„Stadt in Bewegung/Oraș în mișcare“ ist der Slogan der Stadtverwaltung von Sathmar/Satu Mare. Der Ort blickt auf eine bewegte und reichhaltige Geschichte zurück. Diese führte dazu, dass sie bis heute nicht nur architektonisch, sondern vielmehr auch kulturell davon geprägt wurde. Das dreisprachige Ortsschild „Satu Mare – Szatmárnémeti – Sathmar“ deutet daraufhin, dass hier mehrere Kulturen, Sprachen und Geschichten lebendig sind.
Sathmar fiel, wie andere Städte in Rumänien auch, der Stadtplanung der Ceaușescu-Ära zum Opfer. Massive Betonblocks nahmen den Platz gesamter Wohnviertel ein und verstümmelten das Stadtbild. Trotzdem sind der Stadt viele historisch bedeutende Gebäude aus diversen Architekturepochen erhalten geblieben.
...sich die Stadt zu Füßen legen
Die meisten Sehenswürdigkeiten Sathmars lassen sich um den Freiheitsplatz (Piața Libertății), der sich rund um den Zentralpark (Parcul Central) schlängelt, der auch als Herz der Altstadt bezeichnet werden kann, gut zu Fuß entdecken. Der Platz besticht durch viele schöne sich aneinander reihende Jugendstil-Fassaden, die beim Flanieren betrachtet werden können. Vom Zentralpark hat man auch einen hervorragenden Blick auf einige Sehenswürdigkeiten und man kann sich damit selbst eine Route für die Entdeckungsreise festlegen.
Einen Stadtrundgang beginnt man am besten, indem man sich die Stadt zu Füßen legt. Dies gelingt mit einem Ausblick vom historischen Feuerwehrturm (Turnul Pompierilor). Man erreicht das 1903/04 errichtete, 45 Meter hohe Wahrzeichen der Stadt über die gleich neben dem Dacia Hotel liegende Passage (Pasajul Dacia). Von der sich auf etwa 33 Meter Höhe befindenden Plattform, die an ein Minarett erinnert, bietet sich ein imposanter Überblick auf die Stadt.
Verblasster Glanz und Kirchenvielfalt
Kehrt man vom Feuerwehrturm über die Dacia-Passage zurück zum Freiheitsplatz, so kommt man an der Philharmonie „Dinu Lipatti“ vorbei und steht direkt vor einem einstigen Wahrzeichen der Stadt. Auf den ersten Blick realisiert man es jedoch nicht. Der alte Glanz ist längst verblasst. Eine überdimensionale Fassadenplane verhüllt ein großes Gebäude. Hinter der Plane verstecken sich die Gemäuer des altehrwürdigen Dacia Hotels. Das 1902 einst im Sezessionsstil erbaute Hotel gehörte über Jahrzehnte zu den besten und elegantesten Adressen der Stadt. Nach den Wirren des Ersten Weltkrieges wurde aus dem „Pannonia Hotel“ das „Dacia Hotel“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel verstaatlicht und gelangte erst 1995 wieder in private Hand. Nach knapp 30 Jahren Verfall will ein neuer Investor das Hotel nach der Sanierung in neuem Glanz in den kommenden Jahren wiederbeleben.
Nur wenige Blicke entfernt vom Dacia Hotel, an der Ostseite des Piața Libertății, fallen die zwei großen Kuppeln der römisch-katholischen Kathedrale auch demjenigen sofort ins Auge, der die Stadt nicht vom Feuerwehrturm aus überblickt hat. Die Kathedrale wurde als Mittelpunkt der damaligen Stadt ab den 1780ern in mehreren Etappen bis in die Hälfte des 19. Jahrhunderts im neoklassischen Stil konstruiert. Die dominierenden Zwillingskuppeln und die beiden Seitenschiffe wurden 1834 fertiggestellt. Der Neoklassizismus zeigt sich vor allem auch am monumentalen Portal, dem sechs Säulen vorgelagert sind, die in einem korinthischen Kapitell enden. In den letzten Jahren wurde sie etappenweise renoviert und gehört zweifelsohne zu den Prunkstücken Sathmars.
Die kulturelle Vielfältigkeit der Stadt zeigt sich in den Kirchen. Nicht weit von der Kathedrale kann man fußläufig weitere interessante Kirchen unterschiedlicher Konfessionen entdecken. Dazu gehört die ungarische reformierte „Kettenkirche“, welche zwischen 1793 und 1802 gebaut wurde. Sie ist architekturgeschichtlich dem Barock zuzuordnen und gilt als Parademodell der städtischen Architektur des 18. Jahrhunderts.
In der Straße „1 Decembrie 1918“ passiert man auf der linken Seite zuerst den zwischen 1805 und 1851 errichteten Gebäudekomplex, der heute als Bischofspalais bekannt ist. Hier befindet sich der Sitz der Diözese Sathmar, das Bistumsarchiv sowie ein angeschlossenes katholisches Lyzeum. Folgt man der Straße, so sticht einem nach wenigen hundert Metern ein weiterer prachtvoller Kirchenbau ins Auge. Die monumental Kirche der heiligen Erzengel Michael und Gabriel mit zwei vorgelagerten Portaltürmen ist relativ modern. Sie stammt aus den Jahren 1932 bis 1937 und wurde genau an der Stelle errichtet, an der eine ältere Kirche von 1799 stand. Die Kirche wird heute wieder von der griechisch-katholischen Gemeinde genutzt.
Richtet man seinen Blick nach vorn, so erscheint schon das nächste sehenswerte Kirchengebäude. Hier befindet sich die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebaute orthodoxe Kirche der Himmelfahrt der Jungfrau Maria.
Wer von Kirchenarchitektur nicht genug bekommt, wird nur unweit von der Altstadt bei einer weiteren interessanten Kirche fündig. Die Kalvarienkirche neben dem Eminescu-Lyzeum thront auf einem Hügel und ist besonders im Schein der nächtlichen Beleuchtung ein traumhafter Anblick. Die katholische Kirche wurde 1844 auf dem Grund errichtet, wo sich einst auch die Festung „Zotmar“ befunden haben soll. Aufgrund des nachgebenden Untergrundes gab es immer wieder Risse in den Grundmauern. Das Gebäude wurde deshalb von 1908 bis 1909 wieder aufgebaut. Die Kirche wird heute u.a. von der römisch-katholischen deutschen Gemeinde genutzt.
Geschichtsträchtiger Innenhof, sozialistischer Prestigebau
Spaziert man aus Richtung der Kathedrale auf dem Freiheitsplatz südlich weiter, so erscheint auf der linken Seite ein orange-rötliches Gebäude. Hier ist heute die Kunstabteilung des Kreismuseums Sathmar untergebracht. Der Gebäudekomplex gehört zu den ältesten noch verbliebenen Gebäuden der Stadt. Das Haus, das auch als „Casa Vecsey“ bekannt ist, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil so umgestaltet, wie wir es heute kennen. Es wurde zuvor 1798 von Baron Vecsey erworben und später umgebaut. Im 18. Jahrhundert diente das Gebäude als Lager für die damalige Sathmarer Festung. Das besondere am Komplex ist der Innenhof, welcher über einen Bogeneingang erreicht werden kann. In diesem Hof soll 1711 der Frieden von Sathmar nach den Kuruzzen-Aufständen unterzeichnet worden sein. Damit wurde nicht nur die Befriedung der Region eingeleitet, sondern ein Jahr später auch die Anwerbung und Ansiedlung der ersten schwäbischen Siedler im Sahtmarland. Der Innenhof der „Casa Vecsey“ hat daher auch für die deutsche Minderheit in der Region eine besondere historische Bedeutung.
Lässt man die Straßenlokale Richtung Süden auf dem Freiheitsplatz hinter sich, so gelangt man auf der linken Seite an den Beginn der Passage „Corneliu Coposu“. Von hier aus erkennt man einen weiteren „Turm“ der Stadt. Es handelt sich hierbei um das Rathaus der Stadt Sathmar. Der Palatul Administrativ, wie der Gebäudekomplex auch genannt wird, war mit seinen 178 Metern Höhe einmal das zweithöchste Gebäude Rumäniens. Das etwas futuristisch anmutende Betondenkmal gehört zusammen mit dem vorgelagerten Platz „25. Oktober“ (Piața 25 Octombrie) und dem angrenzenden Kulturhaus der Gewerkschaften (Casa de Cultură a Sindicatelor) zu klassischen Beispielen von Ceaușescus Stadtpolitik. Die Altstadt wurde an dieser Stelle komplett abgerissen und machte einer weiteren Betonwüste Platz. Das gesamte Viertel rund um das Rathaus wurde so zum „Neuen Zentrum“.
Die große Synagoge und das jüdische Erbe
Südlich der Altstadt in der Decebal-Straße, erhebt sich die große Synagoge. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts im maurischen Stil gebaut. Gleich neben ihr steht noch ein kleines älteres Bethaus. Sie sind die sehr wenigen noch erhalten gebliebenen Zeugnisse des einst blühenden jüdischen Lebens in Sathmar. Bis vor dem Zweiten Weltkrieg hatten etwa 13.000 Juden in der Stadt und um die 20.000 im gleichnamigen Kreis gelebt. Zeitweise gab es bis zu drei Synagogen in Sathmar. Die jüdische Gemeinschaft war ein fest verankerter Bestandteil der Gesellschaft. Ab dem 18. Jahrhundert in mehreren Wellen vorwiegend aus anderen Regionen Osteuropas zugewandert, bildeten sie eine der bedeutendsten jüdischen Gemeinschaften im Karpatenraum. 1944 wurde der überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung nach Auschwitz deportiert und ermordet. Der Rabbiner Eleazar Teitelbaum und seine Familie wirkten u.a. auch hier in Sathmar. Es gab auch starke Verbindungen zur Gemeinde in Sighet. Die Teitelbaums gehörten der chassidischen Glaubensrichtung an. Joel Teitelbaum, der die Dynastie 1905 begründete, war nach dem Zweiten Weltkrieg eine zentrale Figur der Gemeinde in New York. Dort gibt es bis heute eine sehr aktive chassidische Gemeinde, die „Sathmarer Juden“ genannt wird. Die dortige Gemeinde zählt um die 70.000 Mitglieder. Heute hat die Gemeinde in Sathmar weniger als 100 Mitglieder und versucht, trotz beschränkter finanzieller Mittel das Erbe in Verkörperung der Synagoge aufrechtzuerhalten. Die Spuren der Zeit und der Witterungen lassen sich an ihr erkennen. Dennoch ist sie gelegentlich Gastgeber für Konzerte und Ausstellungen, um sie mit Leben zu füllen.