Hört der Nichtbayer, ganz unabhängig davon ob deutsch oder nicht, das Wort „Bayern“ denkt er sofort an München, Wiesn, Lederhosn und alpine Bergpanoramen. Dabei streckt der Altbayer (also der im Süden wohnende Bajuware) die Brust raus und rückt stolz seine Tracht zurecht. Der Oberfranke dagegen zuckt nur mit den Schultern. Soll ihm doch egal sein, dass der Rest der Welt nicht all zu oft an ihn denkt, dann hat er wenigstens seine Ruh.
Sein hochnäsiger Nachbar im Süden, der mit seiner Bierkultur wirbt, interessiert ihn nicht besonders. Schließlich weiß der Oberfranke auch ohne Prahlerei, dass die wahre Bierregion Bayerns im Norden liegt. Oberfranken ist nämlich tatsächlich weltweit die Region mit der höchsten Brauereiendichte.
Oberfranken bildet zusammen mit dem südlicheren Mittelfranken und dem westlichen Unterfranken den Norden des Freistaats.
Die kleine Fehde zwischen Altbayern und Franken existiert schon so lange, dass den genauen Grund für die Sticheleien keiner mehr so recht kennt. Allerdings beweist sie den Stolz der Franken für ihre Region und ihre Kultur, der nicht von ungefähr kommt:
Oberfranken bietet neben den zahlreichen kleinen Brauereien und urigen Gaststuben kulturell wertvolle Kleinstädte, atemberaubende Landschaften und vor allem Menschen, die Gemütlichkeit und Genuss hoch schätzen.
„Es gibt so etwas wie ein Oberfranken-Gen, das Heimatverbundenheit bewirkt. Ich mag diese Liebenswürdigkeit und den Charme der Menschen. Oberfranken ist ein Gegenentwurf zur Hektik der Großstädte und es lässt sich hier gut leben“, beschreibt Detlev Schmidt von der Regionalentwicklungsagentur in Bayreuth die Oberfranken.Die folgende kleine Rundreise gibt Einblick in die Kultur und die Spezialitäten des Landes.
Bayreuth - mehr als nur Richard Wagner
Die Hauptstadt Oberfrankens, Bayreuth, vor allem bekannt durch ihren berühmten Sohn, Richard Wagner, und die von ihm gegründeten Festspiele im Sommer, ist geprägt durch Markgräfin Wilhelmine, die im 18. Jahrhundert nach Bayreuth verheiratet wurde und die Provinz nach dem Vorbild anderer absolutistischer Herrschaftshäuser zu einer modernen Kulturhochburg umgestalten wollte. Dabei sind sehenswerte Gebäude und Parks im späten Barockstil entstanden.
Besonders das Opernhaus zu Bayreuth, nicht zu verwechseln mit dem Festspielhaus, das sich als UNESCO-Weltkulturerbe beworben hat, lädt zu einer Erkundungstour ins absolutistische Europa des 18. Jahrhunderts ein. Wer es weniger dick aufgetragen mag, dem sei ein Besuch in Wilhelmines Parkrefugium am Rande Bayreuths, der Eremitage, ans Herz gelegt. Als Spielwiese der Adligen geplant, konnte hier das einfache Leben eines Eremiten nachempfunden werden.
Bei einem Bummel durch die neu renovierte Fußgängerzone der Stadt ist der Besuch einer der vielen Bratwurstbuden ein Muss. Die traditionelle Bayreuther Bratwurst, die „Baraida Brodworscht“ wird mit einer frischen Scheibe Brot, Sauerkraut und Senf gegessen.
Wer lieber gemütlich einkehren möchte, statt in der Kälte zu stehen, dem sei die Bauernschenke der Seulbitzer Metzgerei in Bayreuths gleichnamigem Ortsteil ans Herz gelegt. Wirt Willi serviert zünftige kalte Brotzeitplatten aus der hauseigenen Metzgerei, sowie täglich ein warmes Gericht. Dazu schmeckt eine Halbe Maisel’s Weiße, der Bierexportschlager der Stadt. Besonders schön an der Bauernschenke: Touristen verlaufen sich nur selten hierher, hier treffen sich die Einheimischen und man kann noch richtige fränkische Wirtshauskultur zu günstigen Preisen erleben.
Bamberg – südländisches Flair mit Rauchbier
Neben Bayreuth ist selbstverständlich Bamberg ein Muss für jeden Oberfrankenbesucher. Während sich das Markgräfliche Opernhaus zu Bayreuth noch bewirbt, ist Bambergs Altstadt seit 1993 bereits UNESCO-Weltkulturerbe. Dem Nebel ist es angeblich zu verdanken, dass die Stadt bei den Bombenangriffen Ende des Zweiten Weltkriegs verschont blieb, während der Nachbar Bayreuth gleich zweimal angegriffen wurde. Durch diesen glücklichen Zufall blieb die einmalige frühmittelalterliche Stadtstruktur erhalten.
Wie Rom wurde Bamberg auf sieben Hügeln gebaut; das sorgt für einige wunderbare Aussichtspunkte über die mehr als 2000 Einzeldenkmäler, wie das Alte Rathaus auf der Regnitzinsel. Auch nennt man die ehemalige Fischersiedlung an der Regnitz nördlich der Oberen Brücke „Klein Venedig“. Bamberg wird so zur Stadt mit deutscher Baukunst und südländischem Flair.
Traditionell wird hier Rauchbier getrunken, das weltweit fast ausschließlich in Bamberg hergestellt wird.
Den eigenwilligen Geschmack, der an geräuchertes Fleisch erinnert, erhält der Gerstensaft vom geräucherten Malz, das beim Brauen verwendet wird. Angeblich braucht es drei „Seidla“ (Halbliterkrüge) um sich an den Geschmack zu gewöhnen, danach verfällt man der Sucht. Wer es ausprobieren möchte, ist im „Schlenkerla“ in der Dominikanerstraße an der richtigen Adresse. Zum Bier passt „Schäufla mit Klos“, wie der Schweinebraten von der Schulter hier heißt.
Für Gipfelstürmer und Höhlenforscher
Besonders bekannt ist die Fränkische Schweiz, das Gebiet zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth, für seine atemberaubenden Felsformationen, die vor allem Kletterer aus der ganzen Welt anlocken und der Landschaft den Namen beschert haben. Auch wenn das Hochkraxeln von Felswänden im Winter eher schwer möglich ist, lohnt sich eine Wanderung durch die „Fränkische“stets.
Auch im Winter möglich ist dagegen ein Besuch in der Pottensteiner Teufelshöhle, die größte Tropfsteinhöhle der Fränkischen Schweiz. Bei einer der drei Führungen am Tag kann man eindrucksvolle Stalaktiten- und Stalagmitengebilde und riesige Felshallen in stimmungsvoller Beleuchtung bewundern.
Zum Einkehren nach einem spannenden Tag empfiehlt sich das Gasthaus von Heldbräu in Waischenfeld, etwa 10 Kilometer nördlich von Pottenstein. Heldbräu ist eine der vielgelobten kleinen Traditionsbrauereien des Oberfrankenlands. Serviert wird, was der durchschnittliche Biergenießer wünscht: Helles, Dunkles, Pils und Weißbier. Ein besonderer Genuss ist das extra zur Fastenzeit vor Ostern vom Hausherrn Helmut Polster gebraute Bockbier, also ein Starkbier mit zumeist mehr als sechs Prozent Alkohol.
Das Fichtelgebirge - sonnige Pisten und Kräuterschnaps
Westlich von Bayreuth, im Sechsämterland an der tschechischen Grenze, liegt das Fichtelgebirge. Mit Gipfeln von bis zu 1000 Metern über Normalnull bietet die Region mehrere kleine Skigebiete mit guten Schneebedingungen. Ein Vorteil gegenüber anderen bayrischen Skigebieten am Alpenrand sind die günstigen Preise. Außerdem sind die Pisten im Fichtelgebirge unbekannter und daher auch an einem sonnigem Tag Skifahren und Snowboarden ohne großes Gedrängel am Lift und auf der Piste möglich. Besonders empfehlenswert ist der Ochsenkopflift in Fleckl mit der längsten Abfahrt der Region.
Auf der Rundreise durch die Bierregion Oberfranken bietet sich ein Ausflug auf die Kösseine an. Auf dem 939 Meter hoch gelegenen Gipfel steht seit über 100 Jahren das Kösseinehaus. Im Winter ist das urige Gasthaus, das auch Übernachtungen auf dem Berg anbietet, Anziehungspunkt für große und kleine Rodelfans. Der Wanderweg, der vorher zu Fuß bei einer einstündigen Wanderung zum Gipfel führt, bietet bergab eine spannende Schlittenabfahrt.
Im Wirtshaus wird neben fränkischer Küche und dem passenden Bier der „Sechsämtertropfen“ als Verdauungsschnaps angeboten. Bei diesem lokalen Nationalgetränk handelt es sich um einen Kräuterlikör aus verschiedenen Heilpflanzen und Beeren, der laut Slogan „wohl tut“. Außerdem schwört die Sitznachbarin am Tisch: „Weißt, der Sechsämtertropfen, der tut nicht nur beim Trinken wohl, auch am nächsten Tag. Da kannst trinken sovielst willst, ich hab noch nie an Kater ghabt davon“. Also Prost!
Wer nach soviel Natur, Kultur und Wirtshaustradition noch nicht müde geworden ist, kann zu einem Besuch ins deutsche Porzellanmuseum nach Selb aufbrechen oder in einer der vielen Thermen Oberfrankens entspannen. Was es sonst noch alles zu erleben gibt, kann man nachlesen unter: www.oberfranken.bayern-online.de. Nach weiteren Tipps zu Spezialitäten und empfehlenswerten Wirshäusern kann man auf www.genussregion-oberfranken.de stöbern.