Eine Chance für Ökotourismus

Interview über Reisen und Outdoor-Aktivitäten mit minimalem Risiko während der Pandemie

Ökotourismus bedeutet Reisen in natürliche Regionen zum Schutz derselben und zum Vorteil der lokalen Einwohner, definiert die Internationale Ökotourismus-Gesellschaft, zu der auch die 2006 gegründete Vereinigung für Ökotourismus in Rumänien (AER) gehört. Einer der Hauptunterschiede zu anderen Ruraltourismus-Netzwerken liegt darin, dass die Mitglieder nicht nur Unterkünfte und Verpflegung anbieten, sondern auch kompatible Freizeitaktivitäten – Wandern, Radsport, Reiten,  Beobachtung von Wildtieren und Vögeln, Fotoexkursionen, Kulturtourismus, dies alles unter Bevorzugung der örtlicher Produkte, Dienstleistungen und lokaler Kleinunternehmen. Also Käse, Eier und Tomaten vom Nachbarn und nicht aus dem Großmarkt. Warum die Corona-Krise, die den internationalen Tourismus stark beeinträchtigt, nun gerade für den rumänischen Ökotourismus eine Chance bedeuten könnte, erklärt Bogdan Papuc,  Exekutivdirektor von AER, im Gespräch mit Nina May.


Herr Papuc, wie sehen Sie die Perspektive für Ökotourismus in Rumänien in der Zeit unmittelbar nach Aufhebung des Notstands?
Ich glaube, in der nächsten Zeit werden kleine Ökotourismus-Unternehmen im Vorteil sein, weil die meisten Touristen überlaufene Regionen meiden. Das betrifft nicht nur Pensionen, sondern auch touristische Programme. Die Art und Weise, wie sie durchgeführt werden und die angebotenen Ziele stellen kein zusätzliches Sicherheitsrisiko dar. Natürlich wird jedes Unternehmen ein Hygiene-Maßnahmenpaket umsetzen. Die meisten haben dies bereits vorgesehen.

Glauben Sie, dass heimische Ziele jetzt generell beliebter werden?
In diesem Jahr werden heimische Ziele vor allem bei Rumänen sehr gefragt sein. Dies vor dem Hintergrund der Beschränkungen und der Planungsunsicherheit, was Reisen ins Ausland betrifft. Wahrscheinlich werden sich sogar die meisten auf Urlaub im eigenen Land umorientieren. 
Aber auch was Touristen aus dem Ausland betrifft, hat Rumänien derzeit einen großen Vorteil. Es verfügt über ein reiches Angebot an wenig überlaufenen Zielen für Outdoor-Aktivitäten, bei denen soziale Distanz leicht eingehalten werden kann. In den letzten Jahren war Rumänien bereits auf einem aufsteigenden Ast, die Anzahl der ausländischen Touristen nahm von Jahr zu Jahr zu. Wir hoffen, dass sich die Situation langsam wieder einpendelt, denn viele unserer Mitglieder leben nahezu ausschließlich von ausländischen Touristen.

Welche Vorteile bietet Ökotourismus gerade jetzt?
Touristische Programme, die bisher auf 15 Personen beschränkt waren, werden  wegen der Auflage zur sozialen Distanzierung auf drei bis fünf Teilnehmer reduziert - je nachdem, was die offiziellen Regeln vorgeben werden. Solche Kleinstgruppen sind ideal für Familien oder Freunde. Das bedeutet, das Risiko von Kontaminierung ist sehr gering. Der Transport findet im eigenen Auto oder in Kleinbussen statt, die nach jeder Gruppe leicht desinfiziert werden können.

Welche Aktivitäten bieten das geringste Ansteckungsrisiko?
Im Prinzip alle Formen von Aktivtourismus: Wandern, Radfahren, das Beobachten von Vögeln und Wildtieren, Reiten, Foto-Touren. Vielleicht müssen die Betreiber nur aufmerksamer sein, was die Unternehmungen der Touristen im Dorf betrifft. Spezielle Maßnahmen sollten zum Beispiel für den Besuch bei lokalen Kunsthandwerkern getroffen werden.

Wie kann man den bisherigen Kunden für Ökotourismus beschreiben?
Gemäß der Statistik für 2019 war der Anteil der Touristen aus dem In- und Ausland für die Mitglieder von AER ziemlich ausgewogen. Wenn wir die verschiedenen Angebote betrachten, gibt es allerdings große Unterschiede: Pensionswirte haben vorwiegend rumänische Gäste, während Reiseanbieter vor allem ausländische Touristen betreuen. Altersmäßig bewegt sich der rumänische Ökotourist zwischen 30 und 55 Jahren. Der ausländische ist wesentlich älter, manchmal sogar bis 80 Jahre, das Mittel liegt un-gefähr bei 60 bis 70 Jahren. Unabhängig von der Nationalität ist das Bildungsniveau im allgemeinen hoch, Universitätsabschluss oder mehr.

Welche Tendenzen sind für dieses Jahr erkennbar?
Dieses Jahr begann sehr gut für die Mitglieder von AER und die Ökotourismus-Destinationen. Als jedoch die Pandemie an Fahrt aufnahm, setzten Stornierungen und Umbuchungen ein. Unsere Empfehlung lautete, den Urlaub nicht abzusagen, sondern in den Herbst oder auf nächstes Jahr zu verschieben. Nach den uns derzeit vorliegenden Informationen wurden die Buchungen bis einschließlich Juni storniert, in einigen Fällen sogar für das ganze übrige Jahr. Leider gibt es einen hohen Grad an Ungewissheit, was die Entwicklung der Pandemie betrifft, die Sicherheit, oder wie leicht es sein wird, international zu reisen. Daher konzentrieren wir uns derzeit auf den internen Markt. Wir bereiten eine Werbekampagne auf nationalem Niveau vor, wo wir unsere Ökotourismus-Destinationen und Aktivitäten vorstellen.

Wer könnte sich jetzt auf Ökotourismus umorientieren?
Jeder, der Natur, Outdoor-Aktivitäten und Landleben liebt. Auf dem internen Markt bewerben wir gezielt das Wiederentdecken von Rumänien. In den letzten Jahren sind sehr viele Initiativen in Richtung Natur und Outdoor aufgetaucht, die es bis vor Kurzem hier nicht gab, nur in den besser entwickelten Destinationen in Westeuropa. So bietet AER mittlerweile ein sehr reiches Angebot auf der Webseite www.eco-romania.ro: Es reicht vom Erkunden von Höhlen im Pădurea Craiului bis zur Beobachtung von Wildleben im Dornaland oder Reiten in der Hügellandschaft Siebenbürgens.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.