Nach dem Frieden von Sathmar im Jahre 1711 initiierte Graf Alexander Károlyi mit kaiserlicher Genehmigung die Anwerbung vornehmlich katholischer Siedler aus Oberschwaben. Bis in das 19. Jahrhundert kamen so Tausende Kolonisten in die Region Sathmar. Im Rahmen dieser Siedlungsgeschichte entstanden über 30 sog. sathmarschwäbische Ortschaften. 2021/22 gab das Regionalforum Nordsiebenbürgen zwei Bände heraus, die bisher 23 dieser Ortschaften vorstellen.
Bildegg: Der Kürbis und der gute Wein
Die Gemeinde Bildegg/Beltiug ist auch über die Grenzen des Landeskreises Sathmar hinaus bekannt. Das Dorf befindet sich etwa 35 Kilometer südlich von Sathmar/Satu Mare und ist vor allem für Weinliebhaber einen Besuch wert. 1730 ließen sich die ersten schwäbischen Siedler in Bildegg nieder und brachten neben ihrer Sprache, Kultur und ihren Fertigkeiten auch die Kunst des Weinbaus mit in ihre neue Heimat. So wurde Bildegg zu einem Zentrum für die Weinbauwirtschaft in der gesamten Region, die zum maßgeblichen wirtschaftlichen Antriebsfaktor wurde.
Die Weinkultur in der Region ist jedoch wesentlich älter, sofern man einer Legende glaubt. Sie besagt, dass sich der ungarische König Ladislaus I. im Jahre 1085 während einer Schlacht am Rande der heutigen Ortschaft ausruhte. Dem erschöpften König wurde von Soldaten ein mit Wein gefüllter Kürbis angeboten. Der König wunderte sich sehr über den aromatischen Kürbis und fragte scherzhaft, was für ein Kürbis dies denn sei? Der Name der Ortschaft lässt sich angeblich durch dieses Ereignis ableiten. Bildegg, heißt auf Ungarisch „Béltek“ („bél“ = das Innere, der Inhalt und „tek“ eine Variante des Wortes „tök“ = Kürbis).
Früher gab es in Bildegg noch Weinberge auf einer Anbaufläche von etwa 300 Hektar. Jede Familie verfügte über einen eigenen Weinberg. Heute wird in Bildegg noch auf etwa 60 Hektar Wein angebaut, die größtenteils durch EU-Förderung entstanden. Der produzierte Wein musste jedoch auch gelagert werden. So entstanden unterirdische Weinkeller, die über die richtigen Temperaturen verfügten, um den Wein möglichst lange haltbar zu machen. Die ältesten Weinkeller in Bildegg sind über 200 Jahre alt. Weinkeller kann man eigentlich bis heute in vielen schwäbisch geprägten Dörfern und Gemeinden in der Region vorfinden. Die Besonderheit in Bildegg ist jedoch, dass es immer noch eine relativ große Anzahl an genutzten Weinkeller gibt und sich daraus ein Weinkellerdorf entwickelt hat. Im Dorf befinden sich gegenwärtig noch etwa 380 Weinkeller. 80 Prozent dieser Weinkeller sind bis heute in Gebrauch. Dies ist einzigartig in ganz Nordsiebenbürgen. Die Weinkeller bergen nicht nur trinkbare Schätze, vielmehr sind sie Zeugnisse der reichhaltigen Weinkultur. Biegt man an der im gotischen Stil errichteten katholischen Kirche, die ebenfalls sehenswert ist, links ab, so führt eine zunächst asphaltierte Straße hinauf zu den Bildegger Weinkellern. Zu Fuß kann man sie hügelaufwärts erkunden. Spaziert man durch das Weinkellerdorf, so begibt man sich auch auf eine Zeitreise, an deren Ende man mit einem traumhaften Blick belohnt wird. Man sieht alte Weinkeller neben renovierten, die teils auch mit Wochenendhäusern überbaut wurden. Einige Keller sind bis zu über 30 Meter tief in die Hügel gegraben. Mit etwas Glück trifft man auf einen offenen Keller und kommt mit den Besitzern ins Gespräch. Die Bildegger sind stolz auf ihren Wein. So ergibt sich gelegentlich die Gelegenheit zur Verkostung. Gelangt man oben an, so ergibt sich ein wunderbarer Blick über die spalierförmigen Weinstöcke in den Weinhügeln. Die Bedeutsamkeit des Weinbaus zeigt sich auch an der Errichtung der Urban-Kapelle in den Bildegger Weinbergen. Man kann sie fußläufig durch die Weinberge erreichen.
Mit dem Weingut Brutler und Lieb sowie der Familie Hetei verfügt die Gemeinde über zwei größere Weinkellereien, die auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind und bereits für ihre Weine prämiert wurden. Mit Voranmeldung kann man die Weinkellereien besuchen und den hervorragenden Wein in schönem Ambiente verkosten. Jährlich veranstaltet die Gemeinde im Sommer ein Weinfest.
Erdeed: Wo einst Petöfi heiratete
Die deutsche Geschichte von Erdeed/Ardud beginnt 1726, als die ersten 15 Siedler aus Württemberg die Gemeinde erreichten. Sie blieben jedoch nicht und zogen weiter. Damit war das schwäbische Ansiedlungsprojekt jedoch nicht gescheitert. In den folgenden Jahrzehnten zogen neue Siedler, mehrheitlich Schwaben, nach Erdeed. Mit dem Zuzug der neuen Siedler prosperierte die Ortschaft.
Seit 2003 ist Erdeed verwaltungsrechtlich eine Kleinstadt. Sie ist vor allem durch ihre Burgruine bekannt, die man innerorts auf der linken Seite erblickt. Die Burg hatte ihren Ursprung Anfang des 16. Jahrhunderts. 1565 wurde sie infolge der Auseinandersetzungen mit den Türken zerstört. Die verfallene Ruine wurde ab 1730 vom Grafen Sándor Károlyi von Grund auf erneuert. Was davon heute am Rande der Stadt noch sichtbar ist – vor allem eine der beiden Bastionen –, das ist diesem Wiederaufbau und den sukzessiven Reparaturen an der Burg zu verdanken, die bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts andauerten. In der Kapelle dieser Burg fand 1847 die Hochzeit des ungarischen Nationaldichters Sándor Petöfi mit Júlia Szendrei statt. Die Burg verfiel im Zweiten Weltkrieg wieder zu einer Ruine. Sie wird jedoch jährlich mit einem Mittelalterfest wieder zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt.
Kaplau: Letzte Ruhestätte einer Adelsfamilie
Das Dorf Kaplau/Căpleni liegt am Ufer der Crasna und befindet sich nur etwa vier Kilometer nördlich von Großkarol/Carei. Schwäbische Siedler erreichten Kaplau bereits mit dem ersten Siedlertreck, welcher 1712 in Großkarol ankam. Das Dorf zählt damit zu den ältesten, mit Schwaben besiedelten Gemeinden des Sathmarlandes. Im Schatten eines unscheinbaren Dorfes findet man hier jedoch eine besondere Sehenswürdigkeit. In Kaplau befindet sich eine Dorfkirche mit angeschlossenem Kloster, die ihresgleichen sucht. Die – für diese Gegend untypisch – im neuromanischen Stil gebaute Dorfkirche, verfügt über eine lange und interessante Geschichte. Urkundlich geht die Gründung der Kirche und eines Klosters in Kaplau auf das Jahr 1080 zurück. Das Kloster erreichte um das Jahr 1272 eine Blütezeit. Zunächst hatten Mönche des Benediktinerordens dort gelebt. Danach waren es bis heute Franziskaner. In den Quellen aus dem Jahre 1479 wird von einer zweitürmigen Kirche berichtet, die als eine romanische Basilika erbaut worden war und dem Heiligen Martin geweiht war. Graf Alexander Károlyi ließ in den Jahren 1711 bis 1718 eine neue Kirche mit Kloster bauen. An der Südseite der Kirche wurde 1740 die Familiengruft errichtet. Graf Alexander Károlyi, welcher 1743 starb, wurde in einem Bronzesarkophag in der Familiengrablege hier beigesetzt. 1834 wurde die Barockkirche sowie das Kloster durch ein Erdbeben völlig zerstört. Die Kirche wurde von 1841 bis 1848 wieder aufgebaut. So bekamen Kirche und Kloster ihr heutiges Aussehen. Die Kirche wurde nach Bauende zu Ehren des Heiligen Antonius von Padua geweiht. In der Grablege sind insgesamt 31 Mitglieder der Adelsfamilie Károlyi beigesetzt. Die Kirche samt Kloster und Familiengruft können nach Terminvereinbarung mit einer Führung besichtigt werden.
Petrifeld: Schwäbisches Musterdorf
Auf dem Weg von Sathmar nach Valea lui Mihai bis hin zur Grenze nach Ungarn kommt man durch das sathmarschwäbische Dorf Petrifeld/Petrești. Folgt man der langen, sich durch das Dorf ziehenden Hauptstraße, so fällt einem sofort der schwäbische Einfluss ins Auge. Man erblickt neue, aber auch noch ältere Häuser, an denen man den architektonischen Charakter des langen schwäbischen Bauernhauses erkennen kann. Die Häuser sind gepflegt. Man erkennt die Ordnung, eine Tugend, die vor allem den Deutschen immer wieder zugeschrieben wird. Trotz der großen Auswanderung der schwäbischen Bevölkerung, vor allem nach der Revolution, sind einige hier geblieben. Andere haben später ihre alten Häuser zurückerworben und renoviert. Einige Aussiedler verbringen immer noch mehrere Monate in ihrer alten Heimat. Hier trifft man auch noch auf Schwaben, die tatsächlich noch den „schwoabischen“ Dialekt beherrschen. Petrifeld steht im großen Kontrast zu vielen verlassenen und nahezu ausgestorbenen anderen sathmarschwäbischen Dörfern. Man kann es sicher zu den gegenwärtig am besten erhaltenen Ortschaften der Sathmarer Schwaben zählen. Besonders besuchenswert ist zum einen die im romanischen Stil 1786 erbaute römisch-katholische Kirche „Heilige Elisabeth“, die sich direkt an der Hauptstraße befindet. Wer mehr zur Volkskultur dieser Ortschaft, aber auch zu den Sathmarer Schwaben ganz allgemein erfahren will, sollte das kleine „Schwäbische Museum“ besuchen. Das in einem Schwabenhaus an der Hauptstraße untergebrachte Museum wurde 1993 gegründet. Also in einer Zeit, als ein Bewusstsein darüber entstand, welche Verluste auch an geistiger und kultureller Natur die Auswanderung der Sathmarer Schwaben bedeutete. Das Schwabenhaus, in dem das Museum untergebracht ist, wurde 1881 nach einem Großbrand erbaut. Das Museum versucht, dem Besucher eine detailgetreue Rekonstruktion des Alltagslebens der Sathmarer Schwaben in Petrifeld zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu vermitteln. Der Besuch ist nach vorheriger Anfrage möglich.