Im Nösnerland, etwa 260 Kilometer von Hermannstadt/Sibiu entfernt, liegt die nördlichste bedeutende Stadt Siebenbürgens. Die Stadt, im 12. Jahrhundert gegründet, bietet sich für einen Tagesausflug oder einen Wochenendtrip an – mit seinem alten Stadtzentrum hält Bistritz/Bistrița zahlreiche interessante historische Sehenswürdigkeiten bereit. Auch in der näheren Umgebung gibt es viel zu entdecken. Von Hermannstadt aus dauert die Anreise mit dem Auto etwa vier Stunden. Im Morgengrauen eines Samstagmorgens geht es los, um die Stadt im Nösnerland, der historischen Handelsregion Nordsiebenbürgens, zu erkunden.
Bistritz, an einer mittelalterlichen Handelsstraße gelegen, wurde im 12. Jahrhundert durch Siedler aus der Moselgegend und Luxemburg gegründet. Zunächst als Ort „Nosa“ erwähnt, findet sich der mittelalterliche Name „Bistriche“ zum ersten Mal 1264 in den Urkunden. Wegen der reichen Bodenschätze war die Region wiederholt umkämpft; im Jahre 1241 wurde der Ort durch die Tataren zerstört. Das Marktrecht erhielt die Stadt 1353. Die nahe gelegenen Silber- und Goldbergwerke verhalfen der Stadt im Laufe der Jahrhunderte zu Wohlstand; sie wurde zur Handelsmetropole der Region. Davon legt der um 1480 errichtete und noch heute erhaltene „Kornmarkt“ im Stadtzentrum mit seinem beeindruckenden Arkadengang Zeugnis ab: Eine Zeile, bestehend aus dreizehn Patrizierhäusern, bildet das Handelszentrum, in dem die Kaufleute ihre kostbaren Waren feilboten. Bis heute kann man in diesem historischen Laubengang flanieren, einkaufen und in einem bezaubernden Café bei Kaffee und süßem Gebäck mitten im Stadtzentrum verweilen. Ein Hingucker am Ende des Laubengangs ist die heutige Spiru-Haret-Straße, die von Bögen überdacht ist. Am Ende des Kornmarktes befindet sich das Goldschmiedehaus/Casa Argintarului, das im 15. Jahrhundert vermutlich durch den Architekten Petrus Italus da Lugano erbaut wurde und in dem aller Wahrscheinlichkeit nach ein Goldschmied wirkte, wie ein Zunftzeichen mit zwei Kelchen am Gebäude verrät. Heute ist hier ein Kunstmuseum untergebracht.
Die evangelische Stadtpfarrkirche mit Wahrzeichen
Im Zentrum der Stadt ist die evangelische Kirche das Kleinod, das bei einem Besuch keinesfalls ausgelassen werden sollte. Im 13. Jahrhundert erbaut, kann man im Inneren der dreischiffigen gotischen Hallenkirche mit Elementen der Renaissance, einen prunkvollen Barockaltar sowie die Zunftfahnen der Stadt bewundern. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Kirche bereits mehrmals durch Brände zerstört; im Jahr 2008 hat ein in Brand geratenes Baugerüst den ursprünglich im 16. Jahrhundert errichteten Turm weitgehend zerstört: auch Teile des Dachstuhls, die Turmglocken und die Uhr wurden ein Raub der Flammen. Der Wiederaufbau dauerte mehrere Jahre. 2012 konnte der Turm schließlich wieder eingeweiht werden; die Besucher können die Aussichtsplattform seitdem über einen im Turm integrierten Aufzug erreichen und von hier aus einen sensationellen Ausblick über die Stadt genießen. Mit seinen 75 Metern Höhe ist der Kirchturm das Wahrzeichen von Bistritz und zugleich der höchste Turm einer evangelischen Kirche in Siebenbürgen.
Die Altstadt – verwunschen und verwinkelt
Die verwinkelten Gässchen laden zum Flanieren in der Altstadt ein. Zweiundzwanzig enge Gässchen, die auf die mittelalterlichen Zünfte zurückgehen, die sogenannten „Zwirngässchen“, sind von Gewölben überspannt und bieten den Besuchern ein verzauberndes Flair. Die Stadtbefestigung, die am Ende des 15. Jahrhunderts entstand und im 19. Jahrhundert fast gänzlich entfernt wurde, war ursprünglich mit 18 Wehrtürmen bestückt. Lediglich der Fassbinderturm/Turnul Dogarilor mit seinen prägnanten Schießscharten auf der Südseite der Stadt ist noch erhalten. Auch ein größeres Stück Stadtmauer lässt sich hier noch neben dem Turm finden; vereinzelt sind auch kleinere Teile der Mauer im Süden und Südosten der Stadt erhalten geblieben.
Am Dominikanerplatz befindet sich seit 2014 ein beeindruckendes Denkmal, das der Evakuierung von rund 35.000 Siebenbürger Sachsen aus Nordsiebenbürgen vor der vorrückenden Roten Armee im Herbst 1944 gewidmet ist.
Mönchsdorf – einsame Kirche auf der Anhöhe
Nach einem vollen Tag in Bistritz, bei dem ein Besuch in einem der gemütlichen Restaurants in der Innenstadt nicht fehlen darf, geht es weiter ins südliche Umland. Nach etwa einer halben Stunde Fahrt lugt bald vorwitzig die romanische Pfeilerbasilika von Mönchsdorf/Herina zwischen grünen Hügeln hervor. Von der früheren Befestigung der Kirche ist nichts mehr übrig. Die beiden Westtürme des aufstrebenden romanischen Baus, der fast unverändert erhalten geblieben ist, sowie die Westempore gehen auf das 13. Jahrhundert zurück – im Innenraum sind ein hölzernes Taufbecken, ein Fresko aus dem 15. Jahrhundert und eine gotische Sakramentsnische zu entdecken.
Vom Vorplatz der Kirche, die sich dank durchgeführter Restaurierungsarbeiten in gutem Zustand befindet, lässt sich das ganze Dorf überblicken. Gleich daneben befindet sich ein im Jahre 2008 eröffnetes kleines vom Bürgermeisteramt eingerichtetes Museum, das Zeugnis vom Dorfleben vor rund 100 Jahren ablegt, und vor allem die Arbeitsgeräte, die von der Dorfbevölkerung genutzt wurden, zeigt.