Viele Schneeflocken tanzen auf der Fassade des Timi{ana-Palais am Freiheitsplatz herum. Auf der Opernfassade ist der Weihnachtsmann höchstpersönlich zu sehen, während weiße und gelbe Sterne in unterschiedlichen Größen das Löffler-Palais, das noch die Kugelspuren der Revolution von 1989 trägt, zieren. Es ist Sonntag, der 1. Dezember, kurz nach 18 Uhr, und Stadtvater Nicolae Robu hat gerade die feierliche Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet.
Auf dem Opernplatz haben sich am Eröffnungsabend des Weihnachtsmarktes in Temeswar/Timișoara Hunderte von Besuchern eingefunden. Viele sind nur zum Bummeln gekommen, doch wer schon da ist, der kann sich auch mal eine Tasse Glühwein oder auch einen warmen Baumstriezel (Preis: 15 Lei/Stück), eine hierzulande sehr beliebte ungarische Spezialität, gönnen. Gekommen sind viele auch für die Pop- und Rock-Konzerte, die für den ersten Abend des Weihnachtsmarktes geplant sind. Wer den Eröffnungsabend verpasst hat, der soll sich allerdings keine Sorgen machen: In diesem Jahr hat die Temeswarer Kommunalverwaltung beschlossen, die Weihnachtsmarktbesucher jeden Abend mit Musik zu bescheren. Solange der Markt für Besucher offen steht, sollen abends Konzerte vielerlei Musikrichtungen stattfinden.
Geschenkideen für jedermann
Zum 13. Mal veranstaltet die Stadt Temeswar ihren traditionellen Weihnachtsmarkt. Im Laufe der Jahre hat die Kommune vieles dazugelernt, was diese Veranstaltung betrifft. An den ungefähr einhundert Verkaufshäuschen aus Holz gibt es die unterschiedlichsten Geschenkideen: Von selbstgemachten Dekorationsobjekten bis hin zu „Made in China“-Produkten ist alles dabei. Vor allem winterspezifische Dinge können Besucher hier erwerben, Kleidung und Accessoires für die kalte Jahreszeit sind natürlich der Hit. Der Markt findet am Opern- und Freiheitsplatz statt.
Auf die Idee, mit dem Auto ins Stadtzentrum zu fahren, sollte man am besten verzichten, denn Parkplätze gibt es dort nur wenig. Dadurch, dass der Modex-Parkplatz zu einem Gelände für Imbissbuden umfunktioniert worden ist, sind Dutzende von Parkplätzen bis Anfang Januar, wenn der Weihnachtsmarkt schließt, verschwunden. Am besten also mit Tram oder Bus ins Stadtzentrum fahren, oder, wieso nicht, zu Fuß hinschlendern, denn die gesamte Innenstadt hat winters über einiges zu bieten.
Besonders an den Lebensmittelverkaufsbuden vor dem Hunyadi-Schloss herrscht abends großes Gedränge. Kein Wunder, denn nach dem vielen Herumspazieren braucht der Magen Stärkung. Der Lebensmittelbereich des Weihnachtsmarktes ist nichts für Vegetarier oder Veganer: Hier gibt es nämlich, außer den paar Beilagen, fast nur Fleischprodukte.
Winterzeit ist Schweineschlachtzeit auf den rumänischen Dörfern. Manch ein erwachsener Städter, der diese Zeit in seiner Kindheit erlebt hat, trauert ihr auch heute noch nach. Wer keine Möglichkeit mehr hat, Fleischwaren zu Hause herzustellen, der kann sich diese auf dem Temeswarer Weihnachtsmarkt besorgen. Auch aus dem benachbarten Ungarn sind Wurstwarenverkäufer angereist, die ihre Produkte zum Verkauf anbieten. Blutwurst, Leberwurst, Grieben, Eisbein, alles, was das (nicht vegetarische) Herz begehrt, steht/hängt ausgestellt und wartet darauf, gekauft und verzehrt zu werden. Die Preise sind im Vergleich zu den normalen Ladenpreisen schon deftig. Knackige Grieben bekommt man für 65 Lei das Kilo (auf dem normalen Markt kostet ein Kilo 45 Lei), Wurst gibt es zu 30-40 Lei/Kilogramm. Dazu gibt es auch Spezialitäten mit Mangalitza- oder Wildschweinfleisch. Kleiner Tipp: Leckere Mangalitza-Wurst ist am dritten Stand rechts zu 40 Lei pro Kilo erhältlich. Seinen Durst kann man dort mit einem Glas Glühwein stillen. In diesem Jahr kostet ein Plastikbecher 5 Lei.
Neue Weihnachtsbeleuchtung
Die Weihnachtsbeleuchtung hat es in diesem Jahr in sich. Neben den neuen Lichtprojektionen auf den historischen Gebäuden am Opern- und Freiheitsplatz ist vor der Oper die bei den Selfie-Fans so beliebte Lichterkuppel wieder aufgetaucht, die den Smartphone-Bildern einen ganz besonderen Hintergrund verleiht. Praktisch übernimmt die Lichterkuppel mit nahezu einer halben Million LED-Leuchten die Rolle der bunten Regenschirme, die im Sommer über der Alba-Iulia-Straße hängen und regelrecht zum Fotografieren einladen. Am Opernplatz steht auch der geschmückte Weihnachtsbaum, der von keinem Weihnachtsmarkt wegzudenken ist. Wenn dieser in den vergangenen Jahren aus Siebenbürgen oder gar aus Italien ins Banat gebracht wurde, so stammt er heuer aus der Region, und zwar aus der Nähe der Temescher Ortschaft Tomești.
Dass auch in Temeswar ein Riesenrad aufgestellt wird, wie das in Hermannstadt/Sibiu oder Großwardein/Oradea der Fall ist, darüber hat sich Bürgermeister Nicolae Robu ebenfalls Gedanken gemacht. Zu einem Schluss kam er trotzdem nicht, denn einen geeigneten Ort in der Innenstadt habe er nicht gefunden, teilte er nach der Eröffnung des Weihnachtsmarktes den Medien mit, zur Enttäuschung aller Riesenrad-Freunde in der Stadt an der Bega. Vielleicht ließe sich dieses woanders aufstellen und könnte das ganze Jahr über benutzbar sein, meinte der Bürgermeister. Ob dies tatsächlich so geschehen wird, ist momentan ungewiss.
Eltern oder Großeltern, die mit ihren Kindern den Weihnachtsmarkt besuchen, sollten unbedingt am Freiheitsplatz vorbeischauen, denn dort befinden sich jene Einrichtungen, die den Kleinen viel Freude bereiten. Zwar wurden diese von einigen älteren Besuchern des Marktes als kitschig empfunden und darüber wurde viel auf Facebook diskutiert und gelästert; den Kindern bereitet aber eben dieses Bunte, dieses sinnlose Farbengemisch unheimlich viel Freude. Ein buntes Karussell und einen kleinen, farbenfrohen Zug können die Kinder am Freiheitsplatz vorfinden. Ebenfalls wurde dort eine Eislaufbahn eingerichtet, diesmal fast doppelt so groß wie jene aus dem Vorjahr. Auf fast 1000 Quadratmetern können sich Groß und Klein tagsüber wie auch abends sportlich betätigen und über das Eis gleiten. Für Anfänger gibt es Gleithilfen, auch können Schlittschuhe ausgeliehen oder die eigenen geschliffen werden. Das Schlittschuhlaufen kostet 20 Lei während der Woche und 25 Lei am Wochenende, dafür kann man solange, wie man möchte, über die Eislaufbahn gleiten.
Trotz des Kitsches, der an einigen Ecken auf dem Temeswarer Weihnachtsmarkt anzutreffen ist: Der Markt ist definitiv einen Besuch wert und, wer der künftigen Europäischen Kulturhauptstadt einen Besuch abstatten möchte, der sollte nicht unbedingt da-rauf warten, dass die Winterzeit vorbei geht. Schließlich hat die rumänische Revolutionsstadt gerade im Dezember ihr ganz besonderes Flair. Zu sehen und zu erleben gibt es hier jeden Tag etwas. Der Weihnachtsmarkt bleibt bis zum 12. Januar 2020 täglich zwischen 10 und 22 Uhr für Besucher geöffnet.