Zwischen Koblenz und Rüdesheim wird der Rhein, der längste Fluss Deutschlands, als Mittelrhein oder romantischer Rhein bezeichnet. Grund dafür sind die zahlreichen, an beiden Ufern angesiedelten mittelalterlichen Festungen und gut erhaltenen kleinen Ortschaften, welche zwischen den steilen, mit Weinreben bedeckten Hängen der Hügellandschaft einem Bilderbuch entsprungen scheinen. Dieser knapp 65 Kilometer lange schlängelnde Lauf des oberen Mittelrheins zählt seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe und zieht jährlich Hundertausende Besucher an – sei es in Kreuzfahrten, mit Campern oder über den sogenannten Rheinsteig-Wanderweg.
Vater Rhein
Vor dem Koblenzer Schloss erinnert eine Statue an die männliche Figur des „Vaters Rhein“ und der weiblichen „Mutter Mosel“, einer des gößten Nebenflüsse des Rheins. Dass der Rhein als männlich angesehen wird, geht auf die keltische Grammatik zurück und wurde in alle anderen Sprachen übernommen. Jedenfalls scheinen alle Wortwurzeln auf den indoeuropäischen Begriff „rinnen, fließen“ zurückzuführen, denn der Rhein ist einer der größten Flüsse Zentraleuropas.
Der Flussgott „Rhenus“, wie ihn die Römer nannten, wurde oftmals dem Wassergott „Neptun“ gleichgestellt und – nebst anderen behörnten Gottheiten wie „Danubius“ (die Donau) – als stiergestaltiger „Vater der Nymphen und Flüsse“ dargestellt. Nach dem Sieg über die Germanen sprach der römische Dichter Ovid über den besiegten „Rhenus mit den gebrochenen Hörnern“.
Und wenn man schon in Koblenz die Reise durch das Mittelrheintal beginnt, sollte natürlich ein Besuch der Festung Ehrenbreitstein mit deren wunderschönen Ausblick auf die Stadt und das Denkmal des ersten deutschen Kaisers, Willhelm II., vom „Deutschen Eck“ nicht fehlen. Gemeinsam mit der imposanten Statue der „Germania“ bei Rüdesheim dominieren sie die beiden Enden des wunderschönen Mittelrheins.
Der Rhein als Inspirationsquelle
Insbesondere während der Romantik wurde der Rhein als Gefühlsträger instrumentalisiert, Ende des 18. Jh. in Clemens Bertranos „Rheinmärchen“, aber auch in den Werken anderer Schriftsteller und Dichter. Immerhin gilt er auch als Hort des berühmten, mysteriösen Niebelungenschatzes. Auch Richard Wagner ließ sich davon in seiner Oper „Rheingold“ inspirieren und Heinrich Heine, Lord Byron und William Turner stellten des öfteren den Rhein, insbesondere den Mittelrhein, mit seiner Architektur und seiner besonderen Landschaft ins Zentrum ihres Schaffens. Auch Goethe erreichte 1774 den Rhein, wobei dessen Anblick ihn zum berühmten Gedicht „Hoch auf dem alten Turme“ inspirierte. Mary Shelley fand Inspiration in den Alchemie-Experimenten aus der Gegend von Gemsheim und vollendete im Jahr 1818 ihr Meisterwerk „Frankenstein“. Friedrich Hölderlins „Vaterländische Gesänge“ dichteten dem Rhein fast übernatürliche Eigenschaften an.
Loreley – Gesang des Felsens
Die wahrscheinlich bekannteste Geschichte um den Mittelrhein ist jene der Lore-Ley, die vor knapp 200 Jahren von Heinrich Heine besungen wurde. Geschichten und Gedichte, ebenso Malereien, huldigen ihrem Mythos. Der Besuch des Loreleyfelsens südlich der Stadt St. Goarhausen gehört sicherlich zu den Hühepunkten eines jeden Rheintouristen. Um den 132 Meter hohen Schieferfelsen über den nur 90 Meter breiten Rhein bilden sich starke Strömungen, die viele Schiffer in Not gebracht haben. Das Wort Loreley entstammt den Worten „Ley“ = Felsen und „Loren“ = Lauschen und wurde wahrscheinlich abgeleitet vom Rauschen des Wasserstroms und vom Summen des mehrfachen Echos in diesem engen und schlängelnden Abschnitt des Rheins.
Heines Gedicht wurde 1838 von Friedrich Schiller in seinem Loreley-Lied vertont und avancierte damit zur weltberühmten Legende und zum Inbetriff der Rheinromantik.
Jedenfalls ist ein Blick vom Loreleyfelsen über das Rheintal mehr als lohnenswert. Die Loreley-Statue, 1983 von der Bildhauerin Natasha Alexandrovna Prinzessin Jusopov gestaltet, befindet sich jedoch einige Hunderte Meter weiter flussabwärts.
Burgen und Sagen
An jeder Kurve des Rheins sind kleine Ortschaften angesiedelt, kleine Burgen oder Festungen. Diese wurden im Mittelalter als Zollstellen benutzt – erst nach Bezahlung wurden die schweren Ketten über den Rhein gehoben und die Schiffe konnten weiterfahren. Der Mäuseturm bei Rüdesheim ist einer der imposantesten und am besten erhaltenen Zollstellen. Der Name leitet sich aber nicht vom Nagetier, sondern von der zu bezahlenden „Maut“ ab.
Gleich daneben liegt auf einer kleinen Insel das bereits 1327 vom Pfalzgrafen und späteren Kaiser Ludwig IV. erbaute Schloss Pfalzgrafenstein, berühmt auch durch Victor Hugos Beschreibung als „steinernes Schiff“ im Rhein.
Die Marksburg ist eine der am besten erhaltenen Burgen am Rhein und insbesondere wegen ihrem japanischen „Doppelgänger“ bekannt. Die Burg ist seit 1231 ständig bewohnt und seit 1900 im Besitz der Deutschen Burgenvereinigung. Vor Jahren wollte Japan die Burg um 250 Millionen Mark kaufen, auseinandernehmen und in einem heimischen Vergnügungspark wieder aufbauen. Da sich die Deutsche Burgenvereinigung dagegen wehrte, mussten sie sich mit einer Kopie begnügen.
Burg Liebenstein und Burg Sterrenberg sind als die „Feindlichen Brüder“ bekannt. Eine der Sagen erzählt von zwei Brüdern im 12. Jh., die das gleiche Mädchen liebten, dieses aber konnte sich nicht entscheiden. Der ältere Bruder zog in den Krieg und die Jungfrau blieb daheim, ihn erwartend und den jüngeren Bruder zurückweisend. Nach Jahren kehrte nun der ältere Bruder zurück – inzwischen mit einer Griechin verheiratet. Aus Kummer zog sich die schöne Maid in ein Kloster zurück. Daraus erwuchs ein Streit zwischen den beiden Brüdern, der jahrelang andauerte: Jeder baute sich eine Burg auf einem eigenen Bergkegel und sie errichteten sogar eine Mauer dazwischen, die heute noch zu sehen ist. Nach Jahren versöhnten sich die Brüder und beschlossen, die Zeit nachzuholen, die sie verloren hatten: Derjenige, der als erster aufwachte, sollte den anderen mit einem Pfeilschuss wecken. Pech nur, dass gerade als der eine Bruder seinen Pfeil abgeschossen hatte, der andere die Fensterläden öffnete – und tödlich getroffen zu Boden sank.
Die Katholische Kirche Sankt Sebastian in der kleinen Ortschaft Ehrenthal ist ein gutes Beispiel für die Versöhnung des kirchlichen und weltlichen Lebens: Der Eingang in die Kirche erfolgt durch das davor verbaute Wirtshaus „Zur Klosterschänke“.
Burg Katz und Burg Maus könnten auch aus einem Zeichentrickfilm stammen. Ihre Namen erinnern jedoch an einem Wettstreit zwischen den links- und rechtsrheinischen Besitzern im Bereich des Katzenelnbogens. Nachdem die ursprünglich Peterseck genannte Burg auf der rechten Rheinseite gebaut wurde, ließ die Antwort der befeindeten Herrscher auf der linken Rheinseite nicht lange auf sich warten: der Graf von Katzenelnbogen erbaute die Burg Neu-Katzenelnbogen, die bald als Katzen-Burg eingebürgert blieb – und gegenüber, als Schmähantwort, die Maus-Burg.
Und für Filmeliebhaber ist ein Besuch im Kloster Eberbach ein Muss, da es als Kulisse für die Verfilmung von Umberto Ecos „Der Namen der Rose“ diente.
Kurioses Museum: selbstspielende Instrumente
Und wenn man sowieso das Mittelrheintal besucht, dann ist auch ein Besuch im Rüdesheimer „Siegfried Musikalisches Musikkabinett“ Pflicht. Das 1969 eröffnete erste Museum Deutschlands für mechanische Musikinstrumente bietet etwa 350 selbstspielende Instrumente aus drei Jahrhunderten: vom Zirkusorchestrion zum Grammophon und zum selbstspielenden Klavier. Und ein Rüdesheimer Kaffee mit einem Schuss Asbach Uralt, serviert auf der Promenade über dem Rhein in einer typischen Rüdesheimer Kaffeetasse, darf den Tag jederzeit aufheitern.