„Besonderes Augenmerk ist auf die Erholung unserer Werktätigen zu richten“, tönte Nicolae Ceaușescu 1969 vollmundig auf dem Zehnten Parteitag der Rumänischen Kommunistischen Partei. Na – wem sagt er das, mögen sich die damaligen Redakteure des Neuen Wegs gefragt haben: Den ohnehin seit jeher natur- und wanderfreudigen Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben? Und: War diese Direktive des Diktators nicht der beste Anlass, gleich mehrere Herzensangelegenheiten zu vereinen? Kurz danach wurde jedenfalls das erste „Komm mit“ aus der Taufe gehoben. 30 Jahre lang erschien der Rumänien-Wanderführer jährlich bis zur Wende. „Der Herausgeber hatte einen Nerv unserer hiesigen deutschen Seele getroffen“, schreibt Hans Liebhardt 2013, nachdem die ADZ die Wiederaufnahme des Erfolgskonzeptes beschlossen hatte: „die Liebe zum Wandern und zur Natur...“
Das neue „Komm mit durch Rumänien“ ist seither dreimal erschienen – 2013, 2017, 2020 und jetzt, zum Anlass des 75. ADZ-Jubiläums –, mit neuem Konzept: weniger Wanderungen, denn das Reiseverhalten hat sich verändert, mehr Fotos, modernes Design; neue thematische Schwerpunkte, etwa das beachtliche Weltkultur- und -naturerbe in der UNESCO, das Rumänien als Reiseziel auch weit über die Landesgrenzen bekannt gemacht hat. Aber auch die touristisch kaum noch erschlossene bunte Minderheitenlandschaft in diesem rumänischen „Mini-Europa“ ist ein immer wiederkehrendes Subjekt, dank mehrerer Journalistenreisen, die das Departement für interethnische Beziehungen der Regierung (DRI) in den letzten Jahren organisiert hat.
Unpolitisch, gut für den Spracherhalt
Früher, zur Zeit des Neuen Wegs aber, war der Wan-derführer vor allem willkommene Gelegenheit, die Bräuche und typischen Orte der Deutschen in Rumänien vorzustellen – einander, aber auch den anderen, die Rumänien im Kommunismus bereisten. Vor allem unter den Besuchern aus der damaligen DDR erfreute sich das Land großer Beliebtheit. Zum anderen ist Wandern ein gänzlich unpolitisches Thema, was Schreiben ohne Zensur bedeutete. Nur der Leitartikel war Spitzenpolitikern der Tourismusbranche vorbehalten.
Götz Conradt erläutert in seinem Erinnerungsartikel an das alte „Komm mit“ in der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ, 10. Juli 2012): „Deutsche Ortsnamen sind Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im öffentlichen Leben fast verschwunden, deutschsprachiger Schulunterricht wird immer magerer, die Umgangssprache der mitwohnenden deutschen Bevölkerung immer holpriger.“ Das „Komm mit“ konnte diesem Trend entgegenwirken.
1970 erschien unter der Federführung von Georg Hromadka die erste Ausgabe des Wanderführers. Jedes Jahr kam ein neues Heft in Taschenbuchformat heraus, „man sollte es einstecken und mitnehmen können“, erklärt Dr. Klaus Fabritius, Wissenschaftler und heutiger Leiter des Demokratischen Forums der Deutschen im Altreich. Bis die Reihe nach der Wende 1990 eingestellt wurde - wegen des Exodus der Rumäniendeutschen, aber auch, weil die Bewohner der ehemaligen DDR jetzt überall hinreisen konnten – hat er seit 1982 jedes Jahr eifrig daran mitgearbeitet.
Bockkäfer, Wurzelsammler, deutsche Bräuche
Fabritius erinnert sich, dass im „Komm mit“ nicht nur Wanderwege vorgestellt wurden, sondern auch viele Details über die Natur, die man wandernd antraf: Insekten, „vor allem die größeren, spektakulären Exemplare“, Bockkäfer, Schmetterlinge, Glühwürmchen. Aber auch Giftschlangen und Vögel, etwa den Steinadler, das Rebhuhn oder das Birkhuhn, beschrieb er in seinen Artikeln. Ebenso die Naturschutzgebiete: „Damals gab es ja nur einen Nationalpark im Retezat. Erst später wurden die anderen Nationalparks und das Biospärenreservat Donaudelta gegründet.“ Auch Dinge, die heute beinahe schon Vergangenheit sind, kann man nachlesen: „Rădăcinarii“ sind nur Männer – Ein Besuch bei den Kräutersammlern von Poienii de Jos“ titelte 1985 ein Beitrag von Klaus Fabritius und Gheorghe Brătescu, in dem es um den Beruf des Kräuter- und Wurzelsammlers ging, den man nicht erlernen, sondern nur ererben konnte.
Ferner gab es Beiträge über sächsische Kirchenburgen, deutsches Brauchtum, deutsche Trachten. „Unsere Charakteristik vorzustellen, war immer auch ein Schwerpunkt“, sagt Fabritius. Aber auch andere Schätze des Landes wurden gerne präsentiert: die Moldauklöster, das Donaudelta, die anderen Minderheiten, „man kann ja nicht über das Delta schreiben, ohne sie zu erwähnen: die Fischer waren immer Lipowaner oder Ukrainer. Wir hatten zwar auch unsere deutschen Orte in der Dobrudscha, aber Fischer waren die Deutschen nie“, illustriert Fabritius. Auch Conradt erwähnt Beiträge zur ethnischen Vielfalt der Regionen, „von Kraschowänern, Steierern, Deutschböhmen, Huzulen, Landlern“. „Und wenn man über Siebenbürgen geschrieben hat, wurden selbstverständlich die Ungarn und andere Minderheiten eingeschlossen“, ergänzt Fabritius, „obwohl die deutsche Minderheit sicherlich der Schwerpunkt war. „Die Tageszeitung und das ‚Komm mit‘ waren aber auch wichtig für uns, weil wir so Einzelheiten auch aus den anderen deutschen Gebieten erfahren haben“, fügt er an.
Die Macher des alten „Komm mit“
Die Begeisterung der zahlreichen Verfasser für das „Komm mit“ war groß und beschränkte sich beileibe nicht auf Zeitungsredakteure. Fabritius erinnert sich: „Das ganze Jahr über hielt ich Kontakt mit dem verantwortlichen Redakteur, Michael ‚Mischi‘ Roth, ich habe auch Fotos beigesteuert oder meinen Vater, Helmut Fabritius, eingeschaltet, der für meine Artikel gezeichnet und auch selbst Beiträge verfasst hat.“ Illustrationen gab es auch von Helmut Lehrer oder Edmund Höfer oder vom Bukarester Alpinisten Walter Kargel, der vor allem für seine humorvollen Karikaturen bekannt ist (die ADZ hat ein Büchlein dazu herausgegeben, siehe auch 22. September 2013: „Gezeichnete Eindrücke vom Kletterfritz“). Conradt nennt weitere Autoren: Heinz Heltmann, Erika und Eckbert Schneider, Werner Kremm, Ingmar Weiss, Alfred Hatzack, Franz Engelmann, Walter Konschitzky, Robert Frank, Juliana Fabritius-Dancu, Franz Heinz und Georg Hromadka, „die lebendigen Wanderberichte von Lia Gross, Walter Kargel, Heinrich Lauer, Alfred Hann, Reinhold Gutt oder Elke Küchler“. Wobei die Verwendung deutscher Bezeichnungen für Flora und Fauna die Bildungslücken jener schloss, die nur rumänische Schulen besuchen konnten, erläutert Conradt weiter. Auch als Ersatz für den aus den Schulen verschwundenen Heimatkundeunterricht habe das „Komm mit“ gedient.
Ob man das alte „Komm mit“ heute noch als Wan-derführer verwenden könnte? „Ich glaube schon“, meint Klaus Fabritius, „denn die Wanderwege gibt es noch. Außerdem waren je nach Schwerpunkt der Ausgabe am Ende immer gute Karten angehängt – eine Gebirgswanderkarte und eine Rumänienkarte für den Anfahrtsweg.“
Reisen mit Blick für das Besondere
Seit 2007 gibt es in der ADZ eine wöchentliche Tourismus-Seite. 2013 entstand dann die Idee, das „Komm mit“ mit neuem Konzept wieder aufleben zu lassen: Es sollte die Reiseberichte der ADZ vereinen und so den Lesern ersparen, die ausgeschnittenen Berichte zu sammeln - mit vielen zusätzlichen Bildern. Heute ist das „Komm mit“ neben dem Jahrbuch eine attraktive „Visitenkarte“ für die Zeitung. Auf Veranstaltungen mit ADZ-Stand, aber auch als Prämie für Jahresabonnenten, erfreut es sich hoher Beliebtheit.
In seinem Einführungsartikel zur neuen Reihe 2013 erinnerte Hans Liebhardt auch an „die Autoren, die am meisten für das Buch gearbeitet haben... Nina May, die auch das Layout gemacht hat, und ihr Mann, der Fotograf George Dumitriu. Die beiden machen natürlich auch die Reisen zusammen und so ist wahrscheinlich auch das Prinzip für dieses Buch entstanden: ‚Wir reisen stets mit dem Blick für das Besondere. Für das, was man eben nicht in allen Führern lesen kann.‘“ Diesem Motto sind auch die folgenden Auflagen treu geblieben.
Zum 75. Jubiläum der ADZ ist nun die jüngste Ausgabe des „Komm mit“ erschienen. Frisch aus der Druckerpresse des Honterus-Velags kann es ab sofort als Aboprämie bestellt werden (aboservice@adz.ro). Und selbstverständlich erwartet es Sie auch auf dem ADZ-Stand zum großen Sachsentreffen vom 2. bis 4. August in Hermannstadt/Sibiu.