Die Republik Moldau, wie die einstige Sowjetrepublik heute offiziell heißt, umgangssprachlich auch Moldawien, wo der Weinbau bis in die Römerzeit zurückreicht, ist mit über 33.846 Quadratkilometern nur etwa so groß wie Nordrhein-Westfalen und bei Weinkennern bereits kein Geheimtipp mehr. Sie verfügt mit 114.000 Hektar über mehr Rebfläche als ganz Deutschland. Das Land hat die größte Dichte an Weinreben weltweit. Die Weinbauregionen bringen mittlerweile Weine von Weltrang hervor und bieten mit ihren malerischen Weinhängen, unterirdischen Kellern und Weingütern faszinierende Ausflugsziele.
Das kleine Land hat seine Weinindustrie aufgerüstet und dabei gleichzeitig neu erfunden. Allein in den letzten Jahren flossen knapp 750 Millionen Euro für Investitionen in Weinberge, Kellertechnologien und Marketing aus EU-Mitteln und anderen internationalen Organisationen in die Republik Moldau. Dank dieser enormen Investitionen sind die Winzer inzwischen in der Lage, mit modernster Technologie zu arbeiten. Von den Investitionen profitiert zudem auch zunehmend der Weintourismus. Neben den fantastischen Weinen locken die Weinstraßen zu den zahlreichen Reisezielen, die nicht nur eingefleischte Weinliebhaber begeistern. Die Weingüter bieten neben Führungen mit Verkostungen auch ausgezeichnete Restaurants und Übernachtungsmöglichkeiten.
Weinbaugebiete mit Vielfalt und Geschichte
Moldawien wird im Wesentlichen in vier große Anbaugebiete unterteilt. Im Norden des Landes befindet sich die Region Bălți. Hier produzieren vor allem private Winzer Wein. Kommerzielle Weinkellereien sucht man vergebens. In Bălți ist eine beträchtliche Anzahl an einheimischen Rebsorten vorzufinden. Sie werden hauptsächlich für die Weinbrandproduktion genutzt. Darüber hinaus entstehen dort Tafelweine und auch Weine, die für den Eigenkonsum hergestellt werden.
Codru ist die zentrale Weinanbauregion des Landes, in der sich auch die Haupstadt Chișinău befindet. Etwa 60 Prozent der gesamten Rebfläche sind hier vorzufinden. Das Weinbaugebiet ist darüber hinaus das technisch am besten entwickelte Gebiet Moldawiens. Durch die dichte Bewaldung und die Berglandschaft ist es besonders gut für die Kultivierung von weißen Reben geeignet. Der durch die Natur geschaffene Schutzmechanismus bewahrt die Reben vor Winterfrösten und im Sommer vor Austrocknung. Die dadurch entstandene Vielzahl von Mikroklimazonen erlaubt die Produktion komplexer und qualitativer Weine mit der kontrollierten Ursprungsbezeichnung „Codru“. Es ist daher auch kein Zufall, dass einige der besten und bekanntesten Weingüter und -kellereien wie Cricova, Mileștii Mici, Aroma und Brănești hier beheimatet sind. Auch die Românești-Kellerei des früheren Besitzes des russischen Adelsgeschlechtes Romanow lässt sich in Codru verorten. Über die zentrale Codru-Weinstraße findet man als (Wein)Tourist hier den Großteil der kommerziellen Weingüter.
Im Südosten, am Ufer des Dnister gelegen, befindet sich die Weinregion Nistreana. Das dort vorherrschende Klima eignet sich hervorragend für den Anbau roter Rebsorten. Durch Lagerung in kleinen Fässern aus Eichenholz erhält der Wein seinen typischen Charakter. In dieser Region hat sich auch die Weinkellerei Purcari etabliert. Sie gehört zu den bekanntesten und besten Weinproduzenten des Landes. Ihre Weine wurden bereits mehrfach international ausgezeichnet. Die Region wird demzufolge auch oft als „Purcari-Region“ bezeichnet. Die hohe Qualität der hier angebauten Rotweine hat eine bis in das 18. Jahrhundert zurückreichende Geschichte und Tradition. Seit dieser Zeit werden die Weine auch bevorzugt ins Ausland exportiert. Zu den bekanntesten Importeuren gehörte Ende des 19. Jahrhunderts auch der englische Königshof. Die Weinstraße „Stefan der Große“, auf die man sich in der Hauptstadt begeben kann, setzt sich in Richtung Südosten in diese faszinierende Weinregion fort. Sie führt durch malerische Weinberge, historische Denkmäler und Bauten sowie atemberaubende Landschaften.
Durch die Weinstraße der „Trajaner Mauer“ gelangt man in die südlichste Weinbauregion Cahul. Diese Region schließt auch das Territorium des Budschak/Bugeac mit ein. „Budschak“ bedeutet soviel wie „Winkel“ und deutet auf die dreieckige Form des Landstückes zwischen den Flüssen Pruth und Dnister sowie dem Schwarzen Meer hin. Der Süden der Republik Moldau und der Budschak unterscheiden sich jedoch in der Qualität des Bodens und des Klimas. Die Böden der südlichen Region eignen sich ideal zur Herstellung von Rotweinen und Süßweinen. Die renommiertesten Kellereien sind Comrat, Taraclia, Ciumai und Trifești.
Größte Weinsammlung der Welt
Das Weingut Mileștii Mici liegt nur etwa zehn Kilometer südwestlich der moldawischen Hauptstadt Chișinău entfernt und beherbergt eine der schönsten Touristenattraktionen des Landes. Es findet sich dort der größte Weinkeller der Welt mit über 200 Kilometer Länge, von denen derzeit lediglich 55 Kilometer genutzt werden. Die kleinen, beleuchteten unterirdischen Straßen, die den Weinkeller zu einem komplexen Gebilde machen, tragen so klingende Namen wie Cabernet, Aligote oder Feteasca. Bewegt man sich durch das Kellerlabyrinth, so ergibt sich das Gefühl, in einer echten unterirdischen Weinstadt zu sein. Dem Besucher eröffnen sich Weinregale soweit das Auge reicht. Im Jahr 2007 wurde das Weingut für die größte Weinsammlung der Welt in das Guinessbuch der Rekorde aufgenommen. Der Weinkeller, der im gotischen Stil gehalten ist, befindet sich über 80 Meter unter der Erde. Der Keller beherbergt zwei Millionen Weinflaschen. 70 Prozent des Bestandes entfällt auf Rotweine. Bereits seit 1969 lagern dort Weine wie Pinot, Traminer, Muscat, Riesling, Fetească, Milestscoie und viele weitere. Sie wurden alle nach moldawischer Tradition hergestellt und man kann regelrecht die Sonne und Erde Moldawiens in jedem Tropfen des Weines schmecken.
Das Weingut Mileștii Mici ist eine bemerkenswerte Attraktion für Touristen und Weinliebhaber, bei der man begleitete Führungen durch die unterirdische Weinkeller buchen und bei einer Weinverkostung die Weintradition erleben kann.
Cricova – Die unterirdische Weinstadt
Die Weinkellerei Cricova liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Chișinău. Ihren Namen hat sie von der gleichnamigen malerischen Kleinstadt, in der sie sich befindet. Die Geschichte des Weingutes begann 1952, als Petru Ungureanu und Nicolae Sobolev vorschlugen, die ehemaligen Steinbruchstollen als Lagerkeller zu verwenden. Die Stollen entstanden bereits im 15. Jahrhundert. Archäologie und die Kunst des Weinbaus haben aus den Tunneln eine atemberaubende Stadt unter der Kleinstadt entstehen lassen. Derzeit umfasst die unterirdische Weinstadt eine Fläche von 53 Hektar. Die in Straßen verwandelten Stollen haben eine Gesamtlänge von 120 Kilometern und liegen bis zu 80 Meter tief. Wie in einer echten Stadt gibt es Straßen, Ampeln und Verkehrszeichen. Nur dass die Straßen eher einem Labyrinth gleichen. Die hier gelegenen Weinkeller lagern auch die Hälfte des einstigen Weinvorrats von Hermann Göring. Die Temperatur in den unterirdischen Stollen bleibt das ganze Jahr über konstant bei 12 bis 14 Grad. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt um die 98 Prozent. So stellt Cricova auch Schaumweine nach der „Méthode champenoise“ her, die in diesen natürlichen Bedingungen gleich wie die Weine wunderbar reifen. Die Weinkeller in Cricova gehören nach Mileștii Mici zu den zweitgrößten des Landes. Gegenwärtig umfassen die Weinberge der Weinkellerei Cricova über 600 Hektar und somit eine große Auswahl verschiedener Terroirs, wodurch man für die jeweiligen Rebsorten die besten Standorte wählen kann.
Weine, die bereits der Zarenhof genoss
Zu einer Weinreise durch Moldawien gehört natürlich auch das Weingut und Château Purcari im gleichnamigen Ort. Das heute als Aktiengesellschaft fungierende Weingut scheint ein Abonnement auf Medaillen zu haben. Die hier hergestellten Weine gehören zur Spitzenklasse und gewinnen regelmäßig Auszeichnungen. Gegen Ende des zwölften Jahrhunderts war die moldauische Weinproduktion zu einem wichtigen Wirtschaftszweig Südosteuropas geworden. Während in der ganzen Region günstige Bedingungen für den Weinbau herrschen, sind bestimmte Orte besonders bevorzugt, wozu das Dorf Purcari und die Weinberge des Klosters Agon Zograf gehören. Im 18. Jahrhundert erkannten französische Winzer die Ähnlichkeit des dortigen Bodens und Klimas mit dem Bordeaux-Gebiet und gingen eine Partnerschaft mit dem Kloster ein. Auch hier enthält der Boden Rubidium, was zur intensiven Farbe der Weine beiträgt. So zeigen die Weine aus Purcari ein vergleichbar hohes Maß an Intensität und Komplexität. 1827 erließ der russische Zar Nikolaus I. ein Sonderdekret, das Purcari den Status des ersten spezialisierten Weinkellers im damaligen Bessarabien verlieh. 1878 wurde das Weingut bei einer Weinprobe auf der Pariser Weltausstellung gefeiert. Französische Experten waren beeindruckt und überrascht, als sie hörten, dass der Wein aus einem kleinen Dorf unweit des Dnister stammte. Die Weine aus Purcari waren lange Zeit so beliebt wie Bordeaux- oder Burgunderweine. Nach dem zweiten Weltkrieg stellten die Winzer die klassischen Produktionstechniken wieder her. Heute ist die Purcari Wineries Group ein führendes Unternehmen für Wein und Brandy in Mittel- und Osteuropa und verwaltet rund 1000 Hektar Weinberge mit vier Weingütern in Moldawien und Rumänien. Das Unternehmen ist Moldawiens renommiertester Exporteur und in über 25 Ländern aktiv. Zum Weingut Purcari gehört auch ein sehenswertes Château mit einem guten Restaurant und einigen Gästezimmern.