Wort zum Sonntag: Wer wagt, gewinnt!

Im Leben werden wir oft vor die Entscheidung gestellt: „Soll ich oder soll ich nicht?“ Je nachdem, wie wir diese Frage beantworten, verläuft unser weiteres Leben. Die meisten Entscheidungen, die wir zu treffen haben, drehen sich um das tägliche Brot. Es stellen sich uns aber auch Fragen, deren Beantwortungen unseren weiteren Lebenslauf entscheidend beeinflussen. Eine solche tiefgreifende Frage ist: Soll ich die Person, die ich liebe, heiraten oder nicht? Die Beantwortung bestimmt den künftigen Lebenslauf. Gelingt die Ehe, war die Entscheidung gut; gelingt sie nicht, war die Entscheidung voreilig und ungut.

Es gibt aber eine noch weit wichtigere Frage, von deren Beantwortung nicht nur unser kurzes Leben hier auf Erden, sondern unsere ewige Existenz abhängen wird: Soll ich an Gott glauben und mein Leben nach seinen Geboten einrichten oder soll ich mich lieber verweigern? Soll ich nur für diese materielle Welt leben oder auf die von Christus verheißene andere Welt zustreben? Vor diese Frage stellt uns Christus im Matthäusevangelium. Ein Vater sagte zu einem seiner beiden Söhne: „Geh und arbeite heute im Weinberg!“ Der Sohn sagte: „Ja“, ging aber nicht. Da wandte sich der Vater an den anderen Sohn. Dieser weigerte sich. Später reute es ihn und er ging doch. Christus fragte nun die Vorsteher seines Volkes: „Wer von den beiden Söhnen hat den Willen des Vaters erfüllt?“ Sie sagten: „Der zweite Sohn!“ Da warnte sie Christus, dass die Zöllner und Dirnen, die sich anfangs Gott verweigert und sich danach doch bekehrt haben, eher in das Reich Gottes eingehen werden als sie, die Ältesten und Vorsteher, die Gott nur mit frommen Worten, aber nicht mit Taten dienen wollen.

Welche Entscheidung treffen wir? Es hängt nicht allein von unserer Verstandeseinsicht, sondern auch von unserem Willen ab. Unser Heil erlangen wir nicht mit einem überragenden Verstand, sondern mit einem festen Willen. Aus der Geschichte kennen wir mehr als ein Beispiel, wo alte, einst mächtige Königsgeschlechter von der Höhe ihrer Macht herabgesunken sind und zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wurden. So erging es in Frankreich den Merowingern, die im Laufe der Zeit unter die Herrschaft ihrer Hausmeister gerieten. Diese rissen die Macht an sich. Wenn der König nichts taugt, greifen die Emporkömmlinge nach dem Zepter. So geht es auch bei uns gewöhnlichen Menschen. Der Verstand ist der Ratgeber, der freie Wille aber der König im Menschen. Versagt der Wille, dann reißen die niederen Triebe die Herrschaft an sich. Willensschwache Menschen sind machtlos ihren Trieben ausgeliefert.

Der berühmte Erzieher im Mittelalter, Meister Eckehart (1260 – 1327), erzählt von einem Jungen, der, auf die Weisung seiner Mutter hin, eine Ziege auf die Weide führte. In ihrem Hunger nach Futter zog sie den Jungen mit einem Strick sogar durch ein Dornengestrüpp. Die Dornen stachen ihn. Da rief er weinend aus: „Die Mutter hat gesagt, ich soll dich führen und du führst mich!“ Das ist das treffende Bild eines Menschen, der sich von seinen niederen Leidenschaften führen und ziehen lässt. Er soll doch als Herr und Meister sie beherrschen.

Keinem Verlierer wird ein Ehrenplatz reserviert. Helmuth Moltke (1800 – 1890), Generalfeldmarschall Preußens, schlug 1866 die Österreicher entscheidend bei Königgrätz. Beim Einzug in Berlin gab es stürmische Kundgebungen der Begeisterung. Da sagte er zu dem neben ihm reitenden General: „Was würden wohl dieselben Leute sagen, wenn wir bei Königgrätz geschlagen worden wären?“ Wir jubeln nur Siegern zu. Vergessen wir nicht dabei, dass auch wir Sieger werden wollen, nicht über die Österreicher, sondern über unsere ungeordneten Leidenschaften. Dieser Sieg ist für uns der Allerwichtigste. Das geht aber nur, wenn wir uns, wie der zweite Sohn im Evangelium, ganz in den Dienst Gottes stellen. Der Dichter Schiller ermuntert uns: „Wer nichts wagt, der darf nichts hoffen!“ Halten wir uns auch an den Spruch der Volksweisheit: „Das Glück lässt sich nicht jagen von jedem Jägerlein: Mit Wagen und Entsagen muss es erstritten sein!“ Mit anderen Worten: Nur wer wagt, gewinnt!