Die Universität. Die Alma Mater. Die mit Wissen nährende Mutter. Die, von deren Brust ihre Kinder mit einem Diplom im spezialisierten Milchtrinken scheiden. Die conditio sine qua non für den bevorstehenden Erfolg. Unfassbar in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen. Das Spektrum reicht vom Hort des Wissens und der Forschung bis hin zur Diplomfabrik. Rumänien bildet da keine Ausnahme. Für den ungebildeten bösen Volksmund gilt das gesamte rumänische Universitätswesen als untauglich. Trotzdem entspringen dieser Gebärmutter der Bildung jährlich tausende junge Menschen, die scheinbar wissend die Welt erobern wollen.
Zugleich dürfte dieses Wesen auch als Abbild der Gesellschaft, in der es existiert, betrachtet werden. Ein Abschlussdiplom hat den Wert, den ihm der Träger und die Gesellschaft zumisst. Auch hier ein breites Spektrum, denn das Diplom kann sowohl eine Garantie, eine minimale Anforderung, aber auch nur ein Lappen sein, den man in der hintersten Ecke der untersten Schublade vergisst.
Rumänien braucht Diplome. Typisch rumänisches Paradox: Einerseits wird das Bildungssystem missachtet und beschimpft, andererseits liefern erst die Diplome eine Art Existenzberechtigung. Und das Rennen um Diplome hält viele Rumänen in einem Hamsterrad gefangen. Es braucht Zertifizierungen: für Fortbildungen, für freiwilligen Einsatz, für die einfache Teilnahme, für reale oder erdachte Kompetenzen, für Empathie, für das Meistern des Lebens... Manchmal scheint es, dass sogar das Atmen nur durch ein Diplom unter Beweis gestellt werden kann. Diesen bunten Strauß an Diplomen bindet man dann fachgerecht ins vorgegebene Muster des Lebenslaufs zusammen. Wenn dieser mehr als eine halbe Seite einnimmt, darf man zufrieden dem eignen Spiegelbild begegnen, welches man bis dahin voller Scham gemieden hat. Natürlich steckt in jedem ein Steve Jobs oder ein Bill Gates, der auch ohne Diplom die Welt verändern könnte, weil man aber Diplome erwerben muss, hat man keine Zeit, die Welt zu verändern.
Mit einem Diplom in der Hand ist man ein gemachter Mensch. Das haben die rumänischen Politiker erkannt. Würde man eine quantitative Studie über die in der rumänischen Politik vorhandenen Diplome durchführen, würde man wahrscheinlich feststellen, dass Rumänien eine der am höchsten gebildete Politikerklasse überhaupt hat. Jeder und jede kann mit Diplomen akademische Kompetenzen vorweisen. So viel gebündeltes Wissen hat die Welt wahrscheinlich noch nie erlebt. Doch alles ist für die Katz, wenn es kein Diplom gibt. Nur wer das versteht und verinnerlicht, kann in der Politik im Donau-Karpatenraum etwas taugen. Im glücklichsten Fall hat man sogar eine Hochschule besucht (mit der Betonung auf „besucht“). Will man in der Masse nicht untergehen, lässt man sich eine Doktorarbeit schreiben oder aber, weil man die Kompetenzen ja hat – mit entsprechendem Diplom zertifiziert – trägt man diese aus schon vorhandenen Veröffentlichungen zusammen. Im schlimmsten Fall vergisst man, welche Hochschule man besucht hat und holt aus dem Photoshop-Zauberhut das notwendige Diplom hervor. Dass dieses sogar möglich ist, hat inzwischen Verteidigungsminister a.D. Ionu] Mo{teanu unter Beweis gestellt. Nicht zu vergessen Ex-Premier Marcel Ciolacu, der mehrere Monate nach seinem Bakkalaureatszeugnis suchen musste. Die vermaledeite hinterste Ecke der untersten Schublade. In umgekehrter Richtung: Das riesige Vertrauen, welches sein Studium an der Sorbonne Präsident Nicu{or Dan beschied.
Diplome machen Leute. Ein dreifach Hoch auf den Erfinder des Diploms. Ein Mensch, der im Dunkel der Geschichte verschwunden ist. Einer der großen Unbekannten, die die Welt verändert haben. Hätte er sich nur seine Kompetenz mit einem Diplom zertifizieren lassen, könnten wir ihm Statuen errichten und ihn entsprechend würdigen.





