Dracula als Gastgeber? Alle bringen die Törzburg/Bran mit dem Dracula-Schloss in Verbindung. Eigentümer Erzherzog Dominic von Habsburg-Lothringen ist damit nicht glücklich. Inzwischen dürfte der heute 86-jährige Enkelsohn von Königin Maria sich damit abgefunden haben, denn die meisten der rund eine Million Besucher kommen jedes Jahr zu seinem Schloss, weil sie Dracula suchen, ja sogar erleben wollen. Angst und Grusel, die Bram Stokers Romanfigur vermitteln soll, werden gern in Kauf genommen.
Eine Eintrittskarte kostet dieses Jahr stolze 70 Lei (14 Euro). Und an den Souvenirständen vor dem Eingang zur Burg wird mit Dracula als Original oder alias Vlad der Pfähler auch gut verdient. Selbst Sandwiche und Würstchen können dort mit der Kreditkarte bezahlt werden – alles ist auf Touristen eingestellt. Am beliebtesten sind natürlich die kaufkräftigen ausländischen Dracula-Fans. Dracula kann nicht dokumentiert, ausgestellt und erforscht werden – auch die Anwesenheit von Vlad dem Pfähler in der Törzburg kann nicht mit Dokumenten belegt werden. In der Burg können ein „Zeittunnel“, eine Folterkammer und Räumlichkeiten besichtigt werden. Es gibt einen romantischen Innenhof mit einem falschen Brunnen, eine Geheimtreppe und Möbelstücke aus dem Familienbesitz von Dominic von Habsburg und seiner beiden Schwestern, Maria Magdalena und Elisabeth, die einige der Innenräume schmücken. Andere stehen leer und sind verschlossen.
Wertvolle Möbel, Heiligenbilder, Waffen, Schmuck, Keramik,welche Königin Maria, Dominics Großmutter, für ihr Schloss (ein Geschenk der Kronstädter aus dem Jahr 1920 als Wertschätzung ihres Einsatzes während des Ersten Weltkrieges und bei den nachfolgenden Friedensverhandlungen von Paris) gesammelt oder geschenkt bekommen hatte, wurden 2006 vom rumänischen Staat nicht rückerstattet. Sie wurden zunächst in der ehemaligen Zollstation (ein Teil des Schlossanwesens) in einem Museum gelagert und ausgestellt. 2018 gingen auch diese Räumlichkeiten in den Besitz der rechtmäßigen Erben über, der Kinder von Prinzessin Ileana, einer der Töchter von Königin Maria, die mit deren Tod 1938 das Schloss geerbt hatte. Dominic und seine damals noch lebenden Schwestern wollten ursprünglich das Schloss verkaufen. Der rumänische Staat wollte oder konnte aber nicht die vorgesehene Summe (60 Millionen Euro sollen es gewesen sein) bezahlen und wollte auch nicht weiter Miete zahlen. Beim Kulturministerium spielte man mit dem Gedanken, das 1956 gegründete Museum aufzulösen und das gesamte Inventar anderswo unterzubringen. Dazu gehörten auch die 18 Bauernhäuser und -höfe des Freilichtmuseums, das sich in unmittelbarer Nähe des Eingangs zur Törzburg befindet. Denn das Grundstück dieses Dorfmuseums wurde teilweise ebenfalls an andere, weniger prominente Eigentümer aus Törzburg rückerstattet. Diese verkauften ihre Anteile weiter, so dass heute ein Gerichtsverfahren läuft und unklar ist, wie es mit diesem Museum weitergeht.
Ehemalige Pension wird zum Museum
Königliche Möbel und Volkskunst treffen sich heute im Nationalmuseum Bran wieder. Es ist wohl ein Kontrast, aber kein Paradox. Königin Maria bewunderte, wie auch ihre Vorgängerin, Königin Elisabeth, die rumänische Volkstracht, trug sie gerne und warb für sie, so dass schön bestickte Trachtenblusen und -röcke in der rumänischen Hautevolee mit anderen Augen betrachtet wurden. Unter den zahlreichen Fotos der Königin Maria in Volkstracht gibt es auch einige, die sie zusammen mit ihrer Tochter Ileana (ebenfalls in Tracht) zeigen.
Ileana, die mit ihrer Familie Anfang 1948 Bran und das kommunistische Rumänien verlassen musste, kehrte erst 1990, nach dem Sturz von Ceaușescu, nach Bran zurück. Diesmal unter dem Namen Maica Alexandra und als orthodoxe Nonne des von ihr gegründetem Klosters in den USA. Zeugin dieser filmreifen Rückkehr war auch Marilena Rusmănică, Fachreferentin des Törzburger Nationalmuseum.
Die zierliche, kleine Frau strahlt viel Begeisterung für die königliche Familie, vor allem für Königin Maria, aus. Obwohl in ihren Adern kein rumänisches Blut floss, sind ihr Bran, Burg und Berge, seine einfachen und treuen Einwohner sehr ans Herz gewachsen. Die Burg konnte und wollte sie nicht aufwendig restaurieren und ausstatten. Verglichen mit Schloss Peleș in Sinaia ist dort alles ursprünglicher, natürlicher, nicht unbedingt aber gemütlicher. Marilena Rusmănică kann Marias Vermächtnis auswendig vortragen und tut dies voller Inbrunst. Heute kann die Rolle des Königshauses, Marias Ausstrahlung, gebührend gewürdigt werden, im Gegensatz zur Zeit vor 1989, als die rumänischen Könige im besten Falle ignoriert wurden, wenn sie nicht als Symbole der Ausbeutung und der Rückständigkeit gebrandmarkt wurden. Einiges über Marias Sinn für Kunst, über das Leben in der Burg wird über die Innenräume mit ihren wertvollen Möbelstücken, über die Gemälde an der Wand, über Holzstatuen und Keramikvasen vermittelt. Im ersten Stockwerk sind die königlichen Schlafräume aufgrund alter Fotos nachgestellt. Beeindruckend ist Ferdinands prunkvolles Himmelbett – ein Geschenk der Schauspielerin Marioara Voiculescu an ihre Königin. Reich dekorierte Regale, ein Savonarola-Stuhl, wie er in mehreren historischen Fotos zu sehen ist, Ikonen aus Russland, eine auf das 16. Jahrhundert datierte Statue aus Kirschholz mit Anna, der Jungfrau und dem Jesus-Kind, florentinische Truhen, ein deutsches Bischofsporträt, Perserteppiche, Biedermeier-Möbel in einem Salon – das sind nur einige der Original-Schmuckstücke, die beim Rundgang durch das Museum bewundert werden können.
Dieses Museum wurde 2018 in einer ehemaligen Pension eingerichtet. Ein Schwimmbad im Innenhof, zahlreiche Badezimmer, relativ kleine Räume vor allem im zweiten Stockwerk bei den Dachzimmern passen schwer zur derzeitigen Nutzung der Immobilie in der Aurel-Stoian-Straße 14. Trotzdem: diese Notlösung funktioniert gut, man hat sich dort besser zurechtgefunden, als man gedacht hatte. Im Parterre in einem größeren Raum wird Volkskunst aus der Gegend um Törzburg ausgestellt. Die Wandbehänge, die Wolldecken, die Volkstrachten stammen aus den Innenräumen der Bauernhäuser im Dorfmuseum und sprechen für die mit Viehzucht (vor allem Schafen) und Waldarbeit verbundene Lebensweise der Bewohner, wie sie vor Jahrzehnten noch anzutreffen war. Auffallend, aber nicht relevant für Bran: eine große, mit sächsischen Blumenmotiven bemalte Holztruhe. Da im Mietvertrag vermerkt ist, dass keine baulichen Eingriffe zugelassen sind, fanden in den Dachzimmern durch die engen Türrahmen nur kleinere Möbelstücke im neurumänischen Stil Platz. Der Raum ist eng, vieles wird in Depots aufbewahrt. Regelmäßig werden Exponate ausgetauscht. Das Museum leiht Objekte aus seinen Sammlungen an andere Museen (z. B. jenes in Fogarasch) oder zeigt Wanderausstellungen (unlängst in Slobozia). Workshops zur Töpferkunst und Veranstaltungen mit Schülern bringen viel Leben in dieses Haus, das früher „Popasul Reginei“ („Raststätte der Königin“) hieß. Nun ist es der Ort, der an sie erinnert und wo vieles aus ihren Sammlungen aufbewahrt wird.
Das Museum ist täglich zwischen 9 und 17 Uhr (montags zwischen 12 und 17 Uhr) geöffnet; eine Eintrittskarte kostet 10 Lei für Erwachsene, 5 Lei für Rentner, 2,50 Lei für Kinder. Es liegt nur wenige Gehminuten von der Törzburg entfernt. Dafür muss man einen Park durchqueren, der im Januar noch weihnachtlich geschmückt war: ein Bär mit roter Weihnachtsmütze und -mantel sitzt vor einem Christbaum mit goldenen Kugeln. Dahinter befindet sich ein von zwei Feldkanonen flankiertes Heldendenkmal des Generals Traian Moșoiu. Holzbänke mit geschnitzten Hirten und Tieren stehen neben moderner abstrakter Plastik. Eine Kinderspielecke ist am Parkrand zu erkennen. Alles ist bunt gemischt und kontrastreich. Wie auch das Nationalmuseum Bran als Gegenstück des Draculaschlosses.