Im historischen Zentrum der Hauptstadt, das sich in der Nähe des Kilometers Null befindet, gibt es zahlreiche Gebäude, die zum Kulturerbe gehören. Das kleine architektonische Paradies inmitten von Bukarest wird von allerlei Menschen wertgeschätzt: In der Altstadt trifft man immer neugierige Touristen, hektische Clubbingliebhaber, alle Arten von Straßenhändlern, snobistische Fräuleins und ihre hochnäsigen Begleiter, mehr oder weniger ausländische Geschäftsleute.
Alle Fußgänger eilen geschäftig hin und her bis spät in dieNacht. Ein höchst hektisches Treiben rund um die Uhr. Man würde sagen, es ist der geeignetste Platz für diejenigen, die das Leben zu genießen wissen. Der erste Eindruck kann aber auch irreführend sein.
Hinter dem Geschichtsmuseum in der Calea Victoriei und gegenüber dem bekannten Restaurant „Carul cu bere“ befindet sich das Nonnenkloster Stavropoleos. Geht man rein, dann entdeckt man einen friedlichen Innenhof, man könnte meinen, einen Sprung zurück in Zeit und Raum gemacht zu haben. Neben dem im Brâncoveanu-Stil gebauten Kloster gibt es in der Mitte des Hofes einen massiven Steintisch mit Stühlen, die zum Sitzen einladen. Es gibt keinen Hinweis auf die Hektik der Großstadt, obwohl die Straße nicht weiter als zehn Schritte entfernt ist.
Für den mehr oder weniger gestressten Menschen ist es ein glücklicher Moment, zu betrachten, was da zu sehen ist. Im Hintergrund eine Nonne, die bewegungslos ist. Sie steht einfach da, brav wie eine Statue und hält einen frisch lackierten Stab in der Hand. Ein völlig unkompliziertes Stillleben, dessen Bedeutung trotzdem schwer zu verstehen ist. Welche könnte die Aufgabe der zurzeit wie versteinert stehenden, aber innerlich zufrieden scheinenden Nonne sein? Gerne würde man „Warum und wieso?“ fragen.
Das taktvolle Benehmen im kirchlichen Raum scheint eher unklar in diesem Kontext zu sein. Wer weiß, was es für ungeschriebene Regeln gibt, die Laien nicht kennen und die sie unwissend missachten könnten. Die Faustregel des gewöhnlichen Menschen tritt also in Kraft: Man soll die Ruhe genießen und warten.
Eine kleine, schlanke Nonne nähert sich. Sie ist die Nonne Atanasia, diejenige, die uns zeigen wird, wie das Leben in Stavropoleos (griechischer Name für „Stadt des Kreuzes“) geführt wird. Die Tour durch das Kloster beginnt also; wir verlassen die Nonne mit dem lackierten Stab und den glänzendenAugen.
Die Besichtigung des Gebäudes, wo die Nonnen einen großen Teil ihres Alltags verbringen, soll zeigen, wie diese parallele Welt funktioniert. Und tatsächlich sieht es irgendwie anders aus, als man sich vorgestellt hatte.
Die Führung erfolgt durch den Ausstellungsraum, die Bibliothek des Klosters und das Refektorium. Alles ist blitzsauber, nicht nur die alten Objekte, die zur Schau gestellt wurden. Die Möbelstücke aus Holz sind massiv und deshalb sehr imponierend; sie erinnern an die alten Zeiten der Woiwoden.
Vita communis im Kloster – die intellektuellen Nonnen
Eine Nonne, die gerade im Erdgeschoss verweilt, malt eine Ikone in einer Ecke des Flurs, wo ihr ein Tisch mit allem, was sie braucht, zur Verfügung steht. Wahrscheinlich ist sie diejenige, die die Kunstuniversität absolviert hat, wie Nonne Atanasia später erwähnt. Alle Nonnen betätigen sich im Rahmen einer solchen Werkstatt in verschiedenen Bereichen. Es geht um alte, traditionelle Handwerkskunst, die hier im Kloster noch gepflegt wird.
Insgesamt gibt es sieben Nonnen und zwei Priester, die ihr Leben in einem ganz kleinen, isolierten Kollektiv führen, weit entfernt von den weltlichen Verlockungen und Problemen: Ihr Leben hinter dem hohen Zaun hat etwas Anderes zu bieten. Da die Gemeinde so klein ist, sind ihre Mitglieder sehr eng miteinander verbunden. Der Alltag der Nonnen dreht sich, wie in allen Klöstern, um den Gottesdienst.
Die Messe dauert täglich insgesamt fast fünf Stunden. Drei Mal pro Tag versammeln sich alle zur Messe. Das Singen der Psalmen haben die Nonnen erst hier im Kloster erlernt und sie üben im Seitenchor, der byzantinischen Tradition gemäß. Es gibt aber auch abendländische Einflüsse der Chormusik in der Kirche, erläutert Nonne Atanasia.
Was aber machen die Nonnen in der Zeit, die ihnen bleibt? Das Kloster Stavropoleos betreibt keine Landwirtschaft, da es kein Land besitzt. Stattdessen konzentrieren sich die Nonnen auf die Bewahrung der kirchlichen Kultur. Den Besuchern zeigen sie mittelalterliche Kultobjekte, alte Bücher und Stickereien, liturgische Objekte und Gewänder, Ikonen. Im Hintergrund ein Fresko aus dem Kloster Văcăreşti, das im Jahre 1986 auf Befehl Ceauşescus abgerissen wurde.
Im Kloster befindet sich auch eine Bibliothek mit alten Büchern und Manuskripten. Auf der Treppe in Richtung Bibliothek sitzt eine Nonne vor der Tür , so, wie man nicht oft zu sehen bekommt: Mit dem Laptop auf dem Tisch arbeitet sie fleißig an ihrer Dissertation. Sie schaut uns kurz an und vertieft sich wieder in ihre Arbeit, indem sie mit großer Geschwindigkeit ihre Finger auf der Tastatur bewegt.
Im Kloster werden verschiedene Publikationen für den Druck vorbereitet, erklärt Nonne Atanasia. Der Inhalt der ungefähr 500 alten Bücher ist den Nonnen wichtig, deshalb werden sie restauriert und digitalisiert. Das Kloster veröffentlicht auch Bücher: Monografien, Bücher mit theologischen Studien, Alben mit kirchlicher Kunst.
Anhand eines Buches können auch beispielsweise thematische CDs entstehen. Es gibt auch eine Redaktion, die sich um Grafik, Produktion und Bearbeitung der Bilder kümmert. „Eine der Nonnen ist Grafikerin von Beruf. Alles wird ausschließlich im Kloster hergestellt, wir schicken das Endprodukt zum Druck“, erklärt die Nonne. Nicht nur die Bedürfnisse des eigenen Klosters werden abgedeckt, sondern auch die Anfragen anderer Klöster, die um Hilfe bitten. Der Kontakt zur Technologie helfe den Nonnen, alte Objekte zu retten.
Der letzte Raum, den wir besuchen, ist das Refektorium im Untergeschoss: Ein Raum, wo sich die Nonnen versammeln, der aber meistens nur zu speziellen Anlässen benutzt wird. Der Speisesaal ist auch als Ausstellungsraum mit Kunstobjekten aus der dörflichen Welt eingerichtet.
Der Tagesablauf im Kloster
Morgens dauert die Messe zwei Stunden (zwischen acht und zehn Uhr). Danach hat jede Nonne Zeit für ihre eigene Beschäftigung. Zu Mittag wird immer zusammen mit den anderen im Refektorium gegessen. Es ist ein wichtiger Moment, zu dem sich alle Klostermitglieder versammeln. Danach kehrt jeder wieder zu seiner Arbeit zurück – bis um sechs Uhr, wenn die Messe beginnt. Zwischen 20 und 21 Uhr gehen die Nonnen zu ihren Zimmern, wo sie lesen oder singen üben. Um 21 Uhr treffen sie sich das dritte Mal am Tag in der Kirche für die letzte Messe. Nach 22 Uhr ziehen sich alle in ihre Zimmer zurück: Jetzt folgt das individuelle Beten.
Obwohl die Nonnen im geschlossenen Kreis leben, bedeutet das nicht, dass sie isoliert sind. Sie sind dreimal pro Tag in der Kirche - aber genau das zieht die Vorbeigehenden an. Das Singen spielt eine ganz wichtige Rolle: Die klangvollen Stimmen werden von der Straße gehört und neugierige Passanten kommen herein, auch wenn sie nicht lange bleiben. Die Besucher sind plötzlich mit einer völlig anderen Lebensweise konfrontiert. Schwer zu glauben, dass man sich immer noch in Bukarest befindet. Bevor sie wieder weggehen, beten sie ein wenig. Auch Jugendliche, die abends in die Altstadt kommen, um sich zu unterhalten, schauen manchmal rein. Es gibt aber auch Menschen, die seit vielen Jahren morgens vor der Arbeit hierher kommen: Sie zünden eine Kerze an, bekreuzigen sich und bleiben für eine Weile still.