Zugebissen: Der Roadrunner schlachtet das Schaf

Alle kennen die Zeichentrickfilme mit dem als „Roadrunner“ bekannten Vogel, welcher ständig von einem Kojoten verfolgt wird. Alles, was der Kojote unternimmt, wird zum Misserfolg. Was er auch versucht und wie detailliert er auch plant, den Roadrunner zu fassen – es will einfach nicht gelingen. Im übertragenen Sinne erinnern mich in den letzten Tagen diese Zeichentrickfilme an die Beziehung zwischen den rumänischen Politikern und Amtsträgern und den Medien einerseits sowie den Bürgern dieses Staates andererseits. 

Jeder Versuch, einen Verantwortlichen, egal ob Frau oder Mann, zur Rede zu stellen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Es ist, als ob diese Personen einen siebten Sinn für unangenehme Fragen entwickelt hätten – und wenn sie Gefahr wittern, verkriechen sie sich schneller als eine scheue Feldmaus in ihrem Bau. Wie bei dem Kojoten ist die Ausdauer mancher rumänischer Investigativ-Publikationen zu bewundern. Sie geben nicht auf und nehmen immer wieder Anlauf, in der Hoffnung, auch nur für einen kurzen Augenblick die entsprechende Person zu einer Aussage zu bringen. Manchmal gelingt das sogar. 

Doch dann kommt die wundersame Wandlung: Unsere scheue Feldmaus mutiert zum erschrockenen Vogel Strauß und steckt den Kopf in den Sand. Da kommen Antworten wie: „Ich habe es nicht gewusst“, „Ich wurde nicht informiert“, „Es befindet sich nicht in meinem Aufgabenbereich“, usw. Wenn auch diese Antworten nicht helfen, greift man schnell zur Verschwörungstheorie. Perfektes Beispiel dazu lieferte Florentin-Constantin Pandele, der Bürgermeister von Voluntari, der im Skandal um die Altersheime behauptete, dass in dem von ihm geleiteten Bürgermeisteramt Personen arbeiten würden, die von seinen politischen Gegnern angestiftet wurden, ihn nicht entsprechend zu informieren, um seine Wiederwahl zu verhindern. 

Im Allgemeinen ist es ein für das „Guinness-Buch der Rekorde“ würdiges Kuriosum, wie wenig rumänische Politiker und Politikerinnen über ihre eigene Tätigkeit wissen. Es ist, als ob sie nie handeln würden, ihnen „passieren“ nur Sachen. Mit großen unschuldigen Augen stehen sie vor den Medien da, wie das berüchtigte Kalb vor dem neuen Tor. 

Während die, die sich an der Macht befinden, einen Weg suchen, wieder zum Roadrunner zu werden, um blitzschnell das Weite zu suchen, meldet sich die Opposition zu Wort und versucht, sich die Situation zunutze zu machen. Es werden in den Äther Schlagworte wie „Ehre“, „Ausbeutung“, „Rücktritt“ posaunt, nur um zu zeigen – man ist anders, man ist besser. Beispielhaft dazu ex-Premier Dacian Cioloș, der in einer Zwei-Zeilen-Online-Meldung zum gleichen Skandal, schlussfolgert: „Rumänien braucht einen Präsidenten.“

Alle wissen, dass alle wissen, aber keiner weiß was. So könnte man die Medienauftritte der rumänischen Politik in den letzten Tagen subsumieren. Es ist wie in dem alten Witz aus kommunistischen Zeiten: Ein Bauer will sein Schaf schlachten, was damals illegal war. Also beschließt er, die Prozedur am Dachboden durchzuführen. Um sicher zu gehen, dass sich niemand verplappert, erklärt er seinem Sohn, dass in dem Falle, dass die Securitate erscheint und sich nach ihm erkundigt, er nur so viel zu sagen habe: „Ich bin klein, ich weiß von nichts“. Wie zu erwarten erscheinen die Vertreter des Geheimdienstes und fragen nach dem Bauern. Der Sohn antwortet wie ihm vorgegeben wurde: „Ich bin klein, ich weiß von nichts. Vater ist am Dachboden und schlachtet das Schaf.“