Frankfurter „Äppelwoi“, grüne Soße, Spaziergang durch Alt Sachsenhausen und eine romantische Fahrt mit der Nerobergbahn – einerseits die klassische Tourismusroute. Es gibt aber noch: einen Rundgang durch das Rotlichtmilieu im Frankfurter Bahnhofsviertel, gesundes Mineralwasser aus Wiesbaden, der Stadt, wo Dostojewski sein Geld verspielte, und die Beschleunigungsanlage für Ionenstrahlen in Darmstadt. Wer also bei der Region Frankfurt Rhein-Main nur an Flughafen und Finanzmetropole denkt, verpasst vieles. Zahlreiche Attraktionen, kleine und größere Städte sowie verschiedene Landschaften, die - gruppiert um das „Metropölchen“, wie die Frankfurter zu sagen pflegen - Frankfurt Rhein-Main einen besonderen Charme verleihen.
Die Touristin fällt von Weitem auf. Durch den Fotoapparat, die Ruhe, den langsamen Gang. Doch vor allem durch die lässige, bequeme Kleidung. Denn Sonnenmützen, Fotoapparate, Rucksäcke und bequeme Schuhe fallen im Frankfurter Bankenviertel auf. Es sind meist die Anzüge, die weißen Hemden und die schwarzen Laptoptaschen, die das Umfeld dominieren.
In der U-Bahn, auf dem Gehsteig, im Café, zwischen Skylines und Wolkenkratzern: Der Anzug scheint überall passend zu sein. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) mit ihren 22.000 Buchstaben pro Seite – ein verbreitetes Accessoire. Es kommt nicht von ungefähr, dass die FAZ zu einer der besten und elegantesten Zeitungen der Welt gewählt wurde.
Entspannen kann man hier unter einem Baum, auf dem grünen, gepflegten Gras und im Schatten des großen Euro-Symbols, das in unmittelbarer Nähe der Innenstadt thront und an die Bedeutung der Stadt erinnert: das deutsche Zentrum der Finanzen und Banken.
Die größte Hoteldichte der Welt
Man würde meinen, in der „Bankenstadt“ Frankfurt sollte man sich auf Hektik und Lärm gefasst machen. Obwohl die Stadt rund 680.000 Einwohner zählt, dazu noch 270.000 Pendler, und hier über 250 Banken aus der ganzen Welt einen Standort betreiben, ist es erstaunlich ruhig. Und obwohl das Bahnhofsviertel Frankfurts das Viertel mit der größten Hoteldichte der Welt ist und hier 90 Prozent der deutschen Aktien gehandelt werden, wirkt die Stadt entspannt. Eben das beeindruckt.
Diese Ruhe verleiht der Bankenstadt Charme und eine gewisse Originalität, eine bescheidene Wärme und Offenheit. Wenn der Tourist vor einem Wolkenkratzer aufblickt, so spiegelt sich in dessen Fenstern meist ein schön verziertes Haus im Altbaustil.
Die ungewöhnliche Mischung von Kontrasten hat einen eigenen Reiz. Kontraste, die sich immer wieder ausgleichen: Einerseits das schicke Alt Sachsenhausen, das beliebteste Stadtviertel bei Touristen. Andererseits, das Rotlichtmilieu in der Nähe des Bahnhofs, das meist auch in den Stadtrundfahrten als Attraktion präsentiert wird.
Einerseits, die Hektik der Frankfurter Wertpapierbörse – die viertgrößte der Welt. Andererseits der Spaß der Touristen, während sie sich mit dem „Bullen und Bären“ am Frankfurter Bullenmarkt fotografieren lassen. Diese beiden Tiere werden in der Sprache der Börsianer verwendet, um Grundhaltungen zum weiteren Kursverlauf auszudrücken. Ein Bär ist jemand, der auf fallende Kurse setzt, während der Bulle mit steigenden Kursen rechnet.
Der Kampf zwischen Bullen und Bären ist ein Sinnbild, das aus dem Angriffsverhalten der Tiere übernommen wurde. Der Bulle stößt mit seinen Hörnern von unten nach oben, während der Bär mit seiner Tatze von oben nach unten schlägt. Bärenmarkt und Bullenmarkt sind einander entgegengesetzt. Zusammen bewirken sie, dass sich die Börsenwelt dreht und die Kurse steigen und fallen.
152 verschiedene Sprachen
Es handelt sich bei Frankfurt viel mehr um eine EU-Stadt, als um eine deutsche Stadt. „152 verschiedene Sprachen werden in Frankfurt gesprochen“, sagt die Frankfurterin Verena Röse, die als Reiseleiterin arbeitet, und fügt hinzu: „Die Stadt ist sehr international. Ein Viertel der Einwohner hat keine deutsche Staatsangehörigkeit“. Dies kommt vor allem in der pulsierenden Innenstadt zum Vorschein: Die südkoreanische Verkäuferin von Starbucks spricht über ihre ungarische Kollegin, ein Plakat in der Nähe des Bahnhofs kündigt einen Abend mit rumänischer Musik an, die Betreiberin der Wäscherei an der Münchnerstraße kommt aus Afrika, einer ihrer Kunden spricht über sein Heimatland, die Ukraine.
Das „Metropölchen“ in der Mitte Deutschlands – und hiermit in der Mitte Europas, wie die Frankfurter zu sagen pflegen – scheint allen etwas anbieten zu können. Für Joborientierte ist sie ein „Sprungbrett für ihre Karriere“, meint Röse.
Für den klassischen Touristen sind der Kaiserdom, das Geburtshaus von Johann Wolfgang von Goethe – Ort der Entstehung von Werken wie „Die Leiden des jungen Werther“ oder die Anfänge von Faust – und Alt Sachsenhausen, der größte Stadtteil Frankfurts, attraktive Ziele. Besonders bekannt für die Apfelwein-Wirtschaften, wo man das hessische Nationalgetränk „Ällelwoi“ genießen kann, ist Alt-Sachsenhausen auch durch seine Ballung an Gaststätten ein Anziehungspunkt für Frankfurts Besucher.
Mit der Binding-Brauerei und der benachbarten, 2001 stillgelegten Henninger-Bräu ist der Stadtteil zugleich ein traditioneller Brauereistandort.
Kulturfreunde können das berühmte Museumsuferfest besuchen – eine seit 1988 alljährlich am letzten Wochenende im August stattfindende Kulturveranstaltung mit inzwischen weit über Frankfurt hinausreichender Anziehungskraft.
Das Ereignis hat seinen Namen vom Museumsufer bekommen, einer in den 80er-Jahren geprägten Bezeichnung für die mehr als 20 Museen zu beiden Seiten des Mains. Jährlich besuchen über drei Millionen Menschen das größte Fest im Rhein-Main-Gebiet. Vor allem das breite Angebot an Livemusik unterschiedlichster Stilarten und die vielen multikulturellen Imbiss-Stände locken tagsüber ein eher älteres, abends ein zunehmend junges Publikum an.
Senckenbergmuseum und „Freßgass“
Als besondere Attraktion für Klein und Groß bietet sich das imposante Naturkundemuseum Senckenberg an. Auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern werden hier weltweit einzigartige Exponate präsentiert.Das Senckenbergmuseum beherbergt die umfangreichste Dinosaurier-Ausstellung Deutschlands. Aus jeder der fünf Hauptgruppen sind mindestens zwei Vertreter zu sehen.
Auch für Feinschmecker gibt es in Frankfurt eine Besonderheit: die sogenannte „Freßgass“, die bekannte Fußgängerzone in der Frankfurter Innenstadt mit vielen Cáfes, Restaurants und Delikatessengeschäften.
Wer hingegen für ein paar Tage von Skyline und Metropole-Stimmung abschalten will, dem bieten sich attraktive Ziele, die vom Zentrum aus in kürzester Zeit zu erreichen sind. Im Westen und Süden liegen die berühmten Weinberge des Rheingaus und von Rheinhessen. Zur Erholung laden die Berge und Höhen des Taunus, des Vogelsberges und des Odenwaldes ein. Gemütliche Stadtrundfahrten kann man in den Städten Mainz und Idstein unternehmen.
Wiesbaden – Beliebtes Ausflugsziel
Weitere Städte in der Umgebung locken als Ausflugsziele: Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden zieht mit ihren über zwanzig Thermal- und Mineralquellen immer mehr Besucher an. Die Stadt war früher wegen ihren luxuriösen Kasinos Treffpunkt vieler Spielsüchtigen. Hier soll der bekannte russische Schriftsteller Dostojewski einst sein Geld verspielt haben.
Wiesbadener pflegen daher oft zu sagen, bei dem fiktiven Kurort „Roulettenburg“ aus seinem Roman „Der Spieler“ ließe sich an Wiesbaden denken, wo der Schriftsteller selbst erstmals Roulette spielte. Auch hier scheinen sich verschiedene Baustile harmonisch verflochten zu haben: So kann man das Alte Rathaus aus der Renaissance, die Bergkirche und die Bonifatiuskirche im neogotischen Stil, sowie die Lutherkirche im Jugendstil bewundern. Zugleich bietet sich in Wiesbaden die Gelegenheit eines Fahrerlebnisses der besonderen Art: mit der ältesten mit Wasserballast betriebenen Drahtseil-Zahnstangenbahn Deutschlands – der Nerobergbahn. In dem nostalgischen Bähnchen taucht man für einige Minuten in die Vergangenheit ein.
Darmstadt – Reiseziel für Forscher
Doch auch für Touristen anderer Art hat die Region vieles zu bieten, vor allem für Wissensdurstige und Forscher. Eine besondere Attraktion ist das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, das eine weltweit einmalige Beschleunigungsanlage für Ionenstrahlen betreibt. Forscher aus aller Welt nutzen die Anlage für Experimente, durch die sie faszinierende Entdeckungen in der Grundlagenforschung machen.
Darüber hinaus entwickeln sie immer wieder neue und eindrucksvolle Anwendungen. Die bekanntesten Resultate sind die Entdeckung von sechs neuen chemischen Elementen und die Entwicklung einer Tumortherapie mit Ionenstrahlen.
Zugleich gibt es in Darmstadt auch das ESOC, Europas Satellitenkontrollzentrum, das bislang über 60 Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) operationell betreut, wie Huygens, Mars Express, Rosetta, Envisat, GOCE, Herschel/Planck, usw. Das ESOC in Darmstadt ist für die Entwicklung der Bodensegmente und der entsprechenden Dienste zuständig und sorgt für den reibungslosen Betrieb der Satelliten im Orbit.