Zugebissen: Schlangestehen  für Kinder

uf den ersten Blick ist das neue Gesetz, das Schwangeren und Begleitpersonen von Kindern unter fünf Jahren prioritäre Parkplätze und den Vortritt an Kassen und Schaltern privater und staatlicher Institutionen einräumt, sicher eine gute Sache. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Doch ist es nicht so, dass auch ein gutgemeintes Gesetz ins Gegenteil verkehrt werden kann und dann Tür und Tor für den Missbrauch jener öffnet, die es eigentlich schützen soll? In dem Fall junge Mütter, Schwangere und kleine Kinder. 

Stellen wir uns doch mal Folgendes vor: „Schatz, weck die Kleine auf, ich muss dringend zum Baumarkt!“ Oder: „Liebling, raff dich auf, wir müssen noch zum Finanzamt.“ Solche Sätze könnte man bald öfter in rumänischen Familien hören. Denn mit dem neuen Gesetz kann man jetzt bei Mitnahme einer solchen geschützten Person an den extra markierten Parkplätzen direkt vor dem Laden halten und wird an Kassen und Schaltern sofort vorgelassen! Na ja, und weil Einkauf und Behördengänge super stressig sind, muss jetzt erst recht die - schützenswerte - Familie mit, wo früher der Göttergatte solche Gänge vielleicht allein erledigt hätte.

Auch Missbrauch durch die zu Schützenden an schwächeren Schutzbefohlenen ist nicht auszuschließen: „Mama, darf ich mit Oma auf den Spielplatz?“ „Nein, du musst mit mir zum Lidl, sonst krieg ich keinen Parkplatz und muss Schlange stehen!“ 

Firmen werden sich plötzlich um schwangere Angestellte reißen, die man überall zeitsparend hinschicken kann, zur Post, auf Ämter, in den Großmarkt...

Auch Betrugsszenarien sind unschwer vorstellbar: Etwa der Verleih eines Kleinkinds zur Begleitung in den Supermarkt gegen Geld. Bis man im Laden merkt, dass da immer derselbe Knirps mitkommt, hat das geschäftstüchtige Elternteil oder Geschwisterchen davor sicher schon mehr Reibach gemacht als mit steckengelassenen Einkaufswagenmünzen... Und vor überfüllten Parkplätzen werden Dreikäsehochs mit Schildern um den Hals sanft in die Einfahrt geschoben: „Leihkind zum bevorzugten Parken - 5 Lei pro Viertelstunde“.

Vor den Kassen und Schaltern werden sich dann ebenso lange Schlangen bilden, wie zuvor – nur mit viel mehr Kindern, die jetzt auch warten müssen. Und die gebrechliche Oma, die frustriert ganz hinten steht, beginnt zu überlegen, wo sie denn auch so ein praktisches Einkaufs-Vortritts-Kind herbekommen könnte. Denn die Ausrede mit dem Schwangersein wird ihr ja wohl niemand mehr abnehmen...

Ach ja, Schwangere! Wer wird wohl auf die Idee kommen, medizinische Beweise zu verlangen, wenn sich eine deutlich gerundete Frau ächzend an den Schalter vordrängt? Niemand, genau- und deshalb könnten bald bequeme Hängerkleidchen große Mode werden, unter die man ein dickes Kissen schieben kann. Wird es dann wohl böse Wortgefechte geben, wenn die „Scheinschwangere“ von Schlange stehenden Nachbarn oder Freunden erkannt wird? Und: Prüfendes Zwicken in den Kugelbauch – ist das Belästigung oder berechtigte Kontrolle?

So ein Gesetz bietet nicht nur Möglichkeiten, missbraucht zu werden, es wirft auch Fragen auf. Zum Beispiel: Müssen die Pflichtparkplätze für Schwangere und Begleitpersonen von Kleinkindern auch vor Spielhöllen, Kneipen und Sexshops eingerichtet werden? Sprich, dort, wo Schwangere und Kleinkinder eigentlich nichts zu suchen haben?