Wenn man mit dem Zug von Ploiești aus nach Măneciu durch das Einzugsgebiet des Flusses Teleajen im Kreis Prahova reist, hält dieser auf halbem Wege in der bescheidenen Bahnstation einer kleinen Hügelstadt namens Vălenii de Munte, die früher ein wichtiges Kulturzentrum Rumäniens war, an. Văleni ist seit einhundert Jahren in Verbindung mit dem Namen des Historikers Nicolae Iorga als dessen Wohnsitz bekannt. Sobald Iorga mit seiner Familie von Bukarest nach Văleni umgesiedelt war, nahm er die kleine Stadt unter seine Schirmherrschaft und gründete dort mehrere Kulturzentren, die auch heute als Kulturanstalten betrieben werden. Der vorliegende Artikel informiert über die heutigen Sehenswürdigkeiten in Vălenii de Munte, die sich gut für einen Tagesausflug eignen – über ihre Geschichte und ihren Gründer, Nicolae Iorga.
Zur Persönlichkeit Nicolae Iorgas
Der Historiker, Philologe, Übersetzer, Dichter, Dramatiker, Professor und Staatsmann Nicolae Iorga (1871-1940), der 17 Fremdsprachen fließend sprach, wurde in Botoșani geboren und ist nicht nur für sein Porträt auf der rumänischen Währung, sondern auch weltweit als Mediävist, Byzantinist, Romanist, Slawist, Kunsthistoriker, Literaturkritiker und Geschichtsphilosoph bekannt.
Mit nur 12 Jahren sprach Iorga Französisch, Italienisch, Latein und Altgriechisch und bot seinen Klassenkollegen Nachhilfestunden an, um seiner verwitweten Mutter Hilfe bei der Begleichung der Alltagskosten zu leisten. Sein tiefes Verständnis der Geschichte und Politik Europas erweist er von früh auf: Mit 13 Jahren debütiert Nicolae Iorga als Publizist in der Zeitung seines Onkels, in der er regelmäßig Anekdoten und Leitartikel über die Politik in Europa veröffentlichte.
Aufgrund seiner gründlichen Forschung und hervorragenden Ergebnisse erlaubte ein vom damaligen Bildungsminister und vom König Karl I. unterzeichneter Erlass dem Wunderkind Nicolae Iorga nach der Beendung seines ersten Studienjahres an der Universität in Jassy/Iași, seine Diplomarbeit bis Jahresende zu verteidigen und sich den Abschlussprüfungen zu stellen – die er alle bestand.
1890 war das Jahr, in dem der Historiker heiratete und seinen staatlich geförderten vierjährigen Studienaufenthalt im Ausland begann. Sein Ausbildungsweg führte ihn zuerst nach Italien, dann nach Frankreich, wo er die Kurse der „École pratique des hautes études“ besucht und dort Englisch und Deutsch sowie andere Sprachen erlernte.
Nach der Verteidigung seiner Dissertation in Frankreich und einem Doktorstudiengang an der Universität Leipzig verbrachte er die verbliebene Zeit in den deutschen, österreichischen und italienischen Geschichtsarchiven, wo er Aufzeichnungen und Beiträge zu geschichtlichen Persönlichkeiten aus der Moldau und den Rumänischen Fürstentümern erforschte. 1894 nach Rumänien zurückgekehrt, veröffentlichte er seine ersten Bücher und wurde ein Jahr später, mit 24 Jahren, ordentlicher Professor für europäische Universalgeschichte an der Universität Bukarest. 1897 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Rumänischen Akademie gekürt.
1901 heiratete er seine zweite Frau Ecaterina. 1905 zog Iorga als unparteilicher Kandidat für ein Abgeordnetenamt in den Wahlkampf und wurde gewählt. Ein Jahr später trat er der Konservativen Partei bei. Seine politische Rechtsorientierung sorgte für Kontroversen in seinen Kreisen, und deshalb wurde ihm erst 1911 die Vollmitgliedschaft der Rumänischen Akademie gewährt.
1908 beschloss er, mit seiner neuen Familie in den ländlichen Bereich nahe Bukarest umzusiedeln und entschied sich für ein Haus in der kleinen Hügelstadt Vălenii de Munte im Kreis Prahova, nachdem er die Ortschaft auf Einladung seines Schwagers besucht hatte. Über das Städtchen schrieb Iorga: „Hier herrscht ein Frieden, eine gute rumänische Verständigung .… die einen sofort erobert“.
Das „Nicolae Iorga“-Gedenkhaus
Das heutige „Nicolae Iorga“-Gedenkhaus befindet sich in der historischen Stadtmitte und bildet zusammen mit dem Museum für Geistliche Kunst, dem Museum für Ethnographie und dem Naturmuseum des Teleajen-Tals ein echtes Kulturzentrum.
Das 1883 im walachischen rumänischen Stil erbaute, damals halb verlassene einstöckige Haus mit Erdgeschoss, Keller und vier Zimmern, in dem Nicolae Iorga 30 Jahre seines Lebens verbringen würde, kaufte der Historiker und ließ es sanieren und um zwei Baukörper für seine Kinder und Dienerschaft erweitern. Hier würde er einen wesentlichen Teil seiner 1250 veröffentlichten Bücher und 25.000 Zeitungsartikel schreiben. Seine Frau Ecaterina, selbst eine Gelehrte, die mehrere Fremdsprachen beherrschte, war nicht nur seine geliebte Lebensgefährtin sondern auch seine persönliche Sekretärin und Buchhalterin, die ihm bei der Forschung half, Texte übersetzte und seine Arbeiten überprüfte.
Ein herrlicher Garten mit einer hohen Silbertanne, deren Steckling Iorga in einem Taschentuch aus den USA mitbrachte, umgibt das Haus, das mit hohen Fenstern und einem Seiteneingang ausgestattet ist. Ein paar Stufen führen hinauf zur Veranda. Die Holzsäulen mit verzierten Kapitellen umreißen eine Bogenfassade, die das Ziegeldach stützt. Von der Höhe der Veranda aus kann man die in Bronze gegossene Büste des Historikers, die mit ihrem energischen Blick den Garten dominiert, bewundern. Diese stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Oscar Han.
Geht man den Flur entlang, so kommt man am Büro, am Schlafzimmer, am kleinen Salon und am Empfangssaal vorbei, wo Nicolae Iorga, in einem von seiner Tochter Magda 1930 gemalten Porträt mit dem Doktor-Honoris-Causa-Kleid der britischen Oxford-Universität bekleidet, seine Gäste mit rustikalen Möbelstücken – die ihm am Herzen lagen – erwartet, etwa moldauische Mitgifttruhen und bessarabische Volksteppiche.
Im Zentrum des Hauses findet sich sein Büro mit der beeindruckenden Bibliothek, die einst einen Bestand von Zehntausenden Bänden beherbergte. Heute werden hier nur noch etwa eintausend Bücher aufbewahrt. Auf dem Schreibtisch scheinen die Ledermappe, das Tintenfass und die Feder noch auf den Historiker zu warten.
Neben dem Büro befindet sich das Schlafzimmer mit im Volksstil geschnitzten Möbeln und auf Glas gemalten Ikonen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Im kleinen Salon gegenüber empfing Ecaterina Iorga ihre Gäste.
Den großen Empfangssaal, wo einmal angeblich eine Mini-Regierungssitzung zu einem äußerst dringenden Thema stattgefunden haben soll, dekorieren Möbel und Polster mit Mustern, die der rumänischen Volkskunst entstammen, und zwei von Nicolae Grigorescu signierte und verschenkte Gemälde.
Ein Flur mit spektakulären Fenstern verbindet das Hauptgebäude mit dem Flügel, in dem einst die Schlafzimmer der Kinder eingerichtet waren. Hier stehen heute Vitrinen mit dem Akademikergewand, Ehrenorden, Dokumenten, Fotos, Faksimiles, die Momente aus der öffentlichen Tätigkeit des Gelehrten als Premierminister, Präsident der Abgeordnetenversammlung, des Ministerrates, des Senats, der Kommission für historische Denkmäler und der Kulturliga für die kulturelle Einheit aller Rumänen darstellen.
Museum für Geistliche Kunst
Nicolae Iorga war nicht nur als Historiker und Staatsmann, sondern auch als Bildungsförderer bekannt, durch die Gründung mehrerer Kulturinstitutionen in Văleni. Neben der Druckerei „Datina Românească“ (Rumänisches Brauchtum), wo er alle seine Bücher und die Zeitung „Neamul Românesc“ (Die rumänische Nation) drucken ließ, betrieb Iorga auch eine „Sommervolksuniversität“, welche jährlich für einen Monat – im Geist des späteren Großrumäniens – Rumänen aus allen Landesecken für Geschichts-, Philosophie- und andere Vorlesungen in Văleni versammelte, und hier wurde ein Freilichttheater nach antikem Muster und die Nationale Missionsschule für Frauen „Königin Maria“ in Văleni gegründet, welche 1922 im Beisein deren Namensgeberin und Schirmherrin eingeweiht wurde.
Junge Frauen – sowohl Rumäninnen, als auch Ungarinnen und Sächsinnen – wurden aus allen Regionen des Landes ausgewählt und ein Jahr lang in einem neuen pädagogischen, wissenschaftlichen und patriotischen Geist erzogen. In ihre Heimatorte zurückgekehrt, sollten die Absolventinnen der Missionsschule eine neue „rumänische Seele“ in den Dörfern heranziehen. Heute beherbergt das Gebäude der ehemaligen Missionsschule das Museum für Geistliche Kunst, welches Iorga anfänglich für ein anderes Gebäude stiftete.
Die Ausstellung umfasst in vier Räumen zur Schau gestellte Exponate von großem Wert, angefangen mit Holzikonen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, Kerzenständer aus Silber und Messing, Brustkreuze, Handkreuze aus Holz und Metall bis hin zu priesterlichen Gewändern, Kelchhüllen aus dem 19. Jahrhundert, versilberten Kelchen und alten Kirchenbüchern. Die Gegenstände wurden in lokalen Werkstätten mit griechischem, russischem, westlichem und orientalischem Einfluss hergestellt.
Volkskundemuseum des Teleajen-Tals
Das Teleajen-Tal hat einen äußerst reichen und vielfältigen folkloristischen Hintergrund. Die Handelswege zwischen Siebenbürgen und der Walachei zogen Menschen aus verschiedenen geografischen Regionen an, die sich hier niederließen, so dass sich in dieser Region im Laufe der Zeit Bräuche, Traditionen und Weltanschauungen miteinander mischten, die von einem reichen spirituellen Leben zeugen.
Das sich im Anbau der ehemaligen Missionsschule befindliche Volkskundemuseum des Teleajen-Tals, das diesen Monat seinen 20. Gründungstag feiert, ist vor allem der Bearbeitung der Wollstoffe gewidmet, die neben ihrem funktionalen auch einen dekorativen Zweck hatten. Weil das Weben lange Zeit ein Handwerk par excellence war, das ausgeübt wurde, um die Bedürfnisse der Familie und einiger Gemeinschaften zu befriedigen, wurde eine Innenansicht eines traditionellen Hauses mit authentischen Möbelstücken, inklusive reich verzierten Mitgifttruhen und Textilien originalgetreu eingerichtet.
Um eine möglichst objektive Darstellung der Berufsstruktur in der Region zu bieten, sind im Museum die meisten dieser primären (Landwirtschaft, Viehzucht, Obst- und Weinbau) und sekundären (Jagd, Fischerei, Imkerei, Waldnutzung, Bergbau, Handwerk) Berufe vertreten. Das Naturmuseum des Teleajen-Tals, das ebenfalls in einem historischen Denkmalgebäude untergebracht ist, präsentiert in einer modernen, sehr spektakulären Art und Weise mit Ton- und Lichtspielen eine Synthese der spezifischen Pflanzen- und Tierarten sowie Landschaft dieser Region.
Die Museen in Văleni bleiben stille Denkmäler der erzieherischen und unionistischen Bestrebung des Historikers Nicolae Iorga und erinnern an seinen universalen Geist und vielfältige Tätigkeit, die ihm die königliche Familie Rumäniens durch die Verleihung des Verdienstordens „König Ferdinand“ belohnte.