Solch eine Erfolgsserie hat wohl noch kein Trainer-Gespann im bundesdeutschen Frauenhandball hingelegt: In zwölf Jahren haben die Brüder Herbert und Helfried Müller aus Warjasch/Variaş Meistertitel und Pokale wie Perlen an einer Schnur gesammelt und sind zu den erfolgreichsten Coaches im Frauenhandball avanciert. Von den Trainern, die aus dem Banat und Siebenbürgen stammen, ganz zu schweigen. Eine ähnliche Bilanz hatte bis dahin lediglich der aus Siebenbürgen stammende und inzwischen verstorbene Reinhard Gottschling, der 1982 und 1984 mit der Frauenmannschaft von Bayer Leverkusen jeweils deutscher Meister und gleichzeitig auch Pokalsieger geworden ist.
Die Müller-Brüder haben mit vereinten Kräften bisher neun deutsche Meistertitel gesammelt: drei mit dem 1. FC Nürnberg (2005, 2007 und 2008) und sechs in Folge (von 2010 bis 2016) mit dem Thüringer HC. Hinzu kommen noch vier DHB-Pokal-Siege, je zwei mit Nürnberg und Erfurt. Außerdem sind die Müller-Brüder Challenge-Cup- (2004) und zweifache Super-Cup-Sieger (2015 und 2016) geworden.
Die Erfolge teilen sich die in Temeswar/Timişoara geborenen und in Warjasch Aufgewachsenen brüderlich. Dabei spielen sie stets denselben Part: Herbert (Jahrgang 1962) ist Cheftrainer, Bruder Helfried (Jahrgang 1966) sein Assistent. Doch ihr Engagement beschränkt sich nicht allein auf die Handball-Bundesliga: Herbert ist seit 2004 Bundestrainer der österreichischen Frauen-Nationalmannschaft, Bruder Helfried betreut das österreichische Junioren-Nationalteam. Die Doppelaufgaben können sich die beiden nur erlauben, weil sie sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Aber auch, weil sie den Handball lieben und sich dafür voll einsetzen: „Mein Bruder ist der Techniker, ich der Fanatiker“, sagt Herbert Müller. Im Sommer will Herbert Müller mit der österreichischen Mannschaft das schier Unmögliche schaffen: einen Sieg gegen die haushoch bessere rumänische Nationalmannschaft in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2017 in Deutschland. Bruder Helfried hat mit den österreichischen Juniorinnen schon eine erste WM-Medaille gewonnen und damit einen großen Erfolg verbucht.
Als Vereinstrainer ist den Müller-Brüdern die Erfolgsserie selten gerissen. Ein Beispiel: Als die Handballabteilung des 1. FC Nürnberg 2008 Insolvenz anmeldet, gibt der Mathematiker Herbert die Stelle als Hochschuldozent am Institut für Informatik in Nürnberg auf und folgt zusammen mit Bruder Helfried einem Ruf aus dem siebenbürgischen Kronstadt. Doch die Verantwortlichen des CS Urban Kornstadt können nicht halten, was sie versprechen: Aus dem Vorhaben, eine Spitzenmannschaft aufzubauen, wird mangels Geldes nichts. Die beiden Trainer erhalten lediglich ein Monatsgehalt, halten aber bis Ende 2009 durch, stellen eine sehr gute Mannschaft zusammen und erreichen sogar das Halbfinale im EHF-Pokal, das sie knapp verlieren, weil ein Teil der Spielerinnen nach Ausbleiben des Gehaltes schon aufgegeben hatte.
Damals schlägt Herbert Müller Angebote aus dem Ausland aus, darunter auch eines aus Metz, er will in die Nähe von Nürnberg zurück, wo seine beiden Töchter leben. So kommt er 2010 nach Erfurt zum HC Thüringen.
In der laufenden Meisterschaft mischt der Thüringer HC zwar in der Spitzengruppe der Bundesliga mit, doch Herbert Müller und sein Bruder müssen nach den sechs Meisterfeiern in Folge Abstriche machen. Die HC-Sponsoren sind in erster Linie Landwirtschaftsbetriebe, denen es in letzter Zeit wegen des Preisverfalls der Agrarprodukte schlecht geht und die deshalb nicht mehr so viel Geld wie vorher für den Sport übrig haben. „Seit zwei Jahren können wir uns keine absoluten Spitzenspielerinnen leisten, wir spielen jetzt das Gallier-Dorf, das die Römer ärgert. In unserem Etat stehen jetzt 200.000 Euro weniger als in den Vorjahren.“
Der HC-Cheftrainer sieht in Bietigheim den neuen deutschen Meister im Frauenhandball. Doch an Aufgeben denkt er noch lange nicht. Er will mit der Mannschaft alles geben und seinen bis 2018 laufenden Vertrag erfüllen. Und deshalb hat er erneut attraktive Angebote aus dem Ausland abgelehnt. An einen Wechsel zu einer Herrenmannschaft denkt Herbert Müller auch nicht.
Mit dem Handball ist Herbert Müller als Siebtklässler in Warjasch in Kontakt gekommen. Als Gymnasiast spielt Herbert für das Temeswarer Sportgymnasium Handball. Von 1976 bis zur Umsiedlung nach Deutschland 1980 gehört er zur Jugendmannschaft von Poli Temeswar.
In Deutschland wird er für den FC Augsburg in der Regionalliga Handball spielen. 1985 übernimmt er als Trainer die Turn- und Sportgemeinschaft Augsburg. Elf Jahre lang wird er zusammen mit seinem Bruder die Deutsche Jugendkraft (DJK) Augsburg-Hochzoll trainieren und mit ihr den sportlichen Aufstieg in die Bundesliga schaffen. 1999 wechselt er zum 1. FC Nürnberg, mit dessen Damen-Mannschaft marschiert er aus der Landes-, über die Bayern-, die Regional- und die zweite Bundesliga in die erste Bundesliga. Der Einzug ins Handball-Oberhaus im Frühsommer 2002 nach 88 Pflichtspielen ohne Niederlage und zwei weiteren in der Bundesliga hat Herbert Müllers Mannschaft den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gebracht.