut nicht verlieren? Gegen das Virus gibt es noch keine Arzneien. Aber gegen unsere Sorgen und Ängste gibt es eine wirksame Arznei. Welche? Der bekannte Ozeanflieger von Hünefeld wurde nach einem Ostasienflug gefragt‚ welche Flugzeuge für Fernflüge die besten seien. Er gab fachmännische Antworten, betonte aber: „Vor allem muss man das Gottvertrauen nicht nur im Munde, sondern im innersten Herzen haben!“ Recht hat er. Die einzige geistige Stärke, die uns im neuen Jahr aufrechterhalten kann, ist ein lebendiges Gottvertrauen. In Gottes Hand liegen alle Möglichkeiten. Machen wir uns die Überzeugung des Dichters Justinus Kerner zu eigen: „Weiß nicht‚ woher ich bin gekommen, weiß nicht‚ wohin ich werd’ genommen. Doch weiß ich fest, dass ob mir ist eine Liebe, die mich nicht vergisst!“

So Manches wird sich im neuen Jahr nicht nach unseren Wünschen richten. Müssen wir deshalb griesgrämig werden und alle Lebensfreude verlieren? Ein Wanderer fragte einen Schäfer: „Wie wird heute das Wetter?“ Der Schäfer antwortete: „So, wie ich es gerne habe.“ Erstaunt fragte der Wanderer: „Bist du ein Wettermacher? Woher weißt du, dass es so sein wird, wie du es willst?“ Da sagte der Hirte: „Ich habe die Erfahrung gemacht‚ dass ich nicht immer das erhalten kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt‚ immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag.“Das Leben wird sich im neuen Jahr nur selten nach unseren Hoffnungen und Wünschen richten. Oft wird scherzhaft gesagt: „Nur vorwärts, es wird schon schiefgehen!“ Wollen wir nicht zynisch werden, nehmen wir uns das Wort des Schäfers zu Herzen. Wir können den Lauf der Welt nicht verändern, dazu sind wir zu klein und zu schwach. Nehmen wir deshalb die Widerwärtigkeiten, denen wir nicht entfliehen können, gleichmütig hin. Gewöhnen wir uns an das Unabänderliche, dann ist es leichter zu ertragen. Falls wir über Mängel klagen und räsonieren, denken wir an das Wort eines klugen Mannes. Er sagte: „Ich habe mich einmal im Leben bitter beklagt, dass ich barfuß war und kein Geld hatte, um Schuhe zu kaufen. Da habe ich einen zufriedenen Mann gesehen, der keine Füße mehr hatte. Seitdem habe ich nie wieder geklagt.“

Schauen wir nicht nur auf die, denen es besser als uns geht und die dennoch unzufrieden sind. Schauen wir auf jene, denen es schlechter als uns geht und die dennoch den Lebensmut nicht verlieren.Ein Schaf fand ein Loch im Zaum und kroch hinaus. Es freute sich seiner Freiheit. Da merkte es, dass ihm ein Wolf folgte. Es lief und lief, aber der Wolf blieb ihm auf den Fersen. Zum Glück kam der Hirte, nahm es auf die Arme und trug es zurück in die sichere Herde. Das Loch im Zaun aber ließ er offen. Uns allen hält Gott das Loch des freien Willens offen. Wählen wir die Freiheit ohne Gott‚ geraten wir in Gefahr, Opfer des Bösen zu werden. Seien wir fest überzeugt: Auch im neuen Jahr steht Gott uns zur Seite. Benutzen wir die uns geschenkte Freiheit dazu, gerne dem zu vertrauen, von dem der Psalmist rühmend singt: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er leitet mich auf rechten Pfaden!“ Auch im neuen Jahr sei das Gottvertrauen unser Leitstern.