In Konstanza spitzt sich ein Konflikt zu, der das Ende eines Fußballvereins bedeuten könnte. Der in die zweite Liga aufgestiegene SSC Farul Constanța wurde kurz vor Beginn der neuen Saison seines Stadions beraubt und eine bereits zugesicherte Finanzierung durch die Stadtverwaltung wurde zurückgezogen. Die Ursache für den Konflikt und auch die verschiedenen Interessen sind nicht ganz klar, doch im Mittelpunkt scheint ein lukratives Bauprojekt zu stehen. Die Protagonisten: die organisierten Fans des SSC Farul Constanța, Ex-Nationalspieler Ciprian Marica und die Sozialdemokratische Partei.
Der langjährige Erstligist FC Farul Constanța zog sich im Sommer 2016 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten aus der zweiten Liga zurück und wurde in der Folge aufgelöst. Zur gleichen Zeit gründeten organisierte Farul-Fans den „Asociația Suporter Spirit Club Farul Constanța“, welcher zur Saison 2016/17 eine Mannschaft für die viertklassige Kreisliga meldete. Schon im ersten Jahr gelang dem Verein der Aufstieg in die 3. Liga, in der vergangenen Saison folgte der Aufstieg in die Zweitklassigkeit. Unterstützt wurde der Club zuletzt mit 2,1 Mio. Lei durch die Stadt Konstanza. Eine bereits zugesicherte Folgefinanzierung, die sich bei einem Aufstieg in die 2. Liga sogar noch erhöhen sollte, wurde während der letzten Stadtratssitzungen am 26. und 31. Juli gar nicht erst als Antrag eingebracht.
Zwei Tage zuvor, am 24. Juli, entschied das Ministerium für Jugend und Sport (MTS) das Farul-Stadion mit einem Regierungsbeschluss der Stadt Konstanza zu übertragen. Den Mietvertrag zwischen dem SSC Farul Constanța und dem Ministerium hatte der scheidende Farul-Präsident Adrian Pitu kurzfristig gekündigt. „Um es klar zu sagen, zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Vertrag zwischen SSC Farul und der DJTS Konstanza (Kreisdirektion für Jugend und Sport). Das Ministerium kann keinen neuen Vertrag mehr unterzeichnen, da es das Stadion an das Rathaus von Konstanza übergeben wird“, erklärte ein Regierungsbeamter gegenüber der Sportzeitung „ProSport“.
Noch ist die Stadt nicht Eigentümer, doch in einem Schreiben hat sie bereits das Ministerium aufgefordert, den Fußballverein, der das Stadion momentan ohne Vertrag weiternutzt, zu räumen. Die Farul-Verantwortlichen gehen momentan nicht davon aus, dass die Stadt einen neuen Mietvertrag mit dem Verein eingehen wird. Dass der Aufsteiger sein erstes Saisonspiel am 4. August gegen ACS Temeswar im Farul-Stadion austragen kann, ist fast ausgeschlossen.
Außer dem Fußballverein gibt es keinen potenziellen Nutzer für das Stadion. In einer Pressemitteilung zur Übergabe stellte das Ministerium fest: „Folglich verpflichtet sich die Stadt Konstanza, durch den Stadtrat des Munizipiums Konstanza, die derzeitige Nutzungsart der Immobilie aufrechtzuerhalten (…) Gleichzeitig verpflichtet sie sich das Gebäude zu erhalten, zu modernisieren und an die notwendigen Qualitätsstandards anzupassen.“
Der Grund für die Entscheidung der Stadt, das Stadion nicht wieder an den Verein zu vermieten, wird deutlich, wenn die folgenden Fakten betrachtet werden: Bürgermeister der Stadt ist Decebal Făgădău (PSD). Seine Partei hatte im Juni den Farul-Präsidenten Adrian Pitu, welcher der PSD nahesteht, aufgefordert, mindestens 100 Leute für die Parteidemonstration in Bukarest zu rekrutieren, andernfalls würde die zugesagte Finanzierung nicht genehmigt. Die aktiven Farul-Fans lehnten es ab, sich für die Partei instrumentalisieren zu lassen. Pitu fuhr schließlich mit einer Gruppe aus Konstanza nach Bukarest. Seinen Posten bei Farul musste er daraufhin allerdings aufgeben, doch nicht ohne zuvor eigenmächtig den Stadionmietvertrag zu kündigen. Pikant: Das Stadiongelände im Norden von Konstanza hat einen Wert von mehreren Millionen Euro.
Sorin Mihăilescu, einst führender Farul-Fan in der Kurve und heute SSC-Vorstandsmitglied, berichtete schon vor einigen Monaten, dass das Farul-Stadion vom MTS in den Besitz der Stadt übergehen soll. Mihăilescu vermutet, dass das Stadion einem Immobilienprojekt weichen soll. Nach Angaben von „ProSport“ könnte dieses Projekt einen Wert von 70 Millionen Euro haben. Eine vom Fußballverein unabhängige Quelle hatte der Zeitung, nach eigener Angabe, die Vermutung zum Teil bestätigt. Hinter dem vermeintlichen Immobilienprojekt sollen der ehemalige Nationalspieler Ciprian Marica sowie Constantin Frățilă, ehemaliger Schiedsrichter und einer der größten Baulöwen der Stadt, stehen.
Ciprian Marica hatte am 3. Juli 2018 die Marke „FC Farul Constanța“ für 41.330 Euro vom Liquidator des alten Vereins erworben und besitzt fortan die Nutzungsrechte an Wappen, Farben und Palmarès des langjährigen Erstligisten. Die Fanvereinigung hatte an der letzten Auktion nicht mehr teilgenommen und begründete ihren Schritt damit, dass der Liquidator diese aus dem Bieterverfahren ausschließen wollte. Eine erste Auktion fand bereits am 19. Dezember 2017 statt, allerdings überwies der Gewinner der Auktion, Eugen Palcu, die Versteigerungssumme von rund 1 Mio. Lei nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen 30 Tage. Eine zweite Auktion im März wurde von Seiten des Liquidators ausgesetzt, als einziger Bieter hatte sich der SSC Farul registriert.
Eine emotionale Verbindung zu Farul hat Marica nicht. Er ist in Bukarest geboren und entstammt der Jugend von Dinamo. Zuletzt lehnte er eine Zusammenarbeit mit den Farul-Fans und dem bereits existierenden Verein endgültig ab. In einem Schreiben forderten seine Geschäftspartner die Verantwortlichen des SSC Farul Constanța sogar auf, den Namen „Farul“ abzulegen, da der Verein nicht der Rechtsnachfolger von FC Farul sei. Marica hatte bereits zuvor angekündigt, einen neuen Verein als FC Farul Constanța zu gründen und aufzubauen.
Sorin Mihăilescu vermutete Anfang Juli, dass Marica die Mannschaft von Nicolae Sarcină, den Zweitligisten ACS Energeticianul, nach Konstanza übersiedeln will, um sie als FC Farul Constanța antreten zu lassen. Beiden Thesen von Mihăilescu, auch jener zum Immobilienprojekt, wiedersprach Marica umgehend: „Ich habe mit Herrn Frățilă keine Verbindungen, kein Übereinkommen. Wir hatten lediglich eine Diskussion. Ich wusste, dass er auch an der Auktion teilnimmt und habe ihn angerufen, um mir Informationen geben zu lassen, damit ich weiß, was vor sich geht. Was Herrn Sarcină betrifft, kann ich nur sagen, dass ich ihn nicht persönlich kenne, ich nie mit ihm gesprochen habe und auch nicht weiß woher diese Gerüchte kommen.“ Und tatsächlich: ACS Energeticianul, ursprünglich in Șirineasa gegründet und vor einer Saison nach Petro{ani gezogen, wird weiter im Schiltal/Valea Jiului spielen.
Der Konflikt bleibt undurchsichtig. Versucht Ciprian Marica über den FC Farul Constanța an das Stadiongelände zu kommen oder ist der ehemalige Nationalspieler nur die Legitimationsfigur einflussreicher PSD-Lokalpolitiker, die ihrerseits das Stadion abreißen lassen wollen, um dort Wohngebäude zu errichten? „ProSport“ berichtete zuletzt von anonymen Quellen, die behaupten, dass die Stadt den Bau eines neuen Stadions im Cumpana-Viertel, an der Stadteilgrenze zu Mamaia, plant.
Bei der Suche nach Ausweichspielorten für das erste Ligaspiel gegen ACS Temeswar erhielten die Farul-Verantwortlichen von mehreren Bürgermeistern im Kreis Absagen. Es liegt der Verdacht nahe, dass die PSD angeordnet hat, nicht an den von Fans gegründeten Verein zu vermieten. Eine anonyme Quelle berichtete „ProSport“: „Es ist im ganzen Kreis verboten. Sie sind am Ende. Sie werden keinen Ort für ihre Spiele haben. (…) Es ist eine Anordnung der Partei.“ Horia Țuțuianu, Präsident des Kreisrates, hat diese Vorwürfe zurückgewiesen.
Das MTS hat trotz nicht vorhandenem Mietvertrag kurzfristig die Möglichkeit der Austragung von Ligaspielen genehmigt. Am Montag, den 30. Juli, hat der Rumänische Fußballverband das Stadion allerdings vorläufig nicht für den Spielbetrieb freigegeben. Auf Anfrage der Farul-Fans hat Gheorghe Hagi, Eigentümer von FC Viitorul, das Stadion seines Vereins in Ovidiu dem Nachbarn für das Spiel am Sonnabend gegen ACS Temeswar kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Doch der Konflikt mit den städtischen Behörden könnte in den nächsten Wochen oder Monaten das Ende von SSC Farul Constanța bedeuten. Die Stadionfrage bleibt mittelfristig weiterhin ungeklärt und ohne zusätzliche Finanzierung durch die Stadt scheint ein Aufstieg in die erste Liga ausgeschlossen. Mitte Juli ist zwar Emanuela Gavrilă als Mäzenatin im Verein eingestiegen, doch ob ihre finanziellen Möglichkeiten ausreichen, einen Erst- oder Zweitligisten alleine zu unterhalten, ist fraglich. Aus den Reihen der Vereinsmitglieder ist zu vernehmen, dass sie ihren Verein lieber auflösen, als ihn in die Hände der PSD zu geben. „Uns wurde klar gesagt, dass wir nicht in der zweiten Liga spielen werden, wenn wir den Verein nicht übergeben. Das werden wir nicht tun. Lieber sterben wir stehend, als Knechte der PSD zu sein“, heißt es von einem Gründungsmitglied.
Am 1. Juli mussten bereits Trainer Petre Grigoraș und Vorstandsvorsitzer Akan Memet ihre Posten räumen, da die Generalversammlung ihnen vorwarf, den Verein feindlich übernehmen zu wollen. In Craiova und Bukarest steuert die PSD bereits die Fußballvereine CS Universitatea Craiova und FC Rapid Bukarest.