Birdwatching, wie es auf gut Deutsch heißt, wird immer populärer, auch unter den Nicht-Biologen. Entlang der Donauenge bzw. im Donauengpass kommen Vogelliebhaber auf ihre Kosten. Zwischen der Nera-Mündung in die Donau und dem Donaukraftwerk Eisernes Tor I erstrecken sich fast 150 Kilometer pittoreske Landschaft, die zwischen schroffen Kalksteinwänden, rotbraunen Pinienhängen, sandigen Uferplätzen und satten Feuchtgebieten variiert und die es zu Rad oder mit dem Auto zu erkunden gilt. Hier herrscht ein mildes, fast mediterranes Klima, findet sich ein Reptilienparadies und folglich ist es der ideale Futterplatz für viele Vogelarten.
„Alle Vögel sind schon da, / alle Vöglein, alle“ - so der Anfang des bekannten Frühlingsgedichtes von Hoffmann von Fallersleben. Es ist Frühling und ich mache mich in Gesellschaft des Veterinärmediziners Mihai Leu auf den Weg an die Donau. Wir wollen Vögel beobachten. Ich bin Anfängerin im Birdwatching, er erfahrener Tier- und Vogelkundler. Im Frühling kommen Wandervögel hier her, um zu nisten, sie fliegen im Herbst wieder weg, andere wiederum kommen im Herbst in die Gegend und überwintern, wieder andere leben hier das ganze Jahr über. Es gibt ganzjährig etwas zu sehen. Der Frühling aber ist besonders, weil die Vögel sich auf die Brutzeit vorbereiten. Sie werden aktiver, die Männchen beginnen teils spektakuläre, teils komische Balzrituale, werben um die Weibchen und es geht ans Nesterbauen. Der hier häufig anzutreffende männliche Haubentaucher (Podiceps cristatus) beispielsweise bietet dem Weibchen Fische im Schnabel an, um dessen Gunst zu gewinnen.
Von Orawitza fahren wir Richtung Naidăș, einem kleinen Grenzübergang nach Serbien, bleiben aber auf der rumänischen Seite und biegen erst zwei Kilometer weiter vor der Nera-Brücke nach rechts ab und folgen dem Fluss weiter abwärts durch die Dörfer Zlatița und Socol bis zu seiner Mündung in die Donau. Die Nera-Mündung ist in zweifacher Hinsicht beeindruckend. Die so genannte Balta Nera ist ein gewaltiger Golf, ein Naturschutz-Reservat, in dem Vögel nach Futter suchen und um den herum sie nisten. Beeindruckend ist hier aber auch die riesige Anzahl an Plastikflaschen, welche die Donau aus ganz Europa an die Ufer schwemmt. Wir sehen ein Auto der Nationalparkwache, ein Mann sammelt Müll in einen Plastiksack. Man hat fast schon Mitleid, denn sein kleiner Plastiksack wird in diesem Plastikflaschenmeer nicht viel ausrichten.
Jetzt zücken wir die Ferngläser und das Staunen beginnt. Wir sehen Kormorane (Phalacrocorax carbo) und deren kleine Verwandte, Zwergscharben (Microcarbo pygmaeus). Sie sind nicht selten, aber gut zu beobachten, denn es sind relativ große Vögel mit schwarzem Gefieder, die auf den aus der Donau ragenden Ästen und Baumstümpfen sitzen. Aber Vorsicht! Nicht alle Kormorane an der Donau sind echt! Die Parkwache hat an manchen Ästen Plastik-Kormorane angebracht, um darauf aufmerksam zu machen, dass dort ein Platz zur Vogelbeobachtung ist. Meist gibt es an solchen Stellen auch Infotafeln mit Bildern. Also, falls der beobachtete Kormoran allzu still hält, ist es wahrscheinlich keiner! Auch die langhalsigen Reiher sind hier zu sehen, der elegante weiße Silberreiher (Ardea alba) fällt mir auf, Mihai macht mich darauf aufmerksam, dass einige davon Seidenreiher (Egretta garzetta) sind, ich hätte den Unterschied nicht bemerkt. Der Seidenreiher ist aber wesentlich kleiner.
Wir fahren weiter und bleiben immer wieder stehen, steigen aus, gehen zur Donau hinunter und spähen durch die Ferngläser aufs Wasser und die Uferbüsche entlang. Es ist wichtig, beim Birdwatching Kleidung zu tragen, die nicht auffällt, Braun- und Grüntöne sind geeignet, blau, rosa und rot dagegen tabu, um die Vögel nicht zu verschrecken. Wir sehen Scharen von Enten, die niedliche Krickente (Anas crecca) mit ihrem braun-grünen Kopf, die bekannte Stockente (Anas platyrhynchos) und die Schellente (Bucephala clangula). Letztere ist gerade im Frühjahr sehr ruffreudig, der Erpel spritzt zudem während der Balz mit seinen Füßen Wasser nach hinten. Nachdem uns einige Schnappschüsse gelingen, schlagen wir uns durch die Büsche zurück zum Auto. Es mag an unserer Kleidung, den Ferngläsern oder unserem allgemein verdächtigen Aussehen liegen: Als wir am Wegrand zum Vorschein kommen, bleibt sofort ein Auto der Grenzpolizei stehen und fragt nach unseren Papieren und Absichten. Es ist ratsam, den Ausweis mit sich zu führen, wenn man sich hier bewegt. Viel Spaß verstehen die Beamten nicht. Mein Witz, ob ich denn verdächtig aussehe, kommt nicht gut an. Wir dürfen trotzdem unbehelligt weiter.
Der Weg führt durch das wenige Häuser, ein Kloster und zwei Kneipen zählende Dörfchen Basiasch/Baziaș. Einst ein wichtiger Donauhafen, mit Bahnhof und Casino, nun eine Ruine. Die Habsburger lagerten hier Kohlevorräte für die Schifffahrt, 1847 begann der Bau der Eisenbahnstrecke Basiasch-Orawitza, 1856 wurde sie fertig gestellt. Es war die erste Eisenbahnstrecke im südöstlichen Österreich-Ungarn und die älteste auf dem Territorium des heutigen Rumänien. Wir trinken eine Cola und spähen hinaus auf die hier sehr breite Donau. Ein Hund leckt mein Bein. Ich werde melancholisch. Wir fahren weiter durch die Dörfer Divici, Belobreșca und Țușca. Hier spricht man nicht nur Rumänisch, sondern vor allem Serbisch.
Direkt hinter Țușca gibt es ein großes Feuchtgebiet am Donauufer. Mehrere Tafeln machen auf die Vögel aufmerksam, die es vom hölzernen Beobachtungsturm aus zu sehen gibt. Dieser ist zwar schon recht baufällig, wir wagen es trotzdem. Sehen eine ganze Kolonie von Blässhühnern (Fulica atra), mehrere Kormorane und einen eleganten Graureiher (Ardea cinerea) mit den charakteristischen schwarzen Federn am Auge. Über ihnen kreist eine große Rohrweihe (Circus aeruginosus), ein Greifvogel aus der Familie der Habichtartigen, der in Schilfgebieten und Röhrichten lebt. Noch gibt es entlang der Donau genügend solcher Plätze. Neben dem Blick auf die Feuchtgebiete und aufs Wasser lohnt auch der Blick zu den Hügeln, in die Höhe. Wer Glück hat, kann hier einige seltenere Raubvögel wie den Schrei- (Clanga pomarina) und Schelladler (Clanga clanga) sehen, ebenso den Schlangenadler (Circaetus gallicus), dessen bevorzugte Beute es in den Feuchtgebieten an der Donau zuhauf gibt. Neben der Vogelbeobachtung könnte man hier ebenso gut zum Reptilienwatching ausziehen, Vipern und Wasserschlangen suchen, Echsen, Frösche und Schildkröten fotografieren.
Noch seltener sieht man hier auch Seeadler (Haliaeetus albicilla) und den Schmutzgeier (Neophron percnopterus), dessen Bestände in Südeuropa sehr zurückgegangen sind. Ihn hier zu fotografieren wäre ein Höhepunkt, nicht nur für Hobbybirdwatcher. Ein seltener Vogel, den man aber vergleichsweise häufig bei uns an der Donau sieht, ist der Schwarzstorch (Ciconia nigra), ebenso die Brandgans (Tadorna tadorna), die kurz, nur gegen Ende des Winters oder im frühen Frühling, hier vorbei kommt.
Beim Birdwatching braucht man vor allem eines: Geduld. Außerdem ist es wichtig, die Vögel, wenn sie in der Brutzeit sind, nicht zu stören. Wenn man sie beim Nisten überfällt oder den Nestern, selbst in Abwesenheit der Vogelmutter, zu nahe kommt, werden sie aufgegeben. Wir nähern uns nun Alt- und Neumoldova und nehmen den Weg zurück Richtung Orawitz. Für einen Tag haben wir genug erspäht und gehört. Denn zum Birdwatching gehört auch das Zuhören, das Erkennen der einzelnen Vogelstimmen. Bald kommen wir aber wieder auf Vogelpirsch, auf der selbstverständlich nur Bilder geschossen werden.
(Fortsetzung folgt!)