Zugebissen: Einfach nur Mensch sein

Die Redakteure und Praktikanten bei der ADZ, vor allem jene, die aus Deutschland und Österreich kommen, haben seit einiger Zeit eine merkwürdige Angewohnheit: das ostentative Mitbenennen des weiblichen Geschlechts. Als ob es nicht selbstverständlich wäre, dass Menschen auch weiblich sein können. Genügte es früher, z. B. einfach von Bürgern zu sprechen – was männliche, weibliche, LGBT+, große, kleine, dicke, dünne, einheimische, ausländische, weiße, farbige, fröhliche, mürrische, lockige, glatzköpfige, pubertierende, pensionierte etc. automatisch mit einschloss, gehört es seit einiger Zeit nicht nur zum guten Ton, sondern regelrecht zur moralischen Pflicht des Deutschsprachigen (gibt es irgendeine andere Sprache, die sich so etwas antut?), das weibliche Geschlecht als einziges all dieser Attribute extra zu erwähnen... 

Dafür wird sogar die Verunstaltung der Sprache in Kauf genommen: statt Studenten schreibt man jetzt Student:innen oder StudentInnen oder, wenn man das leidige Gendergap vermeiden will, Studierende. Nicht schlecht staunte ich über die Umdefinierung sogar im Duden, demzufolge Studenten auf einmal nur noch Männer sind. 

Das explizite Benennen des Weiblichen verkompliziert nicht nur die Sprache, es unterscheidet auch, wo in einer gleichberechtigten Gesellschaft eben kein Unterschied sein sollte: im Geschlecht. Haben wir als Mensch – als Bürger oder Bürgerin –, oder im Beruf, – als Redakteur oder Redakteurin –, nicht die gleichen Rechte und Pflichten?  Wäre es dann, wenn überhaupt ein regelnder Eingriff in die Sprache sein muss, nicht sinnvoller gewesen, die Geschlechterkennung ganz aufzugeben? Bürger wären wir dann alle, die Bürgerin würde abgeschafft und wenn nötig spezifiziert man: männliche oder weibliche Bürger.

Und: Ist das Pflichtbenennen des Weiblichen nicht eine unnötige Sexualisierung? Es weist Frauen ständig und in allen Bereichen des Lebens darauf hin, sich gefälligst ihres Geschlechts zu besinnen – auch dort, wo es gar nichts zu suchen hat: als Autofahrer, Antragsteller, Kunde, Besucher, Bewerber, etc. Tatsächlich spielt das Geschlecht in den meisten Lebensbereichen keine Rolle. Wenige Ausnahmen: das Schlafzimmer - und Situationen, die mit Scham, sexueller Belästigung oder Gewalt verbunden sind.

In allen anderen Lebenslagen kann es eher nerven, dauernd auf das Geschlecht hingewiesen zu werden. Brauchen wir Sätze wie diesen? „Die Expertinnen und Experten der Jury begrüßten die Autorinnen und Autoren in ihrer Qualität als Beurteilerinnen und Beurteiler ihrer literarischen Werke vor den zahlreich erschienenen Lesern und Leserinnen.“ Kann man z. B. aufgrund des Migrationshintergrunds die Namen nicht zuordnen, gerät man in die Zwickmühle: Vielleicht sind es ja nur Frauen oder nur Männer? Wer unterscheidet, kann viel falsch machen. 

Doch wer wollte sich beschweren? Den jüngeren Frauen hat man in Deutschland, so mein Eindruck, in Gehirnwäsche ähnlicher Manier das Gendern als unbedingt einzuforderndes „Recht“ eingebläut und als solches wird es bisweilen höchst emotionell verteidigt. Den Männern ist wohlgeraten, sich die Kritik lieber zu verkneifen, um nicht als frauenfeindlich zu gelten... Wo bleibt das Recht der Männer an unserer gemeinsamen deutschen Sprache?

Ich persönlich empfinde Gendern als Augenwischerei, als Ablenken von echten Problemen, vor allem aber als Verunstaltung der Sprache. Zwar bin ich gerne Frau – aber ob und wie das zum Ausdruck gebracht wird, sollte man den Frauen schon selbst überlassen. In den meisten Situationen des Lebens wäre ich am liebsten einfach nur Mensch!