Der Ceahlău wird in Reiseführern oft als „Olymp der Moldau“ bezeichnet. Es soll auch moldauische Redewendungen wie „stark/mächtig/schön wie der Ceahlău“ geben. „Der Leuchtturm der Moldau“ ist der Ort, wo ungewöhnliche Frauennamen wie Dochia oder Panaghia mit alten Sagen verbunden sind. Heute ist in diesem Massiv auch ein gut verwalteter Nationalpark vorhanden, der unter Beachtung einiger klarer Regeln durch schöne Wandertouren erkundet werden kann.
Sagenhafte Felsgebilde
Der Ceahlău ist kein besonders ausgedehntes oder hohes Gebirge. Die höchsten Gipfel - Ocolaşul Mare und Toaca – liegen unter der 2000-Meter-Grenze (1907 bzw. 1900 m). Seine Fläche umfasst 292 Quadratkilometer, von denen 7760 Hektar zum Nationalpark erklärt wurden. Deshalb wird eine Gebühr von 5 Lei pro Person verlangt, die bei den zwei wichtigsten Aufstiegspunkten, Izvorul Muntelui und Dur²u, bezahlt wird. Dafür bekommt man auch eine Skizze mit den wichtigsten markierten Wanderwegen. Verboten ist unter anderem das Verlassen der Wanderwege, wildes Zelten oder das Sammeln von Waldfrüchten, Pilzen, Heilpflanzen ohne Einverständnis der Nationalparkverwaltung. Selbst Hunde müssen geimpft sein, wenn sie, und das nur an der Leine, mit ihrem Herrchen diese Gegend beschnuppern wollen. Weil aber Verbote nicht unbedingt auf alle Besucher wirken, versucht man auch auf ungewöhnliche Weise, für Sauberkeit zu sorgen.
„Das Hinterlassen von Abfällen bringt Unglück!“ heißt es an einigen Warnschildern. Dass trotzdem nicht alle Touristen abergläubisch sind, beweisen vereinzelt anzutreffende Plastikflaschen, Bierdosen oder Papierverpackungen. Dennoch – der Ceahlău ist viel sauberer als andere Berge Rumäniens.
Das bekannteste Markenzeichen des Ceahlău sind seine bizarren Felsgebilde, die auf dem Plateau oft anzutreffen und gut sichtbar sind, weil sie größtenteils oberhalb der Waldgrenze liegen. Die meisten sind Konglomerate in zum Teil kuriosen Formen, aber es gibt in tiefer gelegenen Stellen auch weiße Kalkklippen, die seinerzeit Dimitrie Cantemir zur – falschen – Schlussfolgerung geführt haben sollen, es handele sich dabei um ewige Schneemassen. Diese Felsen, wie auch ihre Ansammlung auf relativ enger Fläche, dürften den Kronstädtern den Ceahlău als den bekannteren Bruder des Ciucaş erscheinen lassen.
Sagen aus der Dakerzeit
Mit den Felsen sind Sagen verbunden, die uns zurück in eine mythische Dakerzeit versetzen – wird der Ceahlău auch als „heiliger Berg“ Kogaionon des Dakergottes Zamolxes bezeichnet. Dochia ist eine legendäre Frauengestalt, die in der Folklore oft als altes Weib auftritt. Die Dochia in der Ceahlău-Sagenwelt ist noch jung und schön – aber als Fels versteinert. Mal ist sie die Tochter des Dakerkönigs Decebal, mal dessen Schwester. In beiden Varianten bekommt sie es mit den römischen Eroberern zu tun, einmal sogar mit Kaiser Trajanus selbst, der sich in sie verliebt. Um das aufdringliche Werben loszuwerden und eine Entführung durch den ärgsten Feind ihres Volkes abzuwenden, fleht Dochia, die als Hirtin mit ihrer Herde in die Bergen geflohen ist, um den Schutz der Götter. Diese lassen sie, wie auch ihre Schafe, zu Stein werden.
Der rund 70 Meter hohe Felsen mit dem Namen Panaghia, sehr gut sichtbar vom Toaca-Gipfel, hat auch eine märchenhafte Vergangenheit. Allerdings führt diese weit jenseits der Dakerzeit in die Ära der Sagenzeit, wo Sonne und Nacht noch menschliche Gestalt hatten und die Feen das Schicksal der Menschenkinder bestimmten. Panaghia sollte ihre Meisterleistung betreffend Schönheit werden, sie musste deshalb ihr Dasein im Gebirge, fern der Begierden der Sterblichen, fristen.
Die Sonne – in rumänischen Märchen männlichen Geschlechts und daher stets als Jüngling auftretend – verliebte sich in sie und blieb jeden Tag stundenlang über dem Ceahl²u stehen, sodass die Nacht immer kürzer wurde. Die Nacht protestierte und die Sonne durfte nur noch vermummt im Wolkenschleier auftauchen. Panaghia wurde von Sehnsucht und Schmerz verzehrt, weil sie ihren Sonnen-Geliebten nicht mehr sehen durfte und wartet nun als Felsturm über alle Zeiten hinweg auf ihn. Etwas dürfte an dieser Geschichte stimmen, denn die meteorologischen Durchschnittswerte belegen, dass es mehr als jeden zweiten Tag im Ceahlău regnet oder schneit, genauer: 209 Tage im Jahr. An durchschnittlich 193 Tagen im Jahr gibt es Lufttemperaturen, die nicht über dem Gefrierpunkt liegen. Diese Daten dürften stimmen, denn am Toaca-Gipfel ist eine Wetterstation untergebracht, die man in rund 25 Minuten von der Dochia-Schutzhütte (1750m Höhe) erreichen kann.
Schutzhütten und Sehenswürdigkeiten
Die Dochia-Schutzhütte ist auf dem Plateau gelegen und befindet sich derzeit in umfassenden Modernisierungsarbeiten. Trotzdem kann man dort das ganze Jahr über Unterkunft finden (ab 20 Lei/Nacht/Person) sowie warmes Essen bestellen. Eine Rindfleischsuppe kostet z.B. 9 Lei, ein Omelett mit Cabanos-Würstchen 8 Lei; Tee ist für 2 Lei zu haben, Kaffee kostet doppelt so viel.
Die Hütte kann man am besten vom Izvorul Muntelui ausgehend erreichen (Wegzeit: 3h30min – 4h, Höhenunterschied: 950m, Distanz: 6km, Markierung: blaues Band) oder alternativ vom Kurort Durău (Wegzeit: 3h30min, Höhenunterschied: 950m, Distanz: 7,5km, Markierung: rotes Band). In der Nähe der Schutzhütte liegt die einzige Campingstelle im Ceahlău sowie auch eine 1993 geweihte Holzkirche. Weitere Schutzhütten auf dem von Durău zur Dochia-Hütte beschriebenen Weg sind Fântânele (1220m Höhe) sowie die Hütte Izvorul Muntelui (797m), die man, wie auch Durău mit seinen Hotels und Pensionen, problemlos mit dem Pkw erreichen kann.
In Dur²u lohnt es sich, auch das dortige Kloster zu besichtigen, dessen Freskenmalerei sehenswert ist und unter Anleitung des Malers Nicolae Tonitza kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand. Auf einer anderen, längeren Wegvariante von Durău zur Dochia-Hütte (Wegzeit: 4h30min – 5h, Distanz: 7,5km, Wegmarkierung: rotes Kreuz) kommt man nach rund zwei Stunden ab Dur²u an dem zweistöckigen Wasserfall Duruitoarea vorbei.
Der südliche Teil des Massivs in Richtung Ocolaşul Mare ist strengeren Naturschutzregeln unterworfen, sodass er nur mit Sonderbewilligung der Nationalparkverwaltung besichtigt werden kann.
Außer den bekanntesten Felsformationen - Panaghia, Detunatele, Clăile lui Miron, Piatra Lăcrimată, Dochia, Piatra cu Apa, Turnul lui Ghedeon und andere – kann man im Ceahlău auch herrliche Aussichten von den steilen Abhängen auf diesen Teil der Ostkarpaten bewundern, unter anderem auch auf den Stausee Izvorul Muntelui, der im Osten des Massivs liegt, rund 35 Kilometer lang ist und in den 1950er Jahren angelegt wurde. Allerdings muss das Wetter dies zulassen.
Die beste Wanderzeit am Ceahlău soll im August und September sein. Wetterumstürze sollten in Kauf genommen werden, wie auch die Tatsache, dass bei den Wanderungen gewisse Teilstrecken recht steil sind. Achtung für Kunden des Orange-Mobilfunknetzes: Im Ceahlău gab es im Mai weiterhin keine Empfangsmöglichkeit.