Der Goldstrand, eines der bekanntesten Reiseziele an der bulgarischen Schwarzmeerküste, war auch in diesem Sommer gut besucht. Die rund 70 Hotels in der Nähe des dreieinhalb Kilometer langen Strands mit dem feinen Sand empfingen Gäste aus aller Welt, wobei jene aus dem Nachbarland Rumänien besonders zahlreich waren. Das „All inclusive“-Konzept, ein Erfolgsrezept des bulgarischen Badetourismus, hat nach wie vor seine Anhänger und bedeutet letztendlich eine starke Konkurrenz für die rumänische „Litoral“-Schwarzmeerküste. Was man aber wissen sollte: wer eine genaue Übersicht seiner Kosten haben will, muss beachten, dass am größten Teil des Strandes pro Tag für einen Liegestuhl und einen Schirm je zwölf Leva (circa sechs Euro) zu zahlen sind. Selbst zu Saisonende galten diese Preise, was zur Folge hatte, dass die Reihen mit Liegestühlen und Schirmen leer blieben und dass an den „freien Zonen“ entsprechend großer Andrang herrschte. Das Klischee als „Balkan-Ballermann“ entspricht inzwischen nur noch teilweise der Wahrheit, denn zum Partytourismus, den vor allem Jugendliche bevorzugen, gesellt sich zunehmend der Familientourismus.
Wer aber nicht ausschließlich in der Sonne liegen will oder kann, wer außer Baden und Schwimmen auch gern wandern würde, der muss nicht viel suchen. Hier zwei Vorschläge: der eine zu einem Spaziergang in Warnas Stadtpark; der andere zu einer leichten Wanderung im benachbarten Naturpark.
Das Aladscha-Felsenkloster
Der Naturpark Goldstrand liegt sehr nahe an der Küste. Durch ihn führen mehrere Wanderwege, die problemlos auch von Familien mit Kindern benutzt werden können. Was schwieriger erscheint ist, das Auffinden der Stelle, wo diese Wege beginnen. Sie ist vom Badeort aus nur durch ein ziemlich verrostetes Schild gekennzeichnet, das man als Hinweis für Wanderer leicht übersehen kann. Es befindet sich auf der linken Seite der Straße, die den Badeort umgeht und die von Warna nach Albena und Baltschik führt.
Der mit blauem Streifen gekennzeichnete Wanderweg führt in rund einer Stunde zum Höhlenkloster Aladscha. Was auffällt sind, die zahlreichen Schlingpflanzen, die sich um die Bäume ranken. Alles erscheint in einem üppigen, dichten Grün, das man eigentlich in einem Gebiet, wo Niederschläge seltener sind, nicht erwartet hätte. Den Naturpark gibt es seit 1943. Er ist also älter als der gleichnamige Touristenort. Seine Fläche beträgt 1300 Hektar, sein höchster Punkt erreicht 268,7 Meter Höhe.
Eine eigenartige Sehenswürdigkeit auf dem Weg zum Kloster sind fünf als Quellen eingerichtete Wasserrohre. Über jedem steht eine Jahreszahl, die für die Geschichte Bulgariens als Meilenstein gilt. Mit Rot gekennzeichnet sind jene Jahre von geschichtlichen Ereignissen, die sich positiv ausgewirkt haben (z.B. Staatsgründung oder Erklärung der Unabhängigkeit), Schwarz steht für Jahre, die eine schwere Zeitspanne für das Land und seine Bevölkerung eingeleitet haben (z.B. Beginn der türkischen Herrschaft). Dort, wo gute Zeiten begannen, sprudelte das Wasser lebhaft hervor; im Gegenzug, wo schwere Zeiten zu verzeichnen waren, kam nur ein spärliches Rinnsal aus der Erde. Errichtet wurde dieser Brunnenkomplex 1981. Heute sind sämtliche Quellen versiegt. Das Wasser hat nebenan einen neuen Weg an die Oberfläche gefunden.
Das Aladscha-Kloster ist das bekannteste Felsenkloster an der Schwarzmehrküste. Es besteht aus zwei Ebenen in einer rund 40 Meter hohen Felswand aus Kalkstein, zu denen man über ein Außen-Treppengeländer hochsteigt. Hier wurden Mönchszellen, Speiseraum und Küche, Wirtschaftsraum, ein kleiner Friedhof mit Ossarium wahrscheinlich schon im 11. Jahrhundert ausgehöhlt und von Eremiten bewohnt bzw. genutzt. In der oberen Ebene kann die Klosterkapelle besichtigt werden. Nach der osmanischen Besetzung Bulgariens verfiel dieses Kloster, als dessen Schutzherr der Heiland angesehen wird, zunehmend, so dass es Ende des 16. Jahrhunderts endgültig aufgegeben wurde und bis um die Jahrhundertwende 1900 in Vergessenheit geriet. Der arabisch-persische Name „aladja“ wird mit „bunt“ übersetzt und wird mit den einstigen Wandgemälden erklärt, die aber heute nur noch schwer erkennbar sind. Wie das Kloster einst ausgesehen haben könnte, wird in einem modernen, als Museum eingerichteten Nebenbau dargestellt. Rund 700 Meter vom Kloster entfernt, stößt man auf noch ältere frühchristliche Spuren (6.-7. Jh) einer Besiedlung in kleinen unterirdischen Räumen („Katakomben“).
Das ehemalige Kloster, das von Mai bis Oktober zwischen 9 und 17 Uhr täglich geöffnet ist (Eintritt: 5 Leva), zieht viele Besucher aus der ganzen Welt an. Ungewöhnlich und eigenartig ist ein Hinweis für die zahlreichen Gläubigen, die dort Zettel mit Wünschen und Fürbitten in den Spalten der Felsen hinterlassen. Diese müssen in eine Art Briefkasten am Treppenaufgang geworfen werden. Sonst seien sie ungültig, heißt es. Zettel sind trotzdem überall verstreut, wohl in der Überzeugung, dass göttlicher Beistand sich nicht von einer amtlichen Verfügung annullieren lässt.
Der Meeresgarten: Primorski-Park
Vom Goldstrand aus erreicht man das rund 17 Kilometer entfernte Warna am einfachsten mit einem Bus der Linie 409. Ein Spaziergang durch den rund vier Kilometer langen Park oder „Meeresgarten“ (Primorski bedeutet „Park am Meer“) lohnt sich auf jeden Fall, denn dort kann man schön gepflegte Blumenbeete ent-lang der Alleen bewundern, das Delfinarium, das Aquarium oder den Zoo besichtigen, ins Schiffs- oder ins Naturkundemuseum gehen oder sich das Kopernikus-Planetarium anschauen. In der Kinderecke werden sich die Kleinen bestimmt nicht langweilen. Wer sportliche Tätigkeiten bevorzugt, kann im Park joggen, Tennis spielen oder sich im Schwimmbad entspannen. Ein Freilichttheater wartet ebenfalls auf Zuschauer. Kleine Cafés und Restaurants, manche mit schönem Ausblick direkt aufs Schwarze Meer können in diesem reichen Angebot nicht fehlen. Wenn noch Wünsche offen bleiben, so gibt es dort auch eine Holzbrücke für Fußgänger. Wer sie mit geschlossenen Augen überquert, ohne das Geländer zu berühren, dem werden seine Wünsche erfüllt, heißt es. Weil das manchen vielleicht zu banal erschien, ist bald eine zusätzliche Bedingung hinzugefügt worden: Die Brücke sei wie beschrieben zu passieren - aber im Rückwärtsgang!
Der Meeresgarten war ursprünglich 1862 tatsächlich als städtischer Garten gedacht worden, weil dort Gemüse angebaut und Obstbäume gesetzt wurden. 1895 wurde auf Einladung des Bürgermeisters Michail Koloni der Garten dann nach Entwurf des tschechischen Landschaftsarchitekten Anton Novak komplett umgestaltet. Er war es, der den Judasbaum (Cercis siliquastrum) aus der Region Preslav gesetzt hat. Trotz seines Namens (es soll der Baum sein, an dem Judas sich erhängt hat, deshalb seien seine einst weißen Blüten aus Scham rot/rosa geworden) ist dieses farbenprächtige Blütengehölz in Warna sehr beliebt.
Heute gilt der Primorski Park als der größte Landschaftspark auf dem Balkan. Viele Bewohner von Warna, zahlreicher als die Touristen, sind dort anzutreffen, denn der Park ist für sie der ideale Ort für Erholung, Unterhaltung, sportliche Betätigung und Begegnungen. Touristen können, anschließend an einem Rundgang durchs nahe gelegene historische Stadtzentrum oder einfach Flanieren, rund zwei angenehme und entspannende Stunden für diesen besonderen Park einplanen.