WORT ZUM SONNTAG: Unser Sein und Werden in Gottes Hand

Im Jahre 1787 verhandelte George Washington, der Mitbegründer der USA, mit 55 Genossen über das weitere Schicksal der Vereinigten Staaten. Da erhob sich Benjamin Franklin (1706 – 1790), damals ein Greis von 81 Jahren, und sagte: „Meine Herren, beten wir! Ich habe ein hohes Alter erreicht und je länger ich lebe, umso mehr wird es mir klar, dass Gott das Schicksal der Menschen lenkt. Wenn nicht einmal ein Sperling vom Dache fällt ohne Seinen Willen, wie könnte dann ein Reich aufgerichtet werden ohne Seine Hilfe? Darum noch einmal: Beten wir!“

Würden die heutigen Politiker und Wirtschaftsbosse mit der gleichen Gesinnung an die Probleme unserer Zeit herangehen und mehr auf die Weisheit Gottes als auf die eigene bauen, könnten alle Probleme schneller und zufriedenstellender gelöst werden. Das bekräftigt der heilige Augustinus, einer der größten Denker aller Zeiten: „Gott versteht viel besser als der Mensch, was für jede Zeit passt, was und wem Er etwas zukommen lassen, beifügen, wegnehmen, entziehen, vermehren oder verhindern soll!“ Das Gebet Jesu vor seinem Leiden für die Apostel gilt auch für uns, vor allem für die Entscheidungsträger: „Ich bitte nicht, dass Du sie aus der Welt nimmst, sondern dass Du sie vor dem Bösen bewahrst!“

Lassen wir uns vom heiligen Augustinus überzeugen: „Religion ist überhaupt nicht denkbar, wenn man nicht wenigstens das eine glaubt, dass eine göttliche Vorsehung sorgend über unsere Seele wacht!“ Diese Vorsehung Gottes kann sich sogar durch eine Spinne offenbaren. Der heilige Felix von Nola (+ 310) wurde von römischen Häschern verfolgt. Er sollte wegen seines Glaubens zu Tode gemartert werden. Er floh in die Kluft eines zerfallenen Gemäuers. Kurze Zeit danach spann eine Spinne ihr Netz über die Kluft. Die Häscher kamen und sahen die offene Kluft im Gemäuer. Sie sahen auch das Spinnennetz und gingen weiter. Sie hielten es für ausgeschlossen, dass der Gesuchte hier zu finden sei, wo doch das unbeschädigte Spinnennetz anzeigte, dass niemand die Kluft durchschritten hatte. Gott kann auch ohne Wunder, durch ganz einfache Mittel helfen. Wo Gott nicht hilft, kann eine Mauer zum Spinnengewebe werden.

Über die Vorsehung Gottes erklärt der Kirchenlehrer Ambrosius (340 – 397): „Den Menschen nicht zu erschaffen, wäre kein Unrecht. Aber den Menschen erschaffen und dann sich nicht um ihn kümmern, das wäre höchste Grausamkeit! Welcher Meister vergisst die Sorge um sein Werk? Wer lässt im Stich, was er aus eigenster Güte einmal ins Dasein rief?“

Heinrich Jung-Stilling (1740 – 1817) war Schriftsteller, Augenarzt und ein Freund von Goethe. Er besaß fast nie Geld, aber ein unerschütterliches Gottvertrauen. In Frankfurt war er einmal Gast bei einem Kaufmann. Dieser fragte ihn: „Woher bekommen Sie das Geld zum Studieren?“ Er antwortete: „Ich habe einen reichen Vater!“ „Wie viel Geld haben Sie jetzt?“ war die nächste Frage, „Einen Reichstaler“ war die Antwort. Da sagte der Kaufmann: „Ich bin einer von Ihres Vaters Zahlmeistern!“ Er gab ihm 300 Taler.

Als Goethe ihn einmal besuchte, erfuhr er, dass Jung-Stilling bis zum nächsten Tag 100 Taler haben musste, die er aber nicht besaß. Er war dennoch nicht beunruhigt und sagte: „Ich weiß, dass Gott mir das Geld zusenden wird“. Zwei Tage später fragte Goethe, ob er das Geld erhalten habe. „Ja“, sagte er, „Gott hat mir das Geld geschickt“. Goethe lachte und sprach: „Du Tor! Ich habe dir das Geld geschickt!“ Da sagte Jung-Stilling: „Der Tor bist du! Du hast gar nicht verstanden, dass Gott dich gebraucht hat, um mir aus der Not zu helfen!“

Mit dem Coronavirus schickt uns Gott keine Strafe, sondern einen sehr ernsten Mahnruf, Ihm in unserem Herzen den Platz einzuräumen, der Ihm zusteht. Stimmen wir dem Dichter E. Mörike (1804 – 1875) zu: „Du, Vater, Du rate! Lenke Du und wende! Herr, Dir in die Hände sei Anfang und Ende, sei alles gelegt!“ Unser Sein und Werden liegt in Gottes Hand.